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       # taz.de -- Ebola-Tagebuch – Folge 8: Es passiert noch immer zu wenig
       
       > Liberias Präsidentin hat Angela Merkel um Hilfe gegen Ebola gebeten. Nun
       > diskutieren Experten und Ministerien über verstärktes Engagement.
       
   IMG Bild: Viel mehr Hilfe ist im Kampf gegen das Ebola-Virus nötig.
       
       Am Anfang stand ein Brief. Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf bat
       Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem persönlichen Schreiben um Hilfe aus
       Deutschland: eine Luftbrücke, eine Ebola-Behandlungsstation, Unterstützung
       für Liberias Gesundheitswesen insgesamt. „Ohne mehr direkte Hilfe von Ihrer
       Regierung werden wir diese Schlacht gegen Ebola verlieren“, schrieb die
       Präsidentin. „Kanzlerin, bei der gegenwärtigen Übertragungsrate haben nur
       Regierungen wie die Ihre die Ressourcen und Mittel, um im zur Eindämmung
       nötigen Tempo zu handeln.“
       
       Die taz [1][veröffentlichte den Brief aus Monrovia exklusiv]. Seitdem
       entfalten die zuständigen Regierungsstellen in Berlin Aktionismus.
       Kanzlerin Merkel schickt ein Antwortschreiben zurück und verkündet, sie
       wolle „schnell agieren“. Das Bundesverteidigungsministerium legt
       detaillierte Planungen für den „Lufttransport von Material und Spenden“ vor
       und für eine Luftbrücke, mit der „über einen noch festzulegenden
       Luftumschlagpunkt in Westafrika je Flug bis zu 8 Tonnen Hilfsgüter in die
       jeweiligen Krisenländer gebracht werden könnten“.
       
       Außerdem soll Deutschland in Liberia eine Ebola-Krankenstation mit 50
       Betten aufbauen. Die Ministerien für Entwicklungshilfe, Gesundheit und
       Inneres machen ebenfalls Vorschläge. Bisher gehörte Deutschland eher zu den
       Nachzüglern der internationalen Ebola-Hilfen. Während die Bundesregierung
       nach eigenen Angaben 12 Millionen Euro zum Kampf gegen Ebola zugesagt hat,
       liegt China bei umgerechnet 27 Millionen, Großbritannien bei 30 Millionen
       und die USA je nach Zählweise bei bis zu 135 Millionen Euro (175 Millionen
       Dollar). Die UNO, die laufend die tatsächlich ausgezahlten Ebola-Hilfen aus
       aller Welt registriert, hat niedrigere Zahlen. 
       
       Von den 12 Millionen Euro aus Deutschland sind bisher lediglich etwa 3
       Millionen tatsächlich ausgegeben worden, der Rest sind Zusagen an die
       Weltgesundheitsorganisation WHO. Das Auswärtige Amt unterstützt die
       Ebola-Hilfe mit 1,8 Millionen Euro, davon bekam das größte an der
       Ebola-Front tätige Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen (MSF) 750.000.
       
       Das Bundesgesundheitsministerium finanziert das Robert-Koch-Institut und
       das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, die insgesamt 15 Experten
       entsandt haben. Mit einer halben Million Euro wurden Aufklärungskampagnen
       und Materialbeschaffung vom Bundesentwicklungsministerium BMZ in Guinea
       finanziert, mit 100.000 Euro in Liberia.
       
       ## Transporte und Betten
       
       Was bedeuten nun die neuen Zusagen dieser Woche konkret? Die
       Bundeskanzlerin habe in ihrem Antwortschreiben nach Liberia Hilfe „in den
       Eckpunkten“ zugesagt, sagte eine Regierungssprecherin dazu am Mittwoch vor
       Journalisten. „Nun ist es ja so, dass man Hilfe auch am besten mit dem
       abstimmt, der die Hilfe bekommen soll; das heißt, es wäre schon ganz
       hilfreich, wenn die liberianische Präsidentin den Brief bekommt, ihn
       gelesen hat und man dann eben auch in Abstimmung mit der Regierung ganz
       konkret sagen kann, welche Hilfen geleistet werden.“
       
       Manche Vorstellungen ähneln denen, mit denen Deutschland Anfang 2013 den
       französischen Kriegseinsatz gegen den Terror in Mali unterstützte:
       Transportflüge. Und jetzt eben 50 Ebola-Betten nach Liberia. Aber kein
       Personal dazu. „Deutschland wird seiner Verantwortung damit in keinster
       Weise gerecht“, schimpft Florian Westphal, Geschäftsführer von
       MSF-Deutschland. „Die geplante Krankenstation ohne qualifiziertes Personal
       wird wirkungslos bleiben und niemandem in Westafrika helfen. Wenn es eine
       Chance geben soll, Ebola einzudämmen, brauchen die Länder gerade
       Unterstützung durch entsprechend ausgebildetes Personal. Ohne dieses ist
       eine Krankenstation nicht mehr als eine Attrappe.“
       
       MSF arbeitet derzeit mit 2.240 Mitarbeitern im Ebola-Krisengebiet;
       federführend ist MSF-Belgien. Der Finanzbedarf von rund 40 Millionen Euro
       ist zu rund 90 Prozent gedeckt, davon sind zwei Drittel Spendengelder, der
       Rest institutionelle Finanzierung.
       
       Gegenüber der taz begrüßt Westphal, dass die Bundesregierung sich jetzt
       Gedanken macht, aber die Planung greift für ihn zu kurz. „Logistik ist
       nicht alles“, sagt er. Wenn man kein neues Personal schickt, braucht man
       auch keine neue Logistik. Aber ohne neues Personal lässt sich die Hilfe
       nicht ausbauen.
       
       ## Mangelnde Kapazitäten
       
       „50 Betten sind 50 Betten, aber allein in Monrovia werden über 1.000
       benötigt“, relativiert Westphal. Das ist die Größenordnung, in der die USA
       für Liberia planen. „Und Großbritannien denkt in Sierra Leone an über 500.“
       MSF bekomme immer wieder Anrufe von deutschen Experten, „die schon mal bei
       einem Ebola-Einsatz mitgemacht haben, die gern etwas tun würden“. Man müsse
       sie mangels Kapazitäten abweisen.
       
       „In Abstimmung mit den betroffenen Ländern und unter Koordination der
       Vereinten Nationen ist eine schnellstmögliche, konkrete Umsetzung der von
       der WHO erarbeiteten Roadmap dringend geboten; Deutschland hat hier eine
       politische und humanitäre Verantwortung“, heißt es in einem Brief, den MSF
       am Mittwoch der Bundesregierung schrieb. Die WHO-Roadmap, veröffentlicht
       Ende August, setzte sich zum Ziel, die Weiterverbreitung der Epidemie
       innerhalb von sechs bis neun Monaten zu stoppen. Sie ging von bis zu 20.000
       Neuinfektionen aus und setzte Kosten von knapp 490 Millionen Dollar an.
       
       Das ist längst überholt. Am Donnerstag vermeldete die WHO bereits 5.335
       Infizierte und 2.622 Tote in Westafrika, US-Experten fürchten
       Hunderttausende Infizierte. Die UNO legte Anfang dieser Woche einen
       Aktionsplan von fast einer Milliarde Dollar über sechs Monate vor. Der Plan
       sollte am Donnerstagabend im UN-Sicherheitsrat debattiert und durch eine
       Resolution gestützt werden.
       
       „Wir haben viel aufzuholen“, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New
       York. „Mit jedem Tag Zögern steigen die Kosten und das Leid. Wir müssen
       ebenso mutig sein wie diejenigen, die bereits an der Front gegen die Seuche
       kämpfen.“
       
       18 Sep 2014
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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