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       # taz.de -- Fotografie von Horst P. Horst: Spektakuläre Posen
       
       > Horst P. Horst fotografierte alle mit Rang und Namen und prägte die
       > Modefotografie. Eine Retrospektive in London würdigt sein Werk.
       
   IMG Bild: „Horst war der Testino seiner Zeit“, schreibt Anna Wintour.
       
       Rauschhaft, prunkvoll, theaterhaft war sie, die High Society der
       Welthauptstadt Paris, eine Parallelgesellschaft aus Künstlern, Mäzenen und
       flüchtigem russischen Adel, in der man reich, talentiert, aristokratisch
       oder schön sein musste. Mit dem Jahr 1930 hatte die Weltwirtschaftskrise
       auch Europa in die Zange genommen, aber der Jahrmarkt des Luxus ging
       weiter, sodass Janet Flanner, die berühmte Pariser Korrespondentin des New
       Yorker, von „zehn Jahren elegantem, aristokratischem Hedonismus“
       berichtete.
       
       Zwar klagte die Modebranche über fallende Umsätze, die Schnitte wurden
       wieder strenger, das Korsett – in den 20ern, den „années folles“, fallen
       gelassen – kam wieder in Mode, und am Material wurde gespart – Coco Chanel
       etwa zeigte 1931 eine Kollektion aus 35 baumwollenen Abendkleidern –, aber
       die Bälle und Salonexzesse brummten weiter. „Paris war so, wie ich es mir
       immer erträumt hatte“, sagte Horst P. Horst, der 1930 mit nur 23 Jahren
       nach Paris gekommen war und einer der wichtigsten Modefotografen und
       Chronisten der Haute-Couture-Welt wurde.
       
       Über 50 Jahre lang prägte er den Stil der Vogue, fotografierte allein 94
       Titelbilder, und von Coco Chanel über Marlene Dietrich und Bette Davis bis
       Truman Capote hatte er alle vor der Kamera, die in Kunst, Literatur,
       Politik, Film, Theater und Mode einen Namen hatten. „Horst war der Testino
       seiner Zeit. Es war wichtig, von ihm fotografiert zu werden, wenn du auch
       nur ein bisschen adelig warst oder einen Namen hattest“, schreibt Anna
       Wintour, die Chefin der US-amerikanischen Vogue, über die Bedeutung von
       Horst P. Horst.
       
       Ihm widmet das Londoner Victoria and Albert Museum jetzt unter dem Titel
       „Horst: Photographer of Style“ eine Retrospektive, in der 250 seiner Mode-,
       Porträt-, Reise- und Aktfotografien aus 60 Jahren zu sehen sind. Der
       Schwerpunkt liegt auf Horsts Arbeit für die großen Couturiers, einige
       Haute-Couture-Kleider von Lanvin, Schiaparelli, Molyneux und Vionnet aus
       den 30er Jahren sind den Schwarzweißfotografien zur Seite gestellt.
       
       Als Sohn eines Eisenwarenhändlers 1906 in Weißenfels an der Saale geboren,
       hatte Horst P. Horst in Hamburg ein bisschen Architektur studiert, dies und
       das angefangen und nicht zu Ende gebracht, aber über Freunde am Dessauer
       Bauhaus die Kunst und eine aufgeklärte, freidenkerische Welt entdeckt. 1930
       ging er nach Paris, um seine Studien bei niemand Geringerem als Le
       Corbusier fortzusetzen, und sein Glück war, dem Cheffotografen der
       französischen Vogue, Baron George Hoyningen-Huene, zu begegnen, der sein
       Mentor wurde.
       
       ## Eine Rezension im „New Yorker“
       
       Bereits 1931 druckte die Vogue eine ganzseitige Fotografie von Horst P.
       Horst, und alles ging ganz schnell, als Janet Flanner 1932 eine begeisterte
       Besprechung seiner ersten Fotoausstellung in der Pariser Galerie La Plume
       d’Or im New Yorker veröffentlichte. Condé Nast war nun am Ball – und
       internationale Aufmerksamkeit ihm gewiss.
       
       Horst arbeitete eng mit Coco Chanel und Elsa Schiaparelli zusammen, den
       beiden großen Frauen der Schneiderkunst. Für seine dramatische
       Studiofotografie orientierte sich der „Magier des Lichts“ an der Malerei
       und antiken griechischen Skulpturen, die er lange im Louvre studierte. Die
       Frauen auf seinen Fotos wirken selbst wie idealisierte griechische Statuen,
       ein aufwendiges Spiel aus Licht und Schatten, angelehnt an das Licht in
       Gemälden, bringt die in den 1930er Jahren beliebten Metalleffekte der
       fließenden Couture-Stoffe perfekt zur Geltung.
       
       Düster und mysteriös wirkt Horsts Modefotografie. Nicht nur für den
       heutigen Betrachter, auch die damalige Vogue-Chefredakteurin Edna Woolman
       Chase wollte 1937 Horst die Leidenschaft, „alles in geheimnisvolles Dunkel
       zu hüllen“, austreiben. Horst porträtierte auch die Modeschöpferinnen
       selbst: Coco Chanel, die Erfinderin der Mode Garçon, die, wie Horst
       schrieb, eindeutig der Star im Zirkus war, und Elsa Schiaperelli, die mit
       schulter- und taillenbetonten Kleidern eine ganz andere Silhouette als Coco
       Chanel pflegte und stark vom Surrealismus beeinflusst war.
       
       ## Experimente mit Surrealismus
       
       In den 30ern war der Surrealismus weit über seine radikalen
       Avantgardewurzeln hinaus in Design, Mode, Theater und Film allgegenwärtig.
       Auch Horst P. Horst hat mit dem Surrealismus experimentiert und sogar mit
       Salvador Dalí zusammengearbeitet. Fragmentierte weibliche Körperbilder,
       Trompe-l’oeuil-Effekte sind eindeutig dem Surrealismus entlehnt.
       
       Und die satirische Fotoserie mit dem Titel „Electric Beauty“ (1939) – ein
       Kommentar auf die Modewelt, in der sich eine Frau allen möglichen quälenden
       Schönheitsprozeduren unterzieht und dabei unter einer Maske ohnehin blind
       ist – erinnert an Elemente aus Bildern von Hieronymus Bosch, der ohnehin
       ein Vorbild surrealistischer Kunst war.
       
       Aus demselben Jahr stammt auch sein berühmtes Foto „The Mainbocher Corset“
       mit der Rückenansicht einer Frau in einem halb geöffneten Korsett, das
       Horsts letztes Foto in Paris werden sollte, denn als 1939 der Krieg
       ausbrach, ging er in die USA, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1999 lebte.
       Er wurde amerikanischer Staatsbürger und 1943 in die US-Armee einberufen.
       Seinen Geburtsnamen Bohrmann legte er nun endgültig ab, auch wegen des
       engen Hitler-Vertrauten Martin Bormann.
       
       Die Londoner Ausstellung zeigt auch Abzüge von Horsts Farbfotografien für
       die US-amerikanische Vogue aus den 40er und 50er Jahren. Ihre leuchtenden
       Farben haben auf den ersten Blick nichts mit der geheimnisvollen
       Modefotografie der Pariser Jahre zu tun.
       
       ## Skulpturenhafte Inszenierung
       
       Was über die Jahrzehnte hinweg seine Bilder prägt, ist die skulpturenhafte
       Inszenierung seiner Modelle, die Idee von absoluter Schönheit, der alle
       Körper entgegenzustreben scheinen. Diese Liebe zur klassizistischen
       Skulptur erinnert aber auch an Horsts Aufbruch aus einem Deutschland, in
       dem ein hellenistisches Körperideal seit dem 18. Jahrhundert einige
       künstlerische Ausdrucksformen geprägt hatte und nach dem Ersten Weltkrieg
       auf seinen Höhepunkt zusteuerte.
       
       Horsts männliche Aktfotos aus den 50er Jahren wirken geradezu wie
       Muskulaturstudien am perfekten Körper. Sie erzählen aber auch von dem
       Wagnis homoerotischer Fotografie in Zeiten des McCarthyismus, deren
       Einfluss auf Fotografen wie Robert Mapplethorpe und bis in die Gegenwart
       sehr erkennbar ist.
       
       15 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tania Martini
       
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