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       # taz.de -- Planung Tempelhofer Feld: Viel Platz für Diskussionen
       
       > Bei der Entwicklung des Tempelhofer Feldes sollen alle mitreden dürfen.
       > Über 100 Interessierte haben am Samstag schon mal damit angefangen.
       
   IMG Bild: Das Tempelhofer Feld soll genau so bleiben, wie es ist. Oder etwa nicht?
       
       Auf den ersten Blick ist der Unterschied gar nicht so groß. In der Alten
       Zollgarage im ehemaligen Flughafengebäude hängen am Samstagnachmittag bunte
       Zettel an Pinnwänden, auf denen Anwesende ihre Ideen notieren können.
       Freundliche Damen schenken Kaffee aus, und das Wort „Partizipation“ fällt
       alle fünf Minuten. Alles so wie schon bei früheren Veranstaltungen, bei
       denen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einlud, über die Zukunft
       des Tempelhofer Feldes zu diskutieren. Nur: Inzwischen gab es einen
       Volksentscheid, und der hat diese Zukunft ziemlich klar definiert. Eine
       Bebauung wird es nicht geben, eine Gestaltung der Parkfläche ist nur sehr
       behutsam erlaubt.
       
       Der Unterschied ist also doch gewaltig: Zwar spricht
       Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) ein paar einleitende Worte,
       aber dann übernimmt der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und
       Naturschutz (BUND) das Mikrofon. Tilmann Heuser ist einer der bekanntesten
       Kritiker der Bebauungspläne. Und soll nun die weitere Entwicklung des
       Feldes koordinieren.
       
       Das Prozedere, das an diesem Samstag startet, ist Teil des per
       Volksentscheid beschlossenen Gesetzentwurfs: Bis Sommer 2015 soll in
       mehreren Runden ein „Entwicklungs- und Pflegeplan“ für das Feld erarbeitet
       werden. Durch öffentliche Veranstaltungen sowie eine Online-Plattform soll
       für alle Interessierten die Möglichkeit bestehen, Kommentare und
       Verbesserungsvorschläge einzubringen.
       
       Heuser hat ambitionierte Ziele für diesen Prozess: „Es sollen sich nicht
       nur die beteiligen, die sowieso schon aktiv zum Feld arbeiten, sondern auch
       alle anderen Interessierten, ob Nutzer oder nicht.“ Bis November soll es
       daher noch gar nicht um Inhalte, sondern nur um die Entwicklung des
       Verfahrens gehen. „Die Partizipation war eine Kernforderung des
       Gesetzentwurfs, und wir freuen uns, dass wir das jetzt umsetzen können“,
       sagt Heuser.
       
       Über 100 Leute sind zur Auftaktveranstaltung gekommen, viele von ihnen
       engagieren sich bereits jetzt in Projekten auf dem Feld. „Ein tolles
       Konzept ist das“, sagt Besucherin Christine Burr, „es wird aber auch eine
       Herausforderung, das wirklich so partizipativ umzusetzen.“
       
       Schon bei der Veranstaltung am Samstag könnte manches besser laufen: Die
       Akustik im Raum ist schlecht, was für Unmut unter den TeilnehmerInnen
       sorgt. Es wird sogar vermutet, das habe die Senatsverwaltung absichtlich so
       eingefädelt. Als die „Murmelgruppen“, also die Gruppengespräche, beginnen
       sollen, verschwindet ein großer Teil der BesucherInnen erst mal vor die
       Tür. Später wollen sie dann gar nicht mehr aufhören zu murmeln. Erst nach
       mehreren Ermahnungen wird es ruhig. Und dann meldet sich ausgerechnet
       jemand, der „immer für die Bebauung war“ und nach eigener Aussage nicht
       versteht, warum er „jetzt hier über so einen Pipifax entscheiden soll“, es
       sei ihm „völlig egal, ob da jetzt Ringelblumen oder Sonnenblumen wachsen“.
       Die Moderation sagt „Danke für Ihren Beitrag“ und lächelt’s weg.
       
       Insgesamt ist das Publikum wohlwollend bis kritisch. „Die Diskussion über
       Leitbilder für das Feld können Sie mal gleich streichen, das ist alles im
       Gesetz definiert“, sagt ein Besucher und bekommt dafür viel Applaus. Ebenso
       wie die Frau, die „Schluss mit dieser Frontalkacke“ fordert. Gleichzeitig
       genießt BUND-Mann Heuser bei vielen Anwesenden hohes Ansehen. „Mit dem wird
       das schon gut werden“, sagt Besucher Ingo Kowarik, Professor für
       Ökosystemkunde an der TU Berlin.
       
       Einige wollen sich auch gar nicht mehr lange über das Verfahren
       unterhalten, sondern „endlich loslegen“. Denn Ideen für das Feld gibt es
       viele: mehr Möglichkeiten zum Gärtnern, Wasserspiele, längere
       Öffnungszeiten, eine Gedenkstätte für Opfer des NS-Zwangsarbeiterlagers,
       eine Streuobstwiese.
       
       Immer wieder aber wird auch betont: Das Feld soll genau so bleiben, wie es
       ist. Dass sich die VerfechterInnen dieser Idee hier trotzdem einbringen,
       hat wohl mit dem Misstrauen gegenüber der Politik zu tun – das auch nach
       dem gewonnenen Entscheid geblieben ist.
       
       28 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malene Gürgen
       
       ## TAGS
       
   DIR Volksentscheid
       
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