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       # taz.de -- Kommentar Demo gegen Antisemitismus: Kein Aufstand der Anständigen
       
       > Die Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin war ein wichtiges
       > Zeichen. Doch ihr Zustandekommen hat auch etwas Verstörendes.
       
   IMG Bild: Die Angegriffenen, die Juden in Deutschland, sahen sich gezwungen, den Protest selbst zu organisieren. Politik und Gesellschaft verhielten sich lange passiv.
       
       Juden, die als solche durch das Tragen einer Kippa erkenntlich sind, werden
       bespuckt und verbal antisemitisch angegriffen. Sie erhalten zutiefst
       beleidigene Briefe und E-Mails. Auf Demonstrationen ist ihnen mit dem Tod
       gedroht worden. Israelische Restaurants müssen neuerdings von der Polizei
       bewacht werden. Die Zahl der latenten Antisemiten in diesem Land mag mit 20
       Prozent stabil sein. Die Zahl der verbalen Übergriffe aber ist in den
       letzten Wochen so stark gestiegen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Es
       reicht.
       
       Es ist deshalb höchst begrüßenswert, dass am Sonntag mehrere tausend
       Menschen in Berlin gegen den Judenhass auf die Straße gegangen sind. Sie
       setzen ein Zeichen, dass Antisemitismus nicht akzeptabel ist. Es ist gut,
       dass alle Parteien zu der Kundgebung aufgerufen haben und dass
       Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen hat. Doch zugleich hat diese
       Demonstration etwas zutiefst Verstörendes.
       
       Es war nämlich der Zentralrat der Juden selbst, der zu der Manifestation
       aufgerufen hat. Die Angegriffenen sahen sich also selbst gezwungen, den
       Protest zu organisieren. Niemand im zahlreichen Chor der wohlmeinenden
       Menschenfreunde und ihrer Organisationen hat sich dazu berufen gesehen,
       dieser deutschen Minderheit beizustehen. Ja, Politiker haben gemahnt, die
       Polizei hat ermittelt.
       
       Aber es gab keinen „Aufstand der Anständigen“ – nicht von Linken, nicht von
       Migranten und auch nicht von Liberalen. Stattdessen konnte man bisweilen
       hören, dass „die Juden“ mit dem Krieg im Gazastreifen doch selbst daran
       schuld seien, dass man sie jetzt nicht mehr mag. Niemand behauptet,
       Deutsche seien generell judenfeindlich. Aber ein Gradmesser für den Zustand
       der Demokratie ist es schon, wie die Mehrheit mit Ängsten einer kleinen
       Minderheit umgeht. Da ist die Demonstration nicht nur eine Ermutigung.
       
       14 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
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