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       # taz.de -- Neuer TV-Sender: Nachrichten von der Front
       
       > Der IS-Terror macht es möglich: Das kurdische Mediennetzwerk Rudaw könnte
       > dem Nachrichtensender Al-Dschasira den Rang ablaufen.
       
   IMG Bild: Autobombe in Erbil: Rudaw trägt die Nachricht in die Welt.
       
       Der Konflikt zwischen Israelis und Arabern, der Krieg in Syrien, die
       Auseinandersetzungen im Irak – die Nachrichtenlage im Nahen Osten ist
       extrem diffus. Außenstehende Beobachter überblicken kaum noch, was
       tatsächlich passiert.
       
       Als sichere Quelle gilt bei westlichen Medien mittlerweile Rudaw – ein
       kurdisches Mediennetzwerk mit Hauptsitz in Erbil, der Hauptstadt der
       autonomen Region Kurdistan im Irak. Das Netzwerk will vor allem den Kurden
       im Nahen Osten und in anderen Regionen der Welt eine Plattform bieten.
       
       Teil davon ist der Nachrichtensender Rudaw TV, der seit einem Jahr weltweit
       in kurdischer Sprache ausstrahlt. Das Programm: Nachrichten, Reportagen,
       Talkshows. Seit der Offensive der islamistischen IS-Kämpfer erlebt der
       News-Kanal einen Boom.
       
       „Wir wollen, dass die Welt erfährt, was in Kurdistan geschieht und wie
       unsere Sicht der Dinge ist“, erklärt Ayub Nuri, Chefredakteur der
       englischsprachigen Website, ein wichtiges Anliegen des Mediennetzwerks, das
       auch von ausländischen Diplomaten, Politikern, Wissenschaftlern und
       Geschäftsleuten genutzt werde.
       
       ## Bedroht von den Milizen des IS
       
       „Unsere Inhalte sind sehr wichtig für die Kurden und die Welt, denn wir
       glauben an Authentizität. So versuchen wir, so viel Material wie möglich an
       den Brennpunkten des Geschehens zu produzieren – sei es in ausländischen
       Hauptstädten oder direkt an der Front.“ Und die war vor Kurzem nicht mehr
       weit vom Sender entfernt: Die Milizen des IS standen bereits 40 Kilometer
       vor Erbil.
       
       Zum Start von Rudaw TV gab es allerdings Kritik; Die Familie des
       amtierenden Präsidenten der autonomen Region, Masud Barzani, ist
       Miteigentümer der Mediengruppe. Aber, so der deutsch-kurdische
       Politikwissenschaftler und Hochschullehrer Ferhad Ibrahim Seyder: „Der
       Sender ist durchaus als objektive Quelle anzusehen. Er ist nicht so, wie
       die PKK-nahen Sender, die nur bestimmte Parteien zu Wort kommen lassen. Auf
       Rudaw TV erhalten beispielsweise Regierungsvertreter Syriens, der Türkei
       und des Irak die Möglichkeit, sich zu äußern. Alle Positionen werden
       beleuchtet.“
       
       Teilweise, berichtet der Erfurter Professor, sei der Nachrichtenkanal
       unabhängiger als Al-Dschasira, beispielsweise was den
       palästinensisch-israelischen Konflikt angehe. Auch Al-Dschasira entwickelte
       sich durch den Irakkrieg zu einer der wichtigsten Nachrichtenquellen
       weltweit und stieg auf das Niveau von CNN oder BBC auf, was die
       Berichterstattung angeht. Seyder sieht in der aktuellen Entwicklung von
       Rudaw TV durchaus Parallelen dazu.
       
       Das Erscheinungsbild des Senders kreierte die deutsche Designagentur
       Luxlotusliner. Neben der Professionalität waren die beiden
       Agentur-Chefinnen Andrea Bednarz und Gabi Madracevic von der Atmosphäre im
       Sender beeindruckt: „Wir bemerkten den Enthusiasmus der kurdischen
       Mitarbeiter, die aus allen Teilen der Welt, auch aus Deutschland, nach
       Erbil gekommen sind, um etwas zu bewegen.“
       
       ## Mangelnde Professionalität
       
       Während die kurdischen Verantwortlichen des Nachrichtensenders bereits
       darüber nachdenken, bald weltweit auch in englischer Sprache auszustrahlen,
       weist Seyder neben aller Anerkennung auch auf Defizite hin: „Die gibt es
       vor allem bei der Professionalität der Journalisten und durch das
       Vorhandensein von Korruption auf allen gesellschaftlichen und privaten
       Ebenen in Kurdistan. Allerdings muss man berücksichtigen, dass in der
       Region über 50 Jahre Bürgerkrieg geherrscht hat. Aber jetzt ist ein
       hoffnungsvoller Anfang gemacht, nicht nur mit dem Nachrichtensender,
       sondern auch für das Allgemeinwesen.“
       
       Der Professor prognostiziert: „In fünf Jahren, wenn der Sender zusätzlich
       in englischer und arabischer Sprache stattfindet, kann er mit Al-Dschasira
       und CNN mithalten.“
       
       10 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wilfried Urbe
       
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