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       # taz.de -- Steuersätze in den Bundesländern: Wer melkt weniger?
       
       > Dürfen Bundesländer manche Steuern bald selbst festsetzen? Das schlägt
       > zumindest der Bund vor. Droht dann ein Steuer-Dumping-Wettbewerb?
       
   IMG Bild: Noch sind sie in NRW. Wenn das Saarland sie weniger melken will, machen sie sich aber vielleicht bald auf den Weg.
       
       BERLIN rtr | Arbeitnehmer und Unternehmen sollen nach dem Willen der
       Bundesregierung künftig mit regional unterschiedlich hohen Steuern belastet
       werden können. In den Bund-Länder-Verhandlungen über die Neuordnung der
       deutschen Staatsfinanzen schlägt der Bund Zuschlagsrechte der Bundesländer
       bei der Einkommen-, Kapitalertrag- und der Körperschaftsteuer vor. Die
       Länder sind in der Frage noch gespalten. Einig sind sie sich allerdings in
       der Forderung, an den Soli-Milliarden beteiligt zu werden. Die
       Bundesregierung will den Preis dafür möglichst hoch treiben und die Länder
       stärker für den Gesamtstaat in die Pflicht nehmen.
       
       In einem Bericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe drängt der Bund die Länder
       an etlichen Stellen zu mehr finanzieller Eigenverantwortung. So heißt es
       darin: „Eine größere Steuerautonomie der Gebietskörperschaften ist
       geeignet, unterschiedlichen regionalen und lokalen Gegebenheiten Rechnung
       zu tragen und Verantwortlichkeiten für finanzpolitische Entscheidungen für
       die Wähler klarer erkennbar zu machen.“ Nach Bundesländern unterschiedlich
       hohe Steuersätze hatten bereits in früheren Gesprächen über eine
       Gemeindefinanzreform auf dem Tisch gelegen, waren von der Länder-Mehrheit
       aber abgelehnt worden.
       
       Damals waren Zu- und Abschlagsrechte der Länder auf die Einkommensteuer von
       bis zu drei Prozentpunkten im Gespräch. Im Extremfall würde dies bedeuten,
       dass in einem Bundesland ein Spitzenverdiener ab 250.730 Euro mit einem
       Satz von 48 Prozent, in einem anderen Land aber nur mit 42 Prozent belastet
       würde. Bisher greift ein einheitlicher Tarif von 14 bis 45 Prozent.
       
       Dem Bericht zufolge lehnen die Bundesländer das Ansinnen des Bundes nicht
       grundsätzlich ab. Mit Verweis auf die Position der Länder heißt es darin
       lediglich: „Das Thema bleibt Gegenstand der weiteren Verhandlungen.“
       Verhandlungskreisen zufolge sperrt sich aber bisher eine Länder-Mehrheit
       gegen den Vorschlag, weil sie einen ruinösen Steuer-Dumping-Wettbewerb
       fürchtet. Der 15-seitige Bericht war die Basis für weitere Verhandlungen
       der Finanzminister von Bund und Ländern am Donnerstag in Berlin.
       
       ## Kompromiss bis Ende des Jahres
       
       Weil der Solidarpakt II für Ostdeutschland und der jetzige
       Länder-Finanzausgleich 2019 auslaufen, müssen die Finanzströme zwischen den
       staatlichen Ebenen neu organisiert werden. Die Finanzminister sollen dazu
       den Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Oktober erste
       Vorschläge machen. Bis zum Jahresende sollen zentrale Eckpunkte stehen.
       
       Aus dem Bericht geht hervor, dass Bund und Länder in fast allen Bereichen
       noch weit auseinander liegen. Bestes Beispiel dafür ist der
       Solidaritätszuschlag, dessen Aufkommen von derzeit knapp 15 Milliarden Euro
       bisher alleine dem Bund zusteht. Die Länder fordern, den Soli entweder als
       eine Ergänzungsabgabe zu erhalten oder ihn in die Gemeinschaftsteuern zu
       integrieren. Dies hätte den Vorteil, dass sie – und ihre Kommunen – an den
       Soli-Einnahmen zu mehr als der Hälfte beteiligt würden. Den höheren Anteil
       an der Umsatzsteuer, den sie im Rahmen der Soli-Einführung 1993 bekommen
       hatten, wollen sie außerdem behalten.
       
       Dabei will der Bund jedoch nicht mitspielen. Er fordert im Gegenzug für
       eine Länder-Beteiligung am Soli eine Kompensation durch die Rückgabe der
       sieben Umsatzsteuerpunkte. Das Feilschen um die Bundes-Milliarden zieht
       sich durch den gesamten Bericht. So fordern die Länder, dass ihnen der Bund
       bei den Zinsen auf ihre Altschulden hilft, ihnen bei der Sanierung der
       kommunalen Infrastruktur unter die Arme greift und ihnen weiter Hilfe
       leistet bei der Überwindung regionaler Strukturschwächen.
       
       Der Bund pocht dagegen auf Strukturreformen vor allem durch eine
       Entflechtung der Zuständigkeiten für Sozialausgaben, statt lediglich mehr
       Geld an die Länder zu verteilen. So sollen die Landtage künftig selbst
       bestimmen können, ob sie von bundesweit geltenden Sozialstandards zum
       Beispiel bei der Behindertenhilfe abweichen und dadurch ihre Kosten
       reduzieren wollen.
       
       Außerdem will der Bund den gemeinsamen Stabilitätsrat stärken, der die
       Einhaltung der Schuldenbremse im Grundgesetz überwachen und bei Verstößen
       vor dem Bundesverfassungsgericht klagen können soll. Schließlich fordert
       der Bund, dass die Länder ihren Streit über den Finanzausgleich
       untereinander nicht auf seine Kosten lösen.
       
       25 Sep 2014
       
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