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       # taz.de -- Kampf und Rad: Radler außer Rand und Band
       
       > Die Ini „Ambulante Versorgungsbrücken“ sagt Radfahrern im Viertel den
       > Kampf an – und erntet dafür sogar beim ADFC Verständnis.
       
   IMG Bild: Verkehrter Radverkehr - links - und richtiger - rechts - in der Humboldtstraße
       
       BREMEN taz | Alles sollte besser werden für die VerkehrsteilnehmerInnen im
       Viertel: Durch den Ausbau der Humboldtstraße ist für RadfahrerInnen eine
       Alternativ-Route zum Steintor und Ostertorsteinweg geschaffen worden. Der
       neue, breite Gehweg bietet genügend Platz für Fußgänger, Kinderwagen,
       Rollis und Rollatoren.
       
       Doch nun scheint es so, als hätten Radfahrer dort das Kommando übernommen –
       so sieht es zumindest Elsbeth Rütten, deren Initiative „Ambulante
       Versorgungsbrücken“ ihren Sitz direkt an der Humboldtstraße hat. Sie
       fordert jetzt eine Kennzeichnungspflicht für Fahrräder.
       
       In der Tat: Obwohl Radfahrer dort Vorrang vor Autos haben, benutzt ein
       guter Teil von ihnen den Gehweg. „Die fahren einen dort einfach um“, sagt
       Rütten. Die 66-Jährige hat eine gepfefferte Mail geschrieben, auch an das
       Ortsamt: „Immer öfter mutieren Menschen scheinbar zu ’Zombies‘, wenn sie
       auf ein Fahrrad steigen“, heißt es da. Angehängt ist ein offener Brief von
       ihrer Mitarbeiterin Ricarda Möller, die miterleben musste, wie eine ältere
       Frau mit Rollator von einer Radfahrerin zu Fall gebracht wurde.
       
       Danach postierten Möller und eine Kollegin sich zwei Stunden lang an der
       Ecke Horner Straße/Humboldtstraße: „Dabei stellten wir fest, dass 335
       Radfahrer (trotz Regens) die Ecke kreuzten.“ Davon seien insgesamt 76
       Personen auf den Gehwegen gefahren sowie „jeweils zwei Kinder, deutlich
       sichtbar über zehn Jahre alt“, schreibt sie.
       
       ## Radler gegen Menschenwürde
       
       Dass es Radlern in den Nebenstraßen wie der Horner Straße wegen des
       Kopfsteinpflasters kaum möglich ist, nicht auf den Bürgersteig
       auszuweichen, versteht indes auch Elsbeth Rütten: „Aber sie könnten dort
       langsam fahren und sich mit den Fußgängern verständigen.“ Ein Radfahrer
       habe neulich stattdessen zu ihr gesagt: „Du gehörst ins Klo!“
       
       „Wir kennen die Situation“, sagt Manuela Jagemann vom Ortsamt Mitte. „Seit
       die Humboldtstraße fertig ist, ist sie bei uns Dauerthema.“ Die Polizei
       schreibe auf und ermahne, „aber wenn sie weg ist, geht alles wieder von
       vorne los.“ Sie hält Rüttens Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für
       „nicht ganz unberechtigt, aber der Verwaltungsaufwand dafür wäre enorm“.
       
       Auch Ralph Saxe, grüner Bürgerschaftsabgeordneter und stellvertretender
       ADFC-Landesvorsitzender, setzt lieber auf Kontrollen und Aufklärung. Das
       habe bereits an der Bischofsnadel wunderbar funktioniert: „Mittlerweile
       steigen die Radfahrer dort ab.“
       
       An der Humboldtstraße habe man überdies damit gerechnet, dass es dort
       anfangs Probleme gebe: „Viele Menschen haben Angst, plötzlich ohne Radweg
       auf der Straße zu fahren und weichen deswegen auf den Bürgersteig aus.“
       Aber die „Fehlnutzung“ sei unbestritten zu hoch.
       
       Eine Erklärung dafür hat er nicht: „Vielleicht muss die Führung aus den
       Nebenstraßen auf die Humboldtstraße deutlicher sein, vielleicht sind es die
       Radfahrer aus den Nebenstraßen auch zu sehr gewohnt, auf dem Bürgersteig zu
       fahren.“ Abhilfe schaffen könne hier Kopfsteinpflaster, das in der
       Fahrbahnmitte abgeschliffen ist.
       
       ## Der ADFC hofft auf Besserung
       
       Für den harschen Tonfall, den Rütten beklagt, hat er kein Verständnis:
       „Radfahrer sind doch immer auch mal als Fußgänger oder Autofahrer unterwegs
       – sie scheinen das traurigerweise manchmal zu vergessen.“ Auch sein
       ADFC-Kollege Albrecht Genzel bedauert die „Missachtung der Belange der
       Fußgänger“.
       
       Aber genauso wie Saxe hofft er noch auf Besserung. Eine optimale
       Fahrradstraße müsse ohnehin eigentlich gesperrt sein für Autofahrer und
       statt Ampeln Zebrastreifen haben: „Die Humboldtstraße ist ein Kompromiss.“
       Eine Kennzeichnungspflicht lehnt er genauso ab wie eine Helmpflicht für
       Radfahrer.
       
       Aber er hat Elsbeth Rütten zugesagt, in einer gemeinsamen Aktion Radfahrer
       davon zu überzeugen, „ihre“ Straße auch zu benutzen und den Fußgängern den
       Gehweg zu überlassen. Rütten verspricht sich wenig davon: „Bisher ist außer
       Gesprächen mit dem ADFC nie etwas passiert“, sagt sie. Vielmehr überlege
       sie, für die Kennzeichnungspflicht für Radfahrer eine Petition zu starten.
       
       25 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
       
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