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       # taz.de -- Kolumne American Pie: Das Prinzip des Abwartens
       
       > Auch im Umgang mit Adrian Peterson, der wegen Kindesmisshandlung
       > angeklagt ist, blamiert sich die National Football League.
       
   IMG Bild: Adrian Peterson, der Runningback der Minnesota Vikings, hat seinen Sohn mit einer Rute geschlagen.
       
       Blutig geprügelte Kinder. Bewusstlos geschlagene Frauen. Todesdrohungen und
       Trainer, die ihre Augen verschließen. Funktionäre, die erst dann reagieren,
       wenn sie von der öffentlichen Empörung dazu gezwungen werden. Nein, die
       National Football League (NFL) macht gerade überhaupt keine gute Figur. Der
       umsatzstärkste Sportunterhaltungsbetrieb der Welt präsentiert sich gerade
       wie eine Seifenoper aus dem Gerichtsaal mit immer neuen Helden, die als
       Verbrecher entlarvt werden.
       
       Neuester Fall ist Adrian Peterson. Der Runningback der Minnesota Vikings,
       einer der großen Stars der NFL, wird von einem Gericht in seinem
       Heimatstaat Texas angeklagt, seinen vier Jahre alten Sohn mit einer Rute
       verprügelt und ernsthaft verletzt zu haben. Peterson entschuldigte sich für
       die Verletzungen, die er seinem Sohn zugefügt hat, nur um sie als gängige
       Erziehungsmaßnahmen zu rechtfertigen.
       
       „Ich bin kein perfekter Vater“, ließ der 29-Jährige, der vor zwei Jahren
       zum besten Spieler der NFL gekürt wurde, in einem Statement verlauten,
       „aber ich bin zweifellos kein Kindesmisshandler. Mein Ziel an diesem Tag
       war es, meinem Sohn den Unterschied zwischen richtig und falsch
       beizubringen.“ Der Anlass für die Züchtigung: Petersons Sohn hatte seinen
       Bruder geschubst.
       
       Nun sind allerdings weitere Anschuldigungen aufgetaucht. Peterson soll
       bereits im vergangenen Sommer einen weiteren Sohn verletzt haben. Der hatte
       damals eine Narbe auf der Stirn davongetragen, als er gegen einen Autositz
       knallte, während er von seinem Vater geschlagen wurde. Die Ermittlungen
       führten aber zu keinem Ergebnis, behauptet Petersons Anwalt.
       
       ## Zurück auf das Spielfeld
       
       Trotz dieser Vorfälle soll Peterson demnächst wieder Football spielen. Die
       Vikings, die ihren Star zunächst für ein Spiel gesperrt hatten, planen nun,
       ihn am kommenden Sonntag in New Orleans wieder einzusetzen. Rick Spielman,
       der Manager des Klubs, rechtfertigte die überraschende Entscheidung damit,
       dass Peterson „es verdient habe zu spielen, bis das Verfahren abgeschlossen
       ist“.
       
       Ähnlich argumentieren auch die San Francisco 49ers und verteidigten noch
       einmal ihren Entschluss, ihren Profi Ray MacDonald nicht zu sperren, obwohl
       der Ende August verhaftet worden war. Der Vorwurf: häusliche Gewalt gegen
       seine schwangere Verlobte. Jim Harbaugh, Trainer der 49ers, ließ wissen,
       dass man sich nicht von „öffentlichen Spekulationen“ dazu zwingen lassen
       werde, einen Spieler auf die Bank zu setzen: „Wir respektieren die
       Rechtsstaatlichkeit.“
       
       Mitunter allerdings erst mit Verzögerung: Die Carolina Panthers strichen
       ihren Verteidiger Greg Hardy aus dem Kader, weil er im Juni verurteilt
       wurde, seine Freundin misshandelt, stranguliert und mit dem Tod bedroht zu
       haben. Im ersten Saisonspiel durfte Hardy aber dennoch mitmachen.
       
       ## Verweis auf ordentliche Gerichte
       
       Der Umgang der NFL mit den vielen Skandalen, die sie gerade erschüttern,
       scheint eine Strategie zu sein – der Verweis auf die ordentlichen Gerichte.
       Ausgerechnet im spektakulärsten Fall allerdings setzte sich die
       Football-Liga über dieses Prinzip hinweg.
       
       NFL-Boss Roger Goodell suspendierte Ray Rice auf unbestimmte Zeit, als auf
       einem Überwachungsvideo zu sehen war, wie der prominente Runningback der
       Baltimore Ravens seine damalige Verlobte in einem Aufzug bewusstlos schlug.
       Wenige Wochen zuvor, als der Vorfall bekannt geworden war, hatte Goodell
       den Spieler nur für zwei Spiele gesperrt. Damals war allerdings auch das
       drastische Video noch nicht im Internet aufgetaucht.
       
       Nun wächst die Kritik an Goodell, dem unterstellt wird, häusliche Gewalt
       wie ein Kavaliersdelikt zu behandeln und erst zu reagieren, wenn der
       Imageschaden durch drastische Videobilder zu groß zu werden droht. Das
       könnte den NFL-Commissioner nun auf die Füße fallen: Rice soll bereits
       Beschwerde gegen seine Sperre eingelegt haben. Da gegen ihn keine Anklage
       erhoben worden ist, weil das mittlerweile mit ihm verheiratete Opfer ihn
       nicht anzeigen wollte, könnte Rice sogar Erfolg haben.
       
       16 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Winkler
       
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