URI: 
       # taz.de -- Freihandelsabkommen TTIP: US-Farmen bedrohen EU-Höfe
       
       > Europäische Bauern verdienen weniger, falls TTIP kommt. Das errechnete
       > das ifo Institut. Vom Abkommen rät es dennoch nicht ab.
       
   IMG Bild: Traktor auf einem Feld in Mecklenburg-Vorpommern
       
       BERLIN taz | Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA
       (TTIP) würde die Einkommen in der europäischen Land- und
       Lebensmittelwirtschaft senken. Nach einer Prognose des Münchner
       Wirtschaftsforschungsinstituts ifo für das Europäische Parlament geht die
       Wertschöpfung der Ernährungsbranche um 0,5 Prozent zurück – in Deutschland
       sogar um 0,7 Prozent. Das ifo wird sonst meist von Befürwortern des
       Vertrags zitiert, die sich mehr Wohlstand und Arbeitsplätze versprechen.
       
       Doch nun sagte der Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft, Gabriel
       Felbermayr, der taz: „Wir haben zwar insgesamt aus einem TTIP für die
       allermeisten Sektoren positive Effekte, was die Einkommen angeht, aber eben
       nicht im Agrarsektor.“ Die Bauern könnten seiner Einschätzung nach stärker
       als die Lebensmittelindustrie betroffen sein. Die US-Ernährungsbranche
       dagegen würde dank TTIP ihre Wertschöpfung um 0,4 Prozent steigern.
       
       Felbermayr erklärt den Rückgang der EU-Einkommen damit, dass im Agrar- und
       Lebensmittelbereich die Exporte der USA nach Europa doppelt so stark
       steigen würden wie die Ausfuhren der Europäer in die Vereinigten Staaten:
       um satte 120 Prozent. „Wir haben heute ja einen bilateralen Überschuss im
       Handel mit den Amerikanern. Der würde schrumpfen und ziemlich stark auf
       null zurückgehen“, sagte Felbermayr. Unter dem Strich verlören die
       europäischen Bauern Marktanteile. „Man muss durchaus Sorge haben in diesem
       Sektor“, warnte der Volkswirtschaftsprofessor.
       
       Manche Bereiche trifft es härter als den EU-Durchschnitt: Spaniens Obst-
       und Gemüsebranche würde dem Szenario zufolge sogar 3 Prozent ihrer
       Wertschöpfung verlieren, Deutschlands Milchsektor 1,9 Prozent. Nur wenige
       Bereiche wie Portugals Pflanzenölbranche gewännen etwas.
       
       Allerdings sei der zu erwartende Rückgang insgesamt so gering, dass er
       leicht durch Subventionen auszugleichen wäre, ergänzte Felbermayr. Schon
       jetzt kämen ja 40 bis 60 Prozent der bäuerlichen Einkommen aus dem
       EU-Budget.
       
       ## Gewinne in anderen Branchen
       
       Bei ihren Berechnungen nehmen die Ökonomen an, dass TTIP den Effekt „nicht
       tarifärer“ Handelshemmnisse wie Mengenbeschränkungen von Einfuhren und
       unterschiedliche Kennzeichnungsvorschriften um 25 Prozent und Zölle
       komplett reduziert. Felbermayr wies darauf hin, dass die EU-Kommission zwar
       „rote Linien“ bei den Verhandlungen über Umwelt- und
       Verbraucherschutzstandards gezogen habe. „Das sind zum Beispiel das
       berühmte Hormonfleisch, das Chlorhühnchen oder genetisch modifizierte
       Lebensmittel.“
       
       Aber es gebe viel mehr nicht tarifäre Barrieren, die etwa darüber
       entschieden, wie schnell ein Schiff mit Soja aus den USA in Europa entladen
       werden darf.
       
       Trotz der Nachteile für die Landwirtschaft raten die Studienautoren nicht
       von TTIP ab. Denn die Agrarbranche liefere nur 4 Prozent aller EU-Exporte
       in die USA: 15 Milliarden Euro. „Maschinenexporte allein sind zum Beispiel
       fast viermal so groß“, teilt das ifo mit. Soll heißen: Die Gewinne durch
       ein Freihandelsabkommen in anderen Branchen würden die Verluste im
       Agrarbereich mehr als wettmachen.
       
       ## Kritik am Bauernverband
       
       Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
       (AbL) sieht sich jedoch durch die Studie in ihrer Kritik an TTIP bestätigt.
       „Uns wird immer gesagt, mehr Freihandel würde die Wertschöpfung erhöhen.
       Für die europäischen Bauern geht diese Rechnung offensichtlich wieder
       einmal nicht auf“, schrieb Geschäftsführer Ulrich Jasper der taz.
       
       TTIP setze sie noch stärker der Billigkonkurrenz der „marktbeherrschenden
       US-Farmen mit ihren industriellen Maßstäben“ aus. So bringe das geplante
       Abkommen „genau die Art von Landwirtschaft in Gefahr, die von der
       Gesellschaft zu Recht immer stärker eingefordert wird.“
       
       Jasper kritisierte, dass der Deutsche Bauernverband, in dem fast alle
       Landwirte organisiert sind, sich für das Abkommen starkmache. „Er vertritt
       hier die Interessen einzelner Bereiche der Ernährungsindustrie, die sich
       wie die Milchindustrie partiell mehr Absatz in den USA erhoffen“, sagte der
       AbL-Vertreter.
       
       7 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt TTIP
   DIR Landwirtschaft
   DIR Freihandel
   DIR Schwerpunkt TTIP
   DIR Schwerpunkt TTIP
   DIR Schwerpunkt TTIP
   DIR Schwerpunkt TTIP
   DIR Barbara Hendricks
   DIR Schwerpunkt TTIP
   DIR Schwerpunkt TTIP
   DIR Schwerpunkt TTIP
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR TTIP-Gegner ziehen vor EuGH: Für das Recht auf Bürgerbegehren
       
       Die EU-Kommission stoppte ein europaweites Begehren gegen das
       Freihandelsabkommen. Dagegen klagen die Aktivisten nun – und sammeln
       Unterschriften.
       
   DIR Umstrittene Passagen bei TTIP: Keine Paralleljustiz für Konzerne
       
       Teil des TTIP-Abkommens sollten Sondergerichte für Konzerne sein, um deren
       Profite zu schützen. Das wollen die EU-Sozialdemokraten verhindern.
       
   DIR Freihandelsabkommen TTIP und Ceta: Minimale Änderungswünsche
       
       Ein Geheimprotokoll legt nahe: Deutschland stimmt dem umstrittenen
       Investorenschutz zu. SPD-Politiker lehnen Schiedsgerichte ab.
       
   DIR Studie zu TTIP und Ceta: Kommunen werden kaputtgemacht
       
       Deutsche Kommunen verlieren durch Freihandelsabkommen mit den USA und
       Kanada an Einfluss. Die politische Gestaltungsmacht wird ausgehebelt.
       
   DIR Umweltministerin Barbara Hendricks: Schaukeln im AKW
       
       Mit Barbara Hendricks ist ein neuer Politikstil ins Umweltministerium
       eingezogen. Ob sie mit ihrer Art die Probleme lösen wird?
       
   DIR EU-Kanada-Freihandelsabkommen Ceta: Die Blaupause für TTIP
       
       Der Handelsvertrag mit Kanada gleicht dem umstrittenen Pakt mit den USA:
       Investoren werden geschützt, Menschenrechte und Sozialstandards nicht.
       
   DIR Großpetition gegen Freihandel: BUND greift TTIP-Abkommen an
       
       Der BUND hat angekündigt, gegen das TTIP-Abkommen zu kämpfen. Europaweit
       will die Umweltorganisation eine Million Unterschriften sammeln.
       
   DIR Transatlantisches Handelsabkommen: Das kanadische TTIP steht
       
       Die Regierung in Ottawa verkündet die Einigung auf das TTIP-Abkommen mit
       der EU. Berlin fordert die Zustimmung der nationalen Parlamente.