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       # taz.de -- Volontäre im Bayerischen Rundfunk: Kerle, Kühe, Kirche
       
       > Mit ihrem Abschlussprojekt wollten die Volontäre des BR etwas wagen. Sie
       > beweisen aber hauptsächlich, wie verknöchert der Sender ist.
       
   IMG Bild: Die Volontärinnen des BR, das sind die mit den Kameras und Mikros, bei der Arbeit.
       
       Es könnte etwas dran sein an dem Eindruck, die Bayern seien provinziell.
       Zumindest das Fernsehprogramm des Bayerischen Rundfunks unterfüttert ihn.
       Wer es vom Nachmittag bis in den späten Abend guckt, kommt nicht umhin
       festzustellen, dass es drei große Themen gibt: Kerle, Kühe, Kirche. Was
       komplett fehlt: eine Verbindung in die Welt. Das Exotischste an einem
       Dienstag im BR ist Eis mit Basilikum.
       
       Der BR ist eine der größten Sendeanstalten der ARD und spuckt Jahr für Jahr
       junge Menschen aus, die als Volontäre ausgebildet wurden. Sechs von ihnen
       haben zusammen mit einer Volontärin des NDR für ihr Gesellenstück eine
       Reportage gefertigt, die „anders“ sein soll. Und allein, dass sie für ihr
       Stück des Landkreises Rhön-Grabfeld, „Der Ort, an dem keiner wohnen will“,
       gesucht haben, dürfte im Heile-heile-Segen-Himmel des BR Schockstarre
       hervorrufen.
       
       Die fünf jungen Journalistinnen und ihr Kollege haben sich vier
       Protagonisten aus der unterfränkischen Region gesucht und stellen diese in
       deren Absicht vor, die Region (der einzige Landkreis Bayerns, aus dem mehr
       Menschen weg- als zuziehen) attraktiv zu machen.
       
       Den Bürgermeister, der versucht, einen Markt mit regionalen Produkten zu
       etablieren, aber sich nicht um die Werbung kümmert, die Studentin, die
       unter enormem Aufwand ein „4-Jahreszeiten-Fest“ organisiert, für dessen
       Gästezahl auch ein „1-Jahreszeit“-Zelt gereicht hätte, einen bankrotten
       Schreiner sowie eine naiv-optimistische Mittdreißigerin, die für ihr Café
       einen Standort am Stadtrand gewählt hat.
       
       Abgesehen von ein paar bilderbuchhaften Anfängerfehlern wie der Frage an
       einen Passanten, wie es sei, in einer „Geisterstadt“ zu leben, ohne dass
       der Zuschauer erfährt, wie wenige Einwohner es in Erbstadt gibt, ist die
       Reportage erschreckend gut gelungen. Erschreckend deshalb, weil die sechs
       FilmemacherInnen sich leider lediglich brav und gekonnt an dem abarbeiten,
       wie Reportagen heutzutage gemacht werden: Eine Journalistin, Vera Cornette,
       wird vor die Kamera geschickt, locker und anteilnehmend begleitet und
       befragt sie die Protagonisten, die abwechselnd vorgestellt werden.
       Dazwischen gibt es ein paar Statistiken und grafische Elemente und eine
       Stimme aus dem Off.
       
       ## Ein reger Kurort
       
       Dabei haben die FilmemacherInnen sehr wohl ein Bewusstsein für das Andere.
       So schneiden sie äußerst charmante Filme aus den 70er Jahren dazwischen,
       die die Gegend als regen Kurort zeigen, oder lassen den Sprecher so schöne
       Sätze sagen wie: „Mit Bratwürsten kämpft Jürgen Heinsinger gegen die
       Abwanderung.“ Aber man spürt die Befürchtung, etwas zu machen, das zu
       gewagt sein könnte. Schließlich ist bereits die Wahl des Themas ein Affront
       gegenüber den Seligen im blau-weißen Land.
       
       Tatsächlich eröffnet die Reportage einen überaus warmen Blick auf Menschen,
       die sich nicht entmutigen lassen. Doch wenn ein so herkömmliches, am Ende
       sehr braves Stück bereits gewagt ist, dann muss man wohl umso mehr fragen:
       Bayerischer Rundfunk, was ist bei dir los?
       
       Wo sind deine großen, verqueren Köpfe wie Helmut Dietl und Franz Xaver
       Kroetz, die dem Nachwuchs mal ganz andere Ideen in die Köpfe pflanzen? Die
       ihn ermuntern, das Fernsehen neu zu erfinden und Formate in die Welt zu
       setzen, die anders sind? Du wirst jetzt sagen, unsere Zuschauer sind eh
       schon scheintot, die wollen nix anderes. Mir san mir und mir san hin. Na
       gut, BR, möchte ich entgegnen, Fernsehen, dieses von uns allen finanzierte
       Flimmerding, könnte der neue heiße Scheiß sein, so wie es das in den USA
       zum Beispiel ist. Aber Bayern ist nicht die USA. Da hast du schon recht.
       
       1 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Silke Burmester
       
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