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       # taz.de -- Kommunale Daten für alle: Transparente Städte
       
       > Software-Entwickler machen öffentliche Daten in Deutschland zugänglich.
       > Sie erleichtern etwa die Suche nach freien Kita- und Parkplätzen.
       
   IMG Bild: Ob zwischen diesen Gummistiefeln in einer Kita noch Platz ist, wissen vielleicht die Datenzauberer von OKFN
       
       Die Daten: Bus- und Bahnpläne, Kindergartenplätze und Grünflächen sammeln
       die Entwickler von „Code of Germany“. Das Ziel: Die Arbeit von Verwaltungen
       offener und transparenter zu machen und öffentliche Daten zu nutzen.
       
       Dafür baut die Open Knowledge Foundation Deutschland (OKFN) seit Frühjahr
       deutschlandweit ein Netzwerk aus sogenannten OK Labs auf. Das sind
       regelmäßige Treffen, bei denen Interessierte aus einer Stadt zusammenkommen
       und mit „öffentlichen Daten coden können“, sagt Julia Kloiber,
       Projektleiterin bei der OKFN.
       
       Coden – ein Blick nach Ulm zeigt, was der abstrakte Ausdruck bedeutet: Wer
       bisher nach freien Kitaplätzen gucken wollte, musste auf der Webseite der
       Stadt eine komplizierte Suchmaske ausfüllen. Als Ergebnis erhielt er eine
       unübersichtliche Liste.
       
       Entwickler aus dem Ulmer OK Lab haben mit dem Tool „Kleiner Spatz“ die
       Suche vereinfacht: Statt komplizierter Formulare gibt es jetzt eine Karte,
       die jeden Kindergarten als weißes Kästchen anzeigt. Gibt es freie Plätze,
       ist in dem Kasten ein grüner Haken; gibt es keine, ein rotes Kreuz. Ein
       Klick bringt Nutzer zu weiteren Informationen über den Kindergarten oder
       direkt zu einem Kontaktformular.
       
       ## PDFs mit unverständlichen Daten
       
       Fahrradunfallstatistiken, freie Parkplätze, Verspätungen im Nahverkehr –
       die Liste interessanter Datensätze ist lang. Und fast alle liegen bei den
       Stadtverwaltungen oder Vertragspartnern, oft versteckt hinter Suchmasken in
       PDFs voller unverständlicher Zahlen.
       
       Hier setzen die OK Labs an: Sie überlegen sich, wie man Daten, die schon
       verfügbar sind, zugänglicher machen und in hilfreiche Anwendungen umwandeln
       kann. Sie arbeiten aber auch mit den Städten zusammen, um an neue
       Datensätze zu kommen.
       
       So wie in Heilbronn: Leute aus dem dortigen Lab wollten die Inhaltsstoffe
       von Leitungswasser in einer Webanwendung abrufbar machen. Mittlerweile geht
       das auf der Seite „Was steckt in meinem Leitungswasser?“ problemlos: Man
       wählt einen Ort in der Region Heilbronn aus und bekommt angezeigt, wie viel
       Natrium, Kalium oder Magnesium dort im Trinkwasser ist – auf den Ortsteil
       genau. Dazu gibt es weitere Informationen, damit man einordnen kann, ob
       diese Werte gut oder schlecht sind. Die Betreiber von
       Wasserversorgungsanlagen sind verpflichtet, diese Information für ihr
       jeweiliges Gebiet öffentlich zu machen. Doch das heißt nicht, dass sie
       schnell auffindbar, gut zugänglich oder, was für die Programmierer wichtig
       ist, maschinenlesbar sind.
       
       ## Per Hand in die Tabelle tippen
       
       „Teilweise fanden wir die Daten gar nicht im Netz und kontaktierten die
       Kommunen per Mail“, erklärt die Journalistin Verena Wormer, die von Anfang
       an bei dem Projekt dabei war. „Manche schickten uns Kopien der
       Veröffentlichung in ihrem Mitteilungsblatt, andere mailten uns PDFs. Wir
       mussten die Daten dann per Hand in eine Tabelle übertragen, die nun
       Grundlage für das Trinkwassertool ist.
       
       So müssen die Entwickler oft bei den Städten anfragen, um Daten zu
       bekommen, mit denen sie arbeiten wollen. Manchmal klappt das, wie in
       Heilbronn oder in Ulm. Doch andernorts stoßen Anfragen auf Ablehnung,
       fehlendes Verständnis und Angst vor negativen Folgen. So lehnten die
       Verkehrsbetriebe in Dresden eine Veröffentlichung ihrer Fahrplandaten in
       offener Form ab – aus Wettbewerbsgründen.
       
       Doch es soll nicht dabei bleiben, dass die Entwickler von außen an die
       Städte herantreten. Vorbild für „Code for Germany ist „Code for America“
       aus den USA, das 2009 nicht mit der Organisation von Labs, sondern der
       Ausgabe von Stipendien begann: Die Stipendiaten gehen für ein Jahr in eine
       Stadtverwaltung – nicht als Unterstützung für die IT, sondern um die
       Verwaltung zu beobachten und Probleme und Prozesse zu finden, die man mit
       Code lösen oder transparenter machen kann.
       
       So haben sich Stipendiaten des Jahrgangs 2013 den Kommunikationsproblemen
       von Sozialhilfebehörden gewidmet: In San Francisco kam es immer wieder vor,
       dass Zuschüsse gekürzt wurden, weil Empfänger nicht wussten, dass sie ein
       Dokument oder Formular bis zu einem bestimmten Datum hätten einreichen
       müssen. Die „Code for America“-Stipendiaten haben daraufhin in
       Zusammenarbeit mit der Behörde den SMS-Service „Promptly“ entwickelt: Wer
       Gefahr läuft, seine Zuschüsse am Ende des Monats zu verlieren, bekommt eine
       SMS, die in verschiedenen Sprachen kurz davor warnt und eine Kontaktnummer
       enthält. Die Zusammenarbeit von Stipendiaten und Städten bei Projekten wie
       „Promptly“ klappt dabei so gut, dass sich nicht nur Stipendiaten, sondern
       auch Städte auf das Programm bewerben. Allein für den Stipendiatenjahrgang
       2015 gab es vierzig Bewerberstädte, von denen sieben ein Team zugeteilt
       bekommen.
       
       ## Zu wenige denken an offene Informationen
       
       Auf lange Sicht sollen auch die OK Labs in Deutschland den Weg für so ein
       Stipendium bereiten. Die OKFN ist bereits dabei, als Teil von „Code for
       Germany“ ein Städtenetzwerk aufzubauen, das es Vorreitern wie Ulm, Köln
       oder Berlin ermöglichen soll, sich auszutauschen und konkrete Ziele für die
       weitere Öffnung ihrer Verwaltungen festzulegen.
       
       Parallel beschäftigt sich die OKFN mit der Frage nach der Finanzierung der
       Stipendien – soll das Geld von Universitäten, Stiftungen oder Städten
       kommen? Auch viele Stiftungen in Deutschland interessieren sich nicht für
       Themen wie transparente Verwaltungen. Durch „Code for Germany“ sollen
       Ideen, Transparente Verwaltungen, technische Zusammenarbeit zwischen
       Ehrenamtlichen und Kommunen, Offenlegung städtischer Daten noch mehr
       Städte, Verwaltungen und Stiftungen erreichen. Denn, so Julia Kloiber:
       „Wenn sich auf der Bundesebene alles langsam bewegt, muss man es eben von
       unten, von den Städten aus, puschen.“
       
       28 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharin Tai
       
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