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       # taz.de -- Die Wahrheit: „Soll ich Kamele streicheln?“
       
       > Terrormilizführer Abu Bakr al-Baghdadi verbreitet sich hier in einem
       > exklusiven Interview mit der Wahrheit über alles in der Welt.
       
   IMG Bild: Eines der raren Secret Selfies von Terrorchef Abu Bakr al-Baghdadi sehen Sie hier
       
       taz: Herr al-Baghdadi – oder wie spricht man Sie korrekt an? 
       
       Abu Bakr al-Baghdadi: Baghdadi, al-Baghdadi, egal. Weiter.
       
       Herr Baghdadi, Sie sind der Anführer einer salafistisch-dschihadistischen
       Terrormiliz. Haben Sie nichts Besseres zu tun? 
       
       Wie meinen Sie das?
       
       Sie könnten doch auch als Liftboy in einem Pariser Hotel arbeiten, anstatt
       einer Terrormiliz vorzustehen, die von aller Welt gehasst wird. 
       
       Das mag aus Ihrer Sicht richtig erscheinen. Doch die Amerikaner haben 10
       Millionen Dollar auf meinen Kopf ausgesetzt.
       
       Ist das nicht schmeichelhaft? Denn Sie machen ja nicht viel her, wenn man
       Sie ankuckt. Hinten hängt Ihnen das Hemd aus der Hose … 
       
       Ach, wissen Sie, wir Dschihadisten legen keinen großen Wert auf
       Äußerlichkeiten wie Ihr *beep* vom Glauben abgefallenen *beep* Europäer.
       Wir stehen mehr auf Werte wie … na ja, dass man zusammenhält halt. Als
       Glaubensgemeinschaft.
       
       Sie nennen es Glaubensgemeinschaft. Im Westen wird Ihre Vereinigung als
       eine Bande barbarischer, nihilistischer Killer angesehen … 
       
       Sie vergessen, dass wir unseren eigenen kulturellen Hintergrund haben. Für
       uns bedeutet es etwas ganz anderes, wenn eine Frau sich etwa mit
       Lippenstift beschmiert. Der Prophet Mohammed hat gesagt …
       
       Sie meinen Mohammed, den bekannten Stifter der islamischen Religion … 
       
       Ja, natürlich, wen denn sonst?
       
       Unsere Leser könnten denken, Sie meinten Muhammad Ali oder so jemanden. 
       
       Diesen Boxer? Hieß der nicht ursprünglich anders?
       
       Ja. Cassius Clay. Doch dann hat er sich Muhammad Ali genannt. Das sollten
       auch Sie sich überlegen. Der Name Abu Bakr al-Baghdadi stellt große
       Herausforderungen an westliche Zungen, und das ist Ihrem Bekanntheitsgrad
       bestimmt nicht förderlich. „Osama bin Laden“ lässt sich leicht aussprechen.
       Als Abu Bakr al-Baghdadi kommen Sie auf keinen grünen Zweig. Sie sollten
       sich eine griffigere Namensvariante ausdenken. Kennen Sie Udo Jürgens? 
       
       Nein.
       
       Nie gehört? 
       
       Warten Sie mal … „Die kleine Kneipe in unserer Straße“, ist das nicht von
       dem?
       
       Nein, das hat Peter Alexander gesungen. 
       
       Das ist nicht von Udo Jürgens?
       
       Nein. Von Udo Jürgens stammt „Griechischer Wein“. Haben Sie das mal gehört? 
       
       Doch, kann schon sein, aber wir Dschihadisten lehnen musikalische
       Unterhaltung ab. Wo waren wir stehen geblieben?
       
       Bei der Frage, ob Sie sich nicht umbenennen sollten. Udo Jürgens hieß
       ursprünglich Udo Jürgen Bockelmann. Und auch in ihrem Fall würde ich eine
       Vereinfachung des Namens für geboten halten. Wie wäre es mit Abu Babu? 
       
       Klingt das nicht irgendwie babyhaft?
       
       Ja, schon. 
       
       Gab es da im Abendland nicht eine Fernsehfamilie, die so ähnlich hieß?
       
       Meinen Sie „Barbapapa?“ 
       
       Ja, genau! An die erinnere ich mich noch. Barbapapa, Barbamama, Barbalella,
       Barbaletta …
       
       Ich schicke ihnen einen Link zum Serienführer. 
       
       Bloß nicht! Was glauben Sie, was in meinem Terrorstaat los wäre, wenn
       herauskäme, dass ich in meiner Freizeit Barbapapa-Videos konsumiere!
       
       Ist das nicht irgendwo schade? Ich meine, haben Sie nicht das Gefühl, dass
       Ihnen als Terrormiliz-Führer manches entgeht? An Zärtlichkeit zum Beispiel?
       Mögen Sie Tiere? 
       
       Ich besitze 34 Kamele, die sehr belastbar sind und auch schwere
       Patronentaschen tragen können.
       
       So habe ich das nicht gemeint. Ich will die Frage anders stellen. Sind Sie
       schon mal in einem Streichelzoo gewesen? 
       
       Nein. Was ist das?
       
       Da kann man handzahme Tiere streicheln. Vor allem Ziegen. 
       
       Und wozu soll das gut sein?
       
       Wozu das gut sein soll? Das erklärt sich doch von selbst: Es ist schön,
       eine Ziege zu streicheln! 
       
       Soll ich etwa meine Kamele streicheln? Wollen Sie darauf hinaus?
       
       Ja, warum denn nicht? Wenn so ein „Wüstenschiff“ eine beschwerliche
       Wanderung hinter sich hat, dann will es gestreichelt werden. Das sagt einem
       doch der normale Menschenverstand. Ich hatte mal ein Meerschweinchen, das
       sich gern im Nacken kraulen ließ … 
       
       Hören Sie, ich weiß nicht, was das hier soll. Ich muss heute noch 200
       Todesurteile unterschreiben, und Sie erzählen mir von Ihrem Meerschweinchen
       …
       
       Ich habe dreimal die Woche den Stall saubergemacht, aber dann verlor ich
       irgendwann das Interesse. Das war die Zeit, wo ich in einen
       Basketballverein eingetreten bin. Das war im August 94. Da war meine Oma
       gestorben, und ich hatte mich von meinem ersten Freund getrennt. Oder halt,
       Quatsch, Blödsinn – das war ja erst im Jahr danach! Ich hab damals in
       Aschaffenburg gewohnt und eine Lehre als Tierarztgehilfin gemacht, aber das
       war irgendwie nicht so mein Ding. Und über ’ne Freundin bin ich dann in den
       Medienberuf reingerutscht. Hier und da mal was im Radio, und schwupps war
       ich drinne. Und das Witzigste, was mir da mal … 
       
       Entschuldigen Sie bitte. Ihr Bericht ist ja sehr hübsch, aber ich muss
       zurück zu meiner Terrormiliz.
       
       Aber dafür habe ich doch alles Verständnis der Welt. Beehren Sie uns bald
       wieder, Herr Abu Bakr al-Baghdadi! 
       
       Ja, mach ich gern, aber jetzt muss ich los!
       
       Ciao! 
       
       Ciao!
       
       Herr al-Baghdadi, wir danken Ihnen für das Gespräch.
       
       2 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mathilde Brösendonck
       
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