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       # taz.de -- Renate Künast über Freiheit und Verbote: „Wir hatten uns da verrannt“
       
       > Den verordneten Veggie Day findet Renate Künast nicht mehr gut. Zwar
       > seien Verbote unpopulär, für ein freies Leben aber auch notwendig.
       
   IMG Bild: Muss man nicht mögen, kann man sich aber für entscheiden
       
       taz: Frau Künast, seit dem Bundestagswahlkampf haftet den Grünen das Image
       einer Verbotspartei an. Sie haben damals den vegetarischen Donnerstag
       beworben und der Partei damit den Vorwurf eingehandelt, die Leute
       bevormunden zu wollen. War der „Veggie Day“ ein Fehler? 
       
       Renate Künast: Das kann und muss man besser machen. Wir hatten uns da
       verrannt. So, wie wir den „Veggie Day“ im Wahlkampf kommuniziert haben, war
       er letztlich ein Angebot an die Gegenseite, die Grünen zu desavouieren. Mir
       ist es im Nachhinein sogar unerklärlich, wie wir überhaupt auf die Idee
       kommen konnten, das in unser Programm für die Bundestagswahl zu schreiben.
       Warum sollen die Leute ausgerechnet donnerstags kein Fleisch essen und
       nicht etwa montags oder dienstags?
       
       Verschrecken Verzichtsbotschaften die Wähler? 
       
       Der sogenannte Verzicht ist doch oftmals die bewusste Entscheidung, nicht
       auf Kosten anderer zu leben. Wir sollten nicht für andere einen bestimmten
       Lebensstil propagieren, aber die Verantwortung annehmen, ihn möglich zu
       machen. Ob Essen oder Kleidung, man muss einfach erkennen, ob Kinderarbeit,
       Raubbau oder Gentechnik drin ist. Damit Wahlfreiheit entsteht.
       
       Die Angst vor dem Image als Besserwisserpartei scheint die Grünen
       übervorsichtig zu machen. 
       
       Die Grünen müssen sich fragen: Zu welchen Forderungen sollten wir in
       Zukunft selbstbewusst stehen? Und wie gehen wir souverän mit Angriffen der
       Gegenseite um? Wenn wir regulierend in wirtschaftliche Strukturen
       eingreifen wollen, dann klatschen die Unternehmen natürlich nicht in die
       Hände und sagen: ist gebongt. Stattdessen löst das oft scharfe
       Gegenreaktionen aus.
       
       Wäre es da nicht ehrlicher, keinen Freiheitskongress zu veranstalten,
       sondern offen zu sagen: Verbote sind wichtig! 
       
       Das Wort Verbot hat heute ein ausschließlich negatives Image – das ist wie
       tiefschwarze Farbe auf schwarzem Papier. Das Wort ist denunziert, es
       schwingt immer auch mit, die Grünen würden blindlings verbieten wollen.
       
       Zu Unrecht? 
       
       Zum Beispiel: Bei uns darf man das Insektengift DDT nicht mehr benutzen,
       das war auch ein Verbot – aber niemand stellt es heute noch infrage. Im
       Gegenteil: Solche Verbote schaffen doch erst eine Struktur, um gesund und
       frei zu leben. Und genau darum geht es: Die Menschen sollen die Freiheit
       haben, ein nachhaltiges Leben zu führen. Der Staat muss die Strukturen
       schaffen, das zu ermöglichen. Weshalb wir bei TTIP unser EU-Vorsorgeprinzip
       so vehement verteidigen, gegen die grenzenlose Freiheit von Konzernen.
       
       Was verspricht sich Ihre Partei vom Thema Freiheit? Der Absturz der FDP
       taugt ja eher als Warnung. 
       
       Die FDP hatte einen extrem reduzierten Freiheitsbegriff. Sie hat den
       durchweg positiv besetzten Begriff der Freiheit mit negativen Assoziationen
       in Verbindung gebracht. Das muss man erst mal schaffen. Da gibt’s für uns
       nichts zu beerben. Unsere Debatte muss eine andere sein.
       
       Aber sind den Grünen-Anhängern nicht Ökologie und soziale Gerechtigkeit
       wichtiger als der Freiheitsdiskurs? 
       
       Freiheit kann man nicht isoliert diskutieren, da gehören Gerechtigkeit und
       Nachhaltigkeit dazu. Das ist wie mit Murmeln: Die klackern auch nur, wenn
       man mehrere in der Hand hat.
       
       Vizefraktionschefin Kerstin Andreae fordert die Grünen auf, ihre
       Regulierungsfreude zu bändigen und mit Deregulierungen mehr Freiraum für
       Start-ups zu schaffen. Zu Recht? 
       
       Ich verweigere mich der Idee nicht. Aber ist nicht eher Bürokratieabbau
       gemeint? Ich bezweifele, dass der Markt es von alleine regelt. Ich habe zu
       oft erlebt, dass die Wirtschaft freiwillige Verbesserungen versprochen hat,
       aber nichts passierte. Etwa bei der Gleichstellung ohne Quote.
       
       19 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Astrid Geisler
       
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