URI: 
       # taz.de -- Coffeeshop in Berlin-Kreuzberg: Kiff lässt Köpfe rauchen
       
       > Eine Experten-Anhörung im Rathaus Kreuzberg zeigt: Der Bezirk muss
       > öffentliches Interesse am geplanten Modellprojekt belegen. Das wird nicht
       > einfach.
       
   IMG Bild: Diese These wird nicht von jedem geteilt: auf der Hanfparade in Berlin vor wenigen Wochen.
       
       Die Vertreterin des Vereins Berliner Elternkreise ist empört: „Denken Sie
       auch mal an Kinder und Jugendliche mit Suchtproblemen?“, fragt die besorgte
       Frau Cornelius Nestler. Jener hatte zuvor erklärt, die Konsequenzen der
       Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten seien größer als die
       gesundheitlichen Gefahren gelegentlichen Konsums. Seinen eigenen Kindern
       habe er deshalb immer geraten: „Raucht, was ihr wollt – aber lasst euch
       dabei nicht erwischen.“
       
       Nestler ist jemand, der es eigentlich wissen muss: Der Strafrechtsprofessor
       aus Köln, und sein Kollege Ulrich Gassner, Fachmann für Verfassungs-,
       Verwaltungs- und Arzneimittelrecht an der Universität Augsburg, sind auf
       Einladung von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) ins
       Kreuzberger Rathaus gekommen, um über die rechtlichen Möglichkeiten bei der
       Umsetzung eines Modellprojektes zur Abgabe von Cannabis im Bezirk zu
       diskutieren. Die Expertenanhörung sei „ein weiterer Baustein“ auf dem Weg
       zu Deutschlands erstem Coffeeshop, sagt Herrmann. Ein historischer Moment
       sozusagen. Im November 2013 hatte die Bezirksverordnetenversammlung auf
       Antrag der Grünen beschlossen, ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe
       von Cannabis am Görlitzer Park einzurichten. So wolle man den „negativen
       Folgen der bisherigen Verbotspolitik und dem florierenden Schwarzmarkt“
       begegnen. Konkret: Den zeitweise mehr als 100 Dealern, die im Park illegal
       Gras verkaufen, soll der Markt entzogen werden.
       
       Die größte Hürde auf dem Weg dahin sieht Ulrich Gassner bei der Beantragung
       einer Erlaubnis für den Umgang mit Cannabis. Denn um das Gewächs besitzen
       oder dessen rauchbare Produkte gar in den Umlauf bringen zu dürfen, braucht
       der Bezirk eine Ausnahmegenehmigung vom Bundesamt für Arzneimittel und
       Medizinprodukte (BfArM). „Ein Modellprojekt muss mit einem
       wissenschaftlichen und/oder öffentlichen Interesse begründet werden“,
       erklärt der Experte. Das schreibe das Betäubungsmittelgesetz vor.
       
       Ein möglicher wissenschaftlicher Ansatz könnte eine kriminologische
       Untersuchung sein, inwieweit sich illegale Märkte durch legale ersetzen
       ließen. Ein anderer die Fragestellung, wie sich Konsumverhalten durch
       Legalisierung verändert. „Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt“, sagt
       Gassner. Das BfArM bewerte nur die Plausibilität, nicht den
       wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn des Ansatzes.
       
       Die Vertreterin der Berliner Elternkreise überzeugt das alles nicht. Sie
       verlangt mehr Inhalte: Wie soll die kontrollierte Abgabe konkret aussehen?
       Wer garantiert, dass die KundInnen des Coffeeshops den Stoff nicht nachher
       auf der Straße an Minderjährige weiterverkaufen? „Cannabis zu besorgen ist
       für Minderjährige derzeit so leicht wie nie“, kontert Herrmann, sogar
       Alkohol sei schwerer zu bekommen. Sie möchte die Kontrolle über den Markt
       gewinnen, betont aber auch gleichzeitig die Bedeutung von Aufklärung und
       Suchtprävention.
       
       Herrmann zeigt sich am Ende der Veranstaltung sehr zufrieden mit deren
       Verlauf: „Wir brauchen mehr ideologiefreie Auseinandersetzung mit dem
       Thema.“ Ende des Jahres will der Bezirk den Antrag für das BfArM
       ausformuliert haben. Drei Monate hat die Bundesbehörde dann Zeit, das
       Konzept zu prüfen. Herrmann selbst hat noch nie gekifft. Dennoch, sagt sie
       am Ende des Abends, würde sie jetzt gern einen Joint rauchen – gegen ihre
       Zahnschmerzen.
       
       11 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Feliks Todtmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Coffeeshop
   DIR Kreuzberg
   DIR Görlitzer Park
   DIR Berlin
   DIR Kreuzberg
   DIR Drogen
   DIR Görlitzer Park
   DIR Coffeeshop
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Grüne Bezirksbürgermeisterin in Berlin: Planlos durch Kreuzberg
       
       Ein Spaziergang mit Monika Herrmann, die vor einem Jahr zur
       Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg gewählt wurde.
       
   DIR Rainer Schmidt über Grasanbauer-Roman: „Kifferromantik ist öde"
       
       Als Inspiration für seinen Roman "Die Cannabis GmbH" diente ihm die
       Geschichte eines Familienvaters, der wegen seiner Plantage ins Gefängnis
       musste. Obwohl Rainer Schmidt selbst nicht kifft, findet er, die
       Konsumenten sollten besser geschützt werden.
       
   DIR Coffeeshop: Genug gechillt
       
       Die Bemühungen für eine legale Haschisch-Verkaufsstelle in Kreuzberg stehen
       still. Bald soll es mit mehr Dampf weitergehen.
       
   DIR Cannabis: „Jetzt wird der Handel von Gangstern beherrscht“
       
       Qualität, und zwar legal: Die Vorteile eines Coffeeshops überwiegen, meint
       Georg Wurth, Vorsitzender des Deutschen Hanfverbandes.
       
   DIR Coffeeshop in Berlin-Kreuzberg: Kiff aus Marokko
       
       In der Debatte um einen Coffeeshop im Görlitzer Park will nun ein
       Hanf-Aktivist den ersten Preis gewinnen: Oliver Becker kündigt an, Mitte
       Juni dort Dope zu verkaufen.
       
   DIR Kiffen in Berlin-Kreuzberg: Berlin braucht viele Coffeeshops
       
       Auf einer Tagung setzen sich Experten für den in Kreuzberg geplanten
       Cannabis-Modellversuch ein. Eine Abgabestelle reiche aber nicht aus.