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       # taz.de -- Wahl in Neuseeland: Kim Dotcom mischt mit
       
       > Die konservative Regierung Neuseelands steckt in einer tiefen Krise. Ein
       > Grund dafür ist der millionenschwere Megaupload-Gründer.
       
   IMG Bild: Kim Dotcom, Hacker, Gamer, Internetunternehmer und Parteifinanzier.
       
       AUCKLAND taz | An einem warmen Sonntag im Winter stehe ich in einer
       brechend vollen Halle in einer High School in Auckland. Es ist die Gründung
       der Internet Mana Party. Viele Leute sind da, vor allem Maori, vereinzelt
       auch Familien, Hipster, Hippies und Journalisten. Die Tür steht offen, um
       Luft hineinzulassen. Auf dem Parkplatz steht ein schwarzer Mercedes
       Sprinter 4x4 im Militärstil, auf dem Nummernschild: Kim.Com.
       
       Es gibt Willkommensworte der Maori, ein Gebet, eine Rede eines
       HipHop-Künstlers und die eines Rugby-Spielers. Dann ist Showtime: „Eye of
       the Tiger“ dröhnt aus den Boxen als Kim Dotcom, der zwei Meter große,
       kartoffelförmige deutsche Multimillionär und Gründer von Megaupload, der
       wegen Urheberrechtsverletzung vom FBI gesucht wird, die Bühne betritt.
       
       Dotcom bearbeitet die Menge mit Geschichten aus seiner missratenen Jugend:
       „Ich habe die Schufa gehackt und die Kreditwürdigkeit des deutschen
       Kanzlers auf Null gesetzt, weil ich den Typen nicht mochte“. Er fügt hinzu:
       „Und wir haben mittlerweile alle kapiert, dass es einen anderen Premier
       gibt, den ich nicht mag“ – ein Seitenhieb auf seinen Erzfeind John Key, den
       Vorsitzenden der rechts-konservativen National Party und ehemaligen Banker.
       
       Dotcom wohnt in Neuseeland, ist aber kein Staatsbürger und kann deshalb
       nicht selbst ins Parlament gewählt werden. Stattdessen finanziert er die
       Internet Party mit Millionen von Dollar. Auf wundersame Weise hat er
       außerdem Laila Harré als Parteivorsitzende an Bord gebracht, eine
       respektierte Gewerkschaftlerin, Feministin und ehemalige Grüne. Und
       Internet Mana ist nun der neue politische Mix aus Dotcoms Partei und Mana,
       einem sozialistisch angehauchten Ableger der Maori-Partei.
       
       ## Weise Katze Dotcom
       
       Das Wahlkampf-Video läuft auf einem großen Bildschirm. Es ist ein
       Trickfilm, der in der Zukunft spielt, ungefähr so wie „Die Jetsons“. Kinder
       auf Luftkissenbooten, die mit einer weisen Katze sprechen, die auch auf
       einem Luftkissenboot sitzt und wahrscheinlich Dotcom darstellen soll.
       
       In dieser Nacht machen die Fernsehnachrichten mit Dotcoms
       Hacker-Enthüllungen auf, die Feier der National Party am gleichen Tag rückt
       aus dem Fokus. Hätten sich die Journalisten die Mühe gemacht zu
       recherchieren, hätten sie gemerkt, dass die Geschichte über den gehackten
       deutschen Kanzler (Helmut Kohl) schon lange bekannt war, genauso wie
       Dotcoms legendäre Laufbahn als Weltklasse-Gamer, der das Pentagon, Citibank
       und die NASA gehackt haben soll, bevor er Megaupload schuf, einen
       Sharehoster, den zu seiner besten Zeit 50 Millionen Menschen nutzten.
       
       Dotcom darf sich in Neuseeland aufhalten, er gehört zur erwünschten
       Kategorie „Investor Plus“ – jene Ausländer, die mindestens 10 Millionen
       Dollar im Land investieren. Ob sie sich des Betrugs, der Datenspionage, des
       Insiderhandels und der Unterschlagung schuldig gemacht haben oder nicht,
       ist egal.
       
       ## Sturm auf die Dotcom-Villa
       
       Ich bin zum ersten Mal im Sommer 2012 auf ihn aufmerksam geworden. Ich sah
       fern und bemerkte erstaunt, wie die Polizei eine gigantische
       Mangamädchen-Figur, die aussah wie ein übrig gebliebenes Requisit einer
       90er Rave-Party, aus einer riesigen Villa nördlich von Auckland
       beschlagnahmte. An diesem Tag machte die Polizei mit zwei Helikoptern, 70
       Beamten, automatischen Schusswaffen, Pistolen und Kampfhunden eine Razzia
       auf Dotcoms Grundstück.
       
       Die Neuseeländer hatten das unangenehme Gefühl, ihre Polizei mache ganz
       verlegen die dreckige Arbeit des FBI. Dann sickerte auch noch durch, dass
       der neuseeländische Nachrichtendienst (ein Mitglied des
       NSA-Spionage-Netzwerks „Five Eyes“) Dotcom illegal ausspioniert hatte.
       
       Der Premier war gezwungen, sich zu entschuldigen und Dotcom wurde
       augenblicklich zum Volkshelden – eine Art Robin Hood in XXL-Jogginghosen
       und Sandalen. Kurz darauf erschien sein großes Kartoffelgesicht auf den
       Bussen im Land: Die fuhren Werbung für sein neues Album „Good Times“ („I
       just want to have fun/On the beach in the sun“).
       
       Beschreibungen von Dotcom sind nicht immer schmeichelhaft. Er besitzt eine
       Kopie von „Mein Kampf“, seine eigenen ParteifreundInnen bezeichneten ihn
       als sexistisch und arrogant. Und die Partei Internet Mana zerstreitet sich
       schon über die Frage der Legalisierung von Cannabis.
       
       ## Greenwald und Assange
       
       Aber Dotcom verfügt über Zugang zu einer wertvollen, bislang
       unerschlossenen Quelle von Wählern. Für viele Junge ist er ein moderner
       Superheld, der die Regierung zur Rechenschaft zieht und eine US-Aggression
       aufgezeigt hat. Nach einer sehr geringen Wahlbeteiligung unter jungen
       Leuten im letzten Jahr hat sogar Popstar Lorde ihre Fans zum Wählen ermahnt
       (mit 17 darf sie das selbst noch nicht). Wenn es Kim Dotcom gelingt, diese
       Kids zu erreichen, wird er wirklich riesig.
       
       Im typischen Showbiz-Stil hat Dotcom für den 15. September – fünf Tage vor
       der Wahl – eine Enthüllung angekündigt, die den Premier zu Fall bringen
       könnte. Dafür kooperiert er auch mit Glenn Greenwald, dem Journalisten, der
       die Snowden-Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht hat. Außerdem deutet
       er eine Beteiligung von Julian Assange an.
       
       Bis dahin aber stiehlt ihm derzeit ein anderer Enthüllungsjournalist die
       Show: Nicky Hager, dessen neues Buch „Dirty Politics“ die National Party
       mit scheußlichen Hetzkampagnen vorgeblich unabhängiger rechter Blogger in
       Verbindung bringt. Im Zuge der Skandale um das Buch, musste die
       Polizeiministerin Judith Collins nur wenige Wochen vor der Wahl ihren
       Posten räumen
       
       Womit auch immer Dotcom am 15. September also rausrückt: Um Hager zu
       toppen, muss es schon etwas wirklich Großes sein.
       
       Übersetzung aus dem Englischen: Viktoria Morasch
       
       13 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julie Hill
       
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