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       # taz.de -- EZB-Ratssitzung in Neapel: Draußen Proteste, drinnen Leitzins
       
       > Bei Demonstrationen rund um die Sitzung der Europäischen Zentralbank kam
       > es zu einer Festnahme. Die Banker suchten Wege aus Niedriginflation und
       > Kreditklemme.
       
   IMG Bild: Wer ist hier wer? Das ist im Wasserwerferregen nicht zu erkennen.
       
       NEAPEL dpa/rtr | Mit Wasserwerfern sind die Einsatzkräfte in Neapel gegen
       Demonstranten am Rande der EZB-Ratssitzung vorgegangen. Ein Teilnehmer der
       Proteste wurde festgenommen, weil er versucht hatte, über die Mauer des
       streng abgeriegelten Tagungsortes zu klettern, wie die italienische
       Nachrichtenagentur Ansa am Donnerstag berichtete. Teilnehmer des Protests
       hatten zudem Feuerwerkskörper und andere Gegenstände in Richtung der
       Polizisten geworfen. Angaben über Verletzte gab es zunächst nicht.
       
       Normalerweise tagt der EZB-Rat am Sitz der Notenbank in Frankfurt. Die
       Behörden in Neapel hatten für das auswärtige Treffen der Notenbanker im
       Museo di Capodimonte zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen. An dem
       Demonstrationszug in der süditalienischen Stadt beteiligten sich laut
       Veranstalter gaben 4.000 Menschen.
       
       Der Protest war zunächst friedlich verlaufen. Die Organisatoren wenden sich
       gegen die Folgen der Anti-Krisenpolitik in Europa und die Maßnahmen der
       Europäischen Zentralbank (EZB). Unter den Demonstranten waren vor allem
       Studenten, Schüler und Arbeitslose. Sie kritisieren unter anderem, dass
       junge Leute in baufälligen Gebäuden studieren müssten oder schwarz zu
       arbeiten, um ihr Studium fortsetzen zu können. Die Teilnehmer riefen
       Parolen wie: „Wir sind es, die für die Krise bezahlen“ und forderten die
       Einsatzkräfte auf, ihre Helme abzusetzen und sie bei dem Protest zu
       unterstützen.
       
       Im Innern des Tagungsgebäudes waren Europas oberste Währungshüter seit dem
       Morgen zu einer Sitzung zusammengekommen. Sie hielten den Leitzins im
       Euroraum auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent. Um die Kreditvergabe und
       damit letztlich die Konjunktur anzukurbeln hatte sich der EZB-Rat in seiner
       September-Sitzung zudem auf einen höheren Strafzins von 0,2 Prozent für bei
       der Notenbank geparktes Geld verständigt. Dieser negative Einlagenzins
       bleibt unverändert.
       
       ## Fünf-Jahres-Tief im September
       
       Angesichts der sehr niedrigen Inflation in der Euro-Zone hält sich die EZB
       den Kauf von Staatsanleihen offen. Die Währungshüter seien einhellig der
       Auffassung, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, „sollte dies notwendig
       werden“, sagte Draghi am Donnerstag. Die Inflationsrate war im September
       auf das Fünf-Jahres-Tief von 0,3 Prozent gefallen.
       
       Ihr Wertpapier-Ankaufprogramm zur Bekämpfung der Kreditklemme in der
       Euro-Zone will die Zentralbank Mitte des Monats starten. Das Programm solle
       mindestens zwei Jahre laufen. Die Ankäufe würden zusammen mit anderen,
       bereits beschlossenen Geldspritzen für Banken einen deutlichen Einfluss auf
       die Bilanz der EZB haben. Nähere Details sollen noch am Nachmittag
       bekanntgegeben werden.
       
       Die EZB will Kreditverbriefungen – sogenannte ABS – und Pfandbriefe kaufen.
       Mit ABS-Papieren können Banken Kredit-Risiken bündeln, aus der Bilanz
       auslagern und am Markt damit handeln. Idealerweise haben sie dann mehr
       Mittel frei, um neue Darlehen zu vergeben.
       
       Bundesbankchef Jens Weidmann hatte gefordert, „wenn überhaupt, dann
       risikoarme Papiere“ aufzukaufen. Vor der EZB-Ratssitzung waren
       Presseberichte aufgetaucht, wonach Draghi auch den Kauf von Ramschpapieren
       aus Griechenland und Zypern ermöglichen wolle. Insbesondere in Deutschland
       hatten Kritiker gewarnt, er mache die EZB damit zu einer Art „Bad Bank“.
       
       Draghi bestätigte nun, auch Wertpapiere aus Ländern mit einem Rating
       unterhalb von BBB- – also mit Ramsch-Status – aufkaufen zu wollen. Die EZB
       wolle sich dabei auf Papiere konzentrieren, die „einfach und transparent“
       seien.
       
       2 Oct 2014
       
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