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       # taz.de -- Kommentar „Unrechtsstaat“ DDR: Worthülse wird zum Kampfbegriff
       
       > Keiner weiß so genau, was ein „Unrechtsstaat“ eigentlich ist. Trotzdem
       > spielt der Begriff bei der Regierungsbildung in Thüringen eine wichtige
       > Rolle. Zu Unrecht.
       
   IMG Bild: Es war nicht alles schlecht
       
       In der Politik werden Worthülsen manchmal zu Kampfbegriffen, die über
       Fronten oder Bündnisse entscheiden. So wie die Bezeichnung „Unrechtsstaat“
       für die verblichene DDR bei den Sondierungen der Linken, der SPD und der
       Grünen über eine Regierungsbildung in Thüringen. Niemand hat je definiert,
       was ein Unrechtsstaat ist, auch die Bundesregierung auf Anfrage der Linken
       nicht. Wäre damit eine Justiz gemeint, die im Sinne Hannah Arendts von
       einem totalitären ideologischen Durchgriff geprägt ist?
       
       Solche Pauschalurteile bergen selbst den Keim des Unrechts in sich. Es gab
       zweifelsfrei politisch motiviertes Unrecht in der DDR, aber es gab auch
       eine Zivilgerichtsbarkeit, der man keinen ideologischen Terror unterstellen
       kann. Auch der auf dem Grundgesetz basierende Rechtsstaat, der 1990 die DDR
       ablöste, ist nicht frei von Widersprüchen. Legendär ist inzwischen der Satz
       der Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley geworden: „Wir wollten Gerechtigkeit und
       bekamen den Rechtsstaat.“
       
       Deshalb lohnt die Fixierung auf den „Unrechtsstaat“ DDR eigentlich nicht.
       Auf beiden Seiten nicht, denn wenn er einigen vorwiegend älteren
       Mitgliedern der Linken nun so wehtut, akzeptieren sie ihn indirekt nur. Und
       fühlen damit zugleich das gesamte sozialistische Experiment delegitimiert –
       zu Unrecht!
       
       Die Linke täte gut daran, das in Thüringen gefundene Konsenspapier nicht zu
       zerreden und über den Dingen zu stehen. Aus der Distanz von 25 Jahren
       sollte sich mehr Gelassenheit einstellen, sowohl gegenüber den belegbaren
       Vorzügen des Lebens in der DDR als auch gegenüber der Massenindoktrination
       und ihren Folgen. Maßgeblich, wenn auch formal wie in diesem Fall nicht
       entscheidend, bleibt immer die Einstellung zu einem Gesellschaftssystem und
       seinen möglichen Wiederholungsversuchen.
       
       28 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Bartsch
       
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