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       # taz.de -- Kabinettsumbildung in Polen: Außenminister Sikorski muss gehen
       
       > Die neue Premierministerin Ewa Kopacz besetzt fünf Ministerposten neu.
       > Dabei bemüht sie sich um Kontinuität. 2015 stehen Neuwahlen an.
       
   IMG Bild: Ist den Posten des Außenministers los: Radoslaw Sikorski.
       
       WARSCHAU taz | Polen hat eine neue Regierung. Die designierte
       Premierministerin Ewa Kopacz stellte am Freitag ihr neues Kabinett vor. Die
       Ärztin und bisherige Sejm-Marschallin (Parlamentsvorsitzende) löst
       Regierungschef Donald Tusk ab, der vor wenigen Wochen in Brüssel einstimmig
       zum neuen EU-Rats-Präsidenten gewählt wurde. Tusk verlässt Polen zum 1.
       Dezember. Noch bleibt er zwar Vorsitzender des liberal-konservativen
       Regierungspartei Bürgerplattform (PO), doch auch diesen Posten will er bis
       Ende des Jahres abgeben.
       
       Nach zwei Wochen intensiver Personalsuche besetzte Kopacz am Ende lediglich
       fünf Ministerposten neu. Die größte Überraschung: Außenminister Radoslaw
       Sikorski geht als Abgeordneter zurück in den Sejm, das polnsiche
       Abgeordnetenhaus. Er soll dort neuer Sejmmarschall werden, also die
       Nachfolge von Ewa Kopacz antreten. Begründet wurde dieser spektakuläre
       Abgang etws nebulös mit „parteiinternen Überlegungen“. Möglicherweise geht
       es um den Posten des Parteivorsitzenden der PO. Als Vorsitzender des
       Parlaments hätte Sikorski eine gute Startposition. Bei einem Wahlerfolg der
       PO im Herbst 2015 könnte er dann Polens neuer Premier werden.
       
       Überraschend war für viele auch das aufsehenerregende Comeback von Grzegorz
       Schetyna, der als parteiinterner Rivale von Donald Tusk in den letzten
       Jahren gerade mal die Sejmkommission zu auswärtigen Fragen leiten durfte.
       Auch Ewa Kopacz hatte zunächst nicht an ihn gedacht. Das Außenministerium
       sollte der Ex-Finanzminister Jacek Rostowski übernehmen.
       
       Doch Präsident Komorowski, der dem neuen Kabinett zustimmen und die
       einzelen Minister vereidigen muss, erklärte öffentlich, dass Rostowski
       nicht in Frage käme, da dieser nicht über die „notwendigen Qualifikationen“
       verfüge. Politikbeobachter in Polen interpretierten diese erstaunliche
       Äußerung über einen durchaus erfolgreichen Ex-Finanzminister als Wunsch des
       Präsidenten, sich künftig selbst stärker außenpolitisch zu engagieren.
       
       ## Hausmacht stärken
       
       Laut Verfassung steht dem Staatspräsidenten Polens dies zu. Allerdings
       hatte Komorowski bis zu seiner aufsehenerregenden Rede in Berlin zum 75.
       Jahrestag des Kriegsausbruchs am 1. September von diesem Recht keinen
       Gebrauch gemacht.
       
       Grzegorz Schetyna, der zu den Mitbegründern der Bürger-Plattform (PO)
       gehört und in der ersten Tusk-Regierung Innen- und Verwaltungs-Minister
       war, wird das eine Jahr bis zu den Neuwahlen nutzen, um seine Hausmacht zu
       stärken. Obwohl er innenpolitisch für seine scharfen und zum Teil sehr
       emotionalen Kommentare bekannt ist, gilt er außenpolitisch als konzilianter
       Vermittler. Anders als Sikorski, der seine Karriere als
       Kriegsberichterstatter in Afghanistan begann und sich seither immer wieder
       sehr klar antirussisch positionierte, wird Schetyna versuchen, Polen erneut
       als Vermittler zwischen Ost und West ins Spiel zu bringen.
       
       Überrascht waren viele auch, dass der bisherige Gesundheitsminister Bartosz
       Arlukowciz nicht seinen Hut nehmen musste, gilt er doch als das schwarze
       Schaf in der bisherigen Tusk-Regierung. Die undankbare Aufgabe, das
       desolate Gesundheitssystem Polens zu reformieren, konnte er bislang nicht
       lösen. Vor ihm war allerdings auch niemand dazu in der Lage.
       
       Ewa Kopacz, die selbst Ärztin ist und die Reformanstrengungen genau
       verfolgt, berücksichtigte die Einarbeitungszeit in die komplizierte Materie
       und kam zu dem Schluss: „Arlukowciz bleibt.“ In einem Jahr aber sind
       ohnehin Neuwahlen.
       
       19 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gabriele Lesser
       
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