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       # taz.de -- Vor dem Klimagipfel: Geld abziehen, Klima retten
       
       > Klima-Aktivisten glauben vor dem UN-Klimagipfel nicht an Veränderungen
       > durch Politiker. Einige Organisationen setzen auf wirtschaftlichen Druck.
       
   IMG Bild: Kann hier das Klima gerettet werden? UN-Zentrale in New York
       
       Als hätte der Papst nicht schon genug Ärger mit der umstrittenen
       Vatikanbank. Jetzt fordern die Umweltschützer der weltweiten Organisation
       „[1][350.org]“ auch noch, der Vatikan solle seine 8 Milliarden Dollar
       vollständig aus den Investitionen in fossile Energien abziehen, damit „die
       katholische Kirche nicht durch ihre Investitionen die Klimakrise anheizt“.
       
       Kein Wunder, dass die Aktivisten ausgerechnet Papst Franziskus ins Visier
       nehmen. Denn ihre weltweite Kampagne des sogenannten Divestments, mit dem
       Anleger ihr Geld aus den Öl-, Kohle- und Gasfirmen abziehen sollen, zielt
       genau auf die Verbindung von Finanzen und Verantwortung, die der
       antikapitalistische Oberkatholik gern predigt.
       
       Aber das Divestment will mehr: Es soll die Auferstehung einer weltweiten
       Klimabewegung sichern, um Druck für ein ehrgeiziges Klimaabkommen Ende 2015
       in Paris aufzubauen. So wird kommende Woche beim UN-Gipfel in New York auch
       der südafrikanische Bischof Desmond Tutu alle Menschen auffordern, ihre
       Anteile an Kohle- und Ölfirmen zu verkaufen.
       
       Denn weltweit glauben Klimaschützer inzwischen immer mehr an die Macht des
       Geldes und immer weniger an die UN-Klimadiplomatie. Diese wird wohl im
       besten Fall in Paris ein verbindliches 2-Grad-Ziel und freiwillige
       CO2-Reduktionsziele der Staaten liefern. Doch das ist zu wenig. Anders als
       vor Kopenhagen 2009 konzentrieren sich die Klimaretter deshalb weniger auf
       die Politik und mehr auf die Wirtschaft. So kritisiert Naomi Klein,
       Wortführerin der Globalisierungskritiker, in ihrem neuen Buch, „This
       Changes Everything“, wie der neoliberale Kapitalismus die Klimakrise
       verursacht hat.
       
       Viele Klimaschützer folgen der Devise von Bill Clinton („It is the economy,
       stupid!“) und wollen die Instrumente des Kapitalismus zur Rettung des
       Klimas einsetzen: Durch großflächiges Divestment; durch großzügige
       Subventionen für die Erforschung der sauberen Energien, um sie billiger als
       Kohle und Öl zu machen; durch ein eigenes Freihandelsabkommen der WTO für
       „saubere Technik“; und durch Investitionen in „grüne Infrastruktur“ bei
       Städten, Energiesystemen und Landwirtschaft, die „gleichzeitig Wachstum und
       Klimaschutz“ versprechen.
       
       ## Forderung: 90 Billionen Dollar umschichten
       
       Das jedenfalls verkündet die „globale Kommission zu Wirtschaft und Klima“
       in ihrem Bericht „Better Growth, Better Climate“, der diese Woche in New
       York vorgestellt wurde. Ein 24-köpfiges Team von Industriebossen und
       Politikern unter Leitung des Expräsidenten von Mexiko, Felipe Calderón,
       stellt in Aussicht, dass mit grünem Wachstum die Welt zu retten ist: wenn
       die 90 Billionen Dollar, die bis 2030 weltweit in die Infrastruktur
       investiert werden, in den öffentlichen Nahverkehr, die Rettung von Böden
       und Wäldern und in billigere erneuerbare Energien fließen, könnte das „50
       bis 90 Prozent“ der erforderlichen Emissionsreduktionen bringen.
       
       Die Kommission wurde eingesetzt von Ländern wie Äthiopien, Kolumbien,
       Indonesien, Südkorea und Großbritannien, die sich mit ihren Vorstellungen
       in der UNO nicht durchsetzen.
       
       „Es kostet nicht die Welt, den Planeten zu retten“, hieß es schon vom
       UN-Klimarat IPCCC im Frühjahr. Bei einem globalen Wirtschaftswachstum von
       1,6 bis 3 Prozent jährlich koste Klimaschutz nur 0,06 Prozentpunkte. IPCCC
       und Weltbank fordern die Verschiebung der Investitionen von Kohle und Öl zu
       Solar und Wind. Die Internationale Energieagentur IEA hat den Grund dafür
       berechnet: Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, dürfen 80 Prozent der Reserven
       an Öl, Gas und Kohle nicht verbrannt werden.
       
       Damit teilt sich „die Wirtschaft“ in Gewinner und Verlierer, die ihre
       eigenen Allianzen schmieden. Schon länger gibt es deshalb Industrieverbände
       wie „Risky Business“ in den USA oder die deutsche „2(o)-Stiftung“, die für
       mehr Klimaschutz Lobbyarbeit betreiben. Und manchmal nutzt auch die Politik
       ihre Spielräume: Nach anderen Förderbanken wie in Frankreich, den USA oder
       Schweden will nun auch die Bundesregierung aus der Finanzierung von
       Kohleprojekten über die Entwicklungshilfe aussteigen.
       
       Aber das Geschäft mit Kohle und Öl ist auch finanziell riskant, weil es auf
       eine Zukunft mit hohen Rohstoffpreisen und ohne Klimaschutz setzt, findet
       eine Studie der britischen „Carbon Tracker Initiative“. Komme es anders,
       weil das Wachstum der Weltwirtschaft schwächele oder der Klimawandel das
       Geschäft verhagle, so seien schon 2025 über eine Billion Dollar in
       Ölquellen versenkt, die keinen Gewinn machen. Die Ölfirmen finden die
       Warnung vor einer „Kohlenstoff-Blase“ lächerlich: Weltweit gebe es eine
       stabile Nachfrage – und ein ernsthaftes Klimaabkommen sei nicht in Sicht.
       
       ## Eine politische und ethische Frage
       
       Dafür ist die Divestment-Bewegung im Aufwind. Nach dem Vorbild des Boykotts
       des süafrikanischen Apartheidregimes schichten viele Kirchen, aber auch
       Städte wie San Francisco oder Universitäten wie Stanford und Yale hunderte
       von Millionen Dollars aus ihren Pensionsfonds um.
       
       Bisher sind diese Summen allerdings nur Nadelstiche, findet eine aktuelle
       Studie der Finanzagentur „Bloomberg New Energy Finance“. Öl- und Gasfirmen
       haben einen Unternehmenswert von 4,6 Billionen Dollar. Und auch Melanie
       Mattauch von [2][350.org] weiß, dass die Entscheidung über den Klimaschutz
       nicht über den größten Scheck entschieden wird: „Wir treiben die Firmen
       nicht in den Bankrott. Aber wir machen diese Investments zu einer
       politischen und ethischen Frage.“
       
       Einen kleinen Schock könnten die Märkte tatsächlich im November aus Oslo
       bekommen. Dort debattiert der weltgrößte staatliche Pensionsfonds, der mit
       800 Milliarden Euro gefüllt ist, ob er seine Gelder aus den fossilen
       Energien abziehen soll. Das wäre ein sichtbares Signal. Und eine seltene
       Ironie. Denn dieses Instrument der ökologisch korrekten Außenpolitik speist
       sich aus dem Verkauf von norwegischem Öl und Gas.
       
       22 Sep 2014
       
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