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       # taz.de -- Urteil zu Flüchtlingsunterkunft in Israel: Das Lager muss schließen
       
       > Illegal Eingereiste, überwiegend aus Afrika, steckt Israel für ein Jahr
       > in Haft. Das ist nicht legal, entschied ein Gericht – und erntet dafür
       > heftige Kritik aus der Politik.
       
   IMG Bild: Flüchtlinge, behandelt wie Gefangene: Internierungslager Cholot im Negev.
       
       JERUSALEM afp | Israels Oberster Gerichtshof hat die unbefristete
       Internierung von afrikanischen Flüchtlingen für illegal erklärt und die
       Schließung eines dazu errichteten Lagers angeordnet. Die Richter
       entschieden am Montag, dass das umstrittene Internierungslager Cholot in
       der Negevwüste binnen drei Monaten geschlossen werden muss. Die
       Entscheidung löste eine heftige Kontroverse aus. Innenminister Gideon Saar
       forderte am Dienstag sogar, die Rechte des Obersten Gerichtshof zu
       beschneiden.
       
       Die Richter entschieden am Montag auch, dass die Praxis unzulässig sei,
       illegal Eingereiste bis zu ein Jahr ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis zu
       stecken. Der Gerichtshof erklärte damit zum zweiten Mal die israelische
       Flüchtlingspolitik für verfassungswidrig, weil sie grundlegende
       Menschenrechte verletze.
       
       Nachdem die obersten Richter 2013 ein erstes Gesetz gekippt hatten, das die
       unbefristete Inhaftierung von illegal ins Land gelangten Flüchtlingen
       vorsah, beschloss das Parlament im Dezember Gesetzesänderungen. Diese
       begrenzten Gefängnisaufenthalte auf ein Jahr und sahen die Schaffung von
       Internierungslagern vor.
       
       In Cholot nahe der Grenze zum ägyptischen Sinai wurde ein erstes Lager
       errichtet, das bis zu 3.300 Menschen aufnehmen sollte. Die gegenwärtig fast
       2.200 Insassen dürfen Cholot tagsüber kurzzeitig verlassen, müssen sich
       aber morgens, mittags und abends zu einem Zählappell einfinden. Die
       Arbeitserlaubnis wird den dort unbefristet Internierten entzogen.
       
       ## Den Verbleib verleiden
       
       Etwa 48.000 Flüchtlinge aus Afrika leben derzeit nach Angaben der
       Zuwanderungsbehörde in Israel, wo ihre Asylanträge nur schleppend
       bearbeitet werden. Davon kommen mehr als 44.000 aus Eritrea und dem Sudan.
       Wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen in ihren Heimatländern
       schiebt Israel sie nicht ab, will ihnen aber ihren dauerhaften Verbleib im
       Land verleiden. Aufgrund der Internierungen und der mangelnden Aussicht auf
       Asylgewährung haben seit Jahresbeginn nach Angaben der Behörden bereits
       rund 5400 Flüchtlinge akzeptiert, in afrikanische Länder ausgeflogen zu
       werden.
       
       Die fünf Bürgerrechtsgruppen, die Klage eingereicht hatten, lobten die
       Entscheidung vom Montag. Sie mache klar, dass der Umgang mit Asylsuchenden
       nicht einzig aus Masseninternierung bestehen könne. Oppositionspolitikerin
       Schelly Jachimowitsch von der Arbeitspartei wertete „schon die Idee,
       Menschen ein Jahr lang ohne Gerichtsverfahren wegzusperren und
       Internierungslager einzurichten“ als „unwürdig für eine aufgeklärte
       Gesellschaft“.
       
       Innenminister Saar kritisierte dagegen, nach der Entscheidung des
       Gerichtshofs habe die Regierung „keine Werkzeuge mehr, um mit der illegalen
       Einwanderung fertigzuwerden“. Das entsprechende israelische Grundgesetz
       müsse nun so geändert werden, „dass die Eingriffsmöglichkeiten der
       Judikative in die gesetzlichen Regelungen zu Flüchtlingsfragen begrenzt
       werden“. Die Abgeordnete Ajelet Schaked von der ultranationalistischen
       Partei Jüdisches Heim kritisierte, die Richter hätten die Sicherheit
       Israels geschädigt und auf der Legislative „herumgetrampelt“.
       
       In der südlichen Innenstadt von Tel Aviv, wo tausende afrikanische
       Flüchtlinge unter erbärmlichen Bedingungen in Grünanlagen kampieren, kam es
       am Montagabend zu wütenden Protesten der Bewohner gegen den Richterspruch.
       Die Menschenrechtsgruppen hinter der Klage forderten den Staat darauf auf,
       den Flüchtlingen unbefristete Arbeitserlaubnisse zu erteilen, um soziale
       Spannungen zu entschärfen. Dies werde dazu führen, dass es nicht mehr zu
       einer Ballung von Flüchtlingen in wenigen Stadtgebieten komme.
       
       Durch den Bau einer Sperranlage entlang der gesamten Grenze nach Ägypten
       hat Israel seit 2012 den Zustrom neuer Flüchtlinge aus Afrika bereits
       drastisch eingeschränkt. Seit Jahresbeginn gelang es nach Angaben der
       Einwanderungsbehörde nur 21 Menschen, illegal nach Israel zu gelangen.
       
       23 Sep 2014
       
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