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       # taz.de -- Handygate-Affäre in Dresden: Sportgruppe frei
       
       > Nach Jahren entdecken die Ermittler das Offensichtliche: Die „kriminelle
       > Vereinigung“, wegen der sie knapp eine Million Handydaten sammelten, gab
       > es nie.
       
   IMG Bild: Auch dies wäre ja, letztlich, eine Sportgruppe, nicht wahr?
       
       Wie, verdammt noch mal, passt das alles zusammen? Es gibt da diesen
       Verdächtigen Z., mutmaßlich ein Demotourist, erlebnisorientiert, einer der
       gerne zuschlägt. Dann gibt es K., ein Fußballfan, ein Ultra. Er betreibt
       Kampfsport, schlägt Nazis. Und dann gibt es neben all den anderen noch W.,
       den Stunkmacher, der auf Anabolika und Prügeleien steht. Es steht doch
       alles da, schwarz auf weiß, in den Ermittlungsakten. Wie also passen diese
       Jungs zusammen?
       
       Jahrelang ist die Staatsanwaltschaft Dresden dieser Frage nachgegangen.
       Insgesamt 25 Menschen wurden überwacht, ihr Privatleben wurde
       durchleuchtet. Polizisten stürmten Partei- und Anwaltbüros in der
       sächsischen Landeshauptstadt. Und sie werteten knapp eine Million
       Handydaten von Zehntausenden Demonstranten, Anwälten, Journalisten aus.
       Ihre Vermutung: Es musste etwas geben, was ihre Verdächtigen verband. Sie
       dachten an eine kriminelle Vereinigung und nannten sie
       „Antifa-Sportgruppe“.
       
       Nun mussten die Ermittler feststellen: Sie waren komplett auf dem Holzweg.
       Das Pikante: Sie hätten es von Anbeginn an wissen müssen.
       
       Denn nach Recherchen der taz ging [1][bereits im Jahr 2011 aus ihren
       eigenen Ermittlungsakten] klar das Missverständnis hervor, das die
       Ermittler selbst nicht sahen – oder sehen wollten. Die sächsischen Fahnder
       jagten ihre „Antifa Sportgruppe“ so, als ob es davon nur eine gebe, oder
       als ob in der ganzen Bundesrepublik eine gigantische Verschwörung unter
       diesem Label zelebriert würde. Tatsache ist: Das Wort „Sportgruppe“ ist ein
       allgemeiner Begriff. So werden in antifaschistischen Kreisen linksradikale
       Grüppchen bezeichnet, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.
       
       ## Pure Inkompetenz?
       
       Doch statt zu definieren, welche „Antifa Sportgruppe“ es meinte, begann das
       LKA gegen eine Idee zu ermitteln. Und siehe da: Die Ermittlungsrichter
       stimmten ihren Ersuchen immer wieder zu. Aus purer Inkompetenz? Oder aus
       politischem Willen?
       
       Johannes Lichdi ist grüner Stadtrat in Dresden. Heute sagte er: „Es ist
       offensichtlich, dass das LKA aus politischen Gründen eine
       linksextremistische Gewalttätergruppe herbeifantasiert hat. Der
       Öffentlichkeit sollte suggeriert werden, dass Sachsen kein Problem mit
       Nazis, sondern mit Linken hat.“ Ein harter Vorwurf.
       
       Doch wer die Entwicklung des Verfahrens betrachtet, stößt auf einen
       zeitlichen Ablauf, der stutzig macht. Der Hintergrund: Im Februar 2010 kam
       es zu ersten großen Protesten gegen den jährlichen Neonaziaufmarsch in
       Dresden. Zwei Monate später leiteten die Behörden das Verfahren ein. Bei
       nächster Gelegenheit, ein Jahr später im Februar 2011, verantworteten sie
       einen der größten Datenskandale der letzten Jahre: Unter dem Vorwand, die
       „kriminelle Vereinigung“ zu finden, sammelten die Behörden bei einer
       Großdemonstration knapp eine Million Handydaten. Es dürfte die präziseste
       Protestdatenbank der Republik sein. Bis heute laufen deswegen zahlreiche
       Gerichtsverfahren. Auch die taz geht gegen diese Maßnahme vor.
       
       Und so entstand aus einer Gruppe vermeintlicher Schläger, die der Polizei
       aufgefallen waren, ein Rechtskonstrukt, das als Paradebeispiel in jedem
       Jurastudium herhalten kann: Je weniger Anhaltspunkte die Ermittler für ihre
       Ausgangsthese hatten, desto ausufernder wurden ihre Maßnahmen.
       
       23 Sep 2014
       
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