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       # taz.de -- Hamburgs Alternativ-Comicszene: Brotjobs und Selbstverwirklichung
       
       > Durch das Label „Graphic Novel“ werden Comics immer populärer. Von ihnen
       > leben können die Zeichner dennoch nicht. Ein Atelierbesuch bei Calle
       > Claus.
       
   IMG Bild: „Comiczeichner sind wie Junkies, sie kommen von ihrem Stoff nicht los“, sagt Calle Claus.
       
       HAMBURG dpa | Einmal war Calle Claus kurz davor, mit dem Comiczeichnen
       aufzuhören. Zweifel überkamen ihn im November vor zwei Jahren, als seine
       150 Seiten starke [1][Graphic Novel „White Line“ erschienen war]. Bis heute
       hat sich das Werk rund 1.500 Mal verkauft. Geld verdient habe er kaum, sagt
       Claus, obgleich er sechs Jahre an dem Comic gearbeitet hat und es in den
       Feuilletons gelobt worden ist.
       
       Vielen Comiczeichner in Deutschland geht es wie Claus: Nur wenige können
       vom Buchverkauf allein leben. Die meisten arbeiten nebenbei als
       Illustrator, Texter oder lehren an Schulen. Bestseller-Comics gelingen
       selten; gerade im Graphic-Novel-Bereich mit langen, meist komplexen
       Geschichten für Erwachsene. Dennoch blüht die Comicszene, etwa in Hamburg.
       
       Letztlich hat auch Claus nicht mit dem Zeichnen aufgehört. Aktuell arbeitet
       der 42-Jährige erneut an einem Comic. „Comiczeichner sind wie Junkies, sie
       kommen von ihrem Stoff nicht los“, sagt Claus in seinem Hamburger
       Gemeinschaftsatelier und lacht.
       
       Claus ist studierter Illustrator. „Dorle“, so heißt das Werk, an dem er mit
       seinem Kollegen Olli Ferreira arbeitet. Es geht um eine Hamburger
       Studentin, deren Eltern ihr den Geldhahn zudrehen, wodurch sie von einer
       Katastrophe in die nächste schlittert. „Mir ist so ein Buchprojekt neben
       den vielen Brotjobs wichtig“, sagt Claus. „Immer, wenn wir Zeit haben und
       kein Geld verdienen müssen, arbeiten wir dran.“
       
       ## „Viele kommen bewusst hierher“
       
       Wer zu Graphic Novels recherchiert, kommt an Anke Feuchtenberger nicht
       vorbei. Seit 17 Jahren lehrt die Professorin Illustration an der Hochschule
       für angewandte Wissenschaften. Viele Comickünstler wie Birgit Weyhe, Sascha
       Hommer und Calle Claus haben bei ihr studiert. Die Hamburger Schule sei
       einzigartig, sagt Feuchtenberger. „Viele kommen bewusst hierher.“ Jeder
       wisse aber, dass mit Comics wenig Geld zu verdienen sei. Es zeuge daher von
       einer Besessenheit und Leidenschaft, wenn Menschen diesen Beruf wählten.
       „Ich würde es aber niemandem einreden wollen.“
       
       Wer es jedoch wagt, landet mit seinen Büchern meist hier: „Strips &
       Stories“, einem Hamburger Graphic-Novel-Laden nahe der Reeperbahn. Dieser
       gehört Hans Ebert und Gesine Claus. Die Regale quillen über vor Comics.
       Etwa 1.000 seien es, sagt Ebert, der Laden wachse jährlich.„ Viele haben
       gedacht, das wird nichts. Aber der Erfolg gibt uns Recht.“ Es gebe einen
       Graphic-Novel-Hype"+. Obgleich strittig ist, was Graphic Novels
       definitorisch genau sind. „Ich verstehe darunter runde Comic-Geschichten
       mit Anspruch und Tiefe.“
       
       Für den Comiczeichner Sascha Hommer ist Graphic Novel dagegen vor allem ein
       Modebegriff für den Buchhandel. Gemeinsam mit Ebert und anderen
       Ehrenamtlichen organisiert Hommer jedes Jahr das [2][Hamburger
       Comicfestival], das dieses Jahr Anfang Oktober stattfindet.
       
       ## Feuilletons und Goethe-Institute
       
       In den vergangenen Jahren sei der Comicmarkt gewachsen, sagt Hommer.
       Derzeit gebe es etwa dreißig deutsche Künstler, die in Feuilletons
       besprochen würden. Immer mehr Verlage nähmen Comics ins Programm; viele
       Zeichner gingen an Hochschulen in die Lehre, zum Beispiel in Kiel oder
       Hannover. Auch das Goethe-Institut fördert inzwischen Künstler mit
       Reisestipendien.
       
       „Unsere wirtschaftliche Situation ist dennoch miserabel“, sagt Hommer. Der
       deutsche Markt sei längst nicht so groß wie in Frankreich oder Japan.
       Dennoch gibt es Preise: Der bekannteste ist der Independent Comic Preis.
       Seit diesem Jahr zeichnet die Berthold Leibinger Stiftung zudem einen
       Künstler mit 15.000 Euro aus.
       
       Calle Claus allerdings kann sich für diesen Preis mit seiner Graphic Novel
       „Dorle“ nicht bewerben. Denn nur unveröffentlichte Werke werden prämiert,
       und Claus hat bereits einen Verlag gefunden. 70 Seiten seien fertig, sagt
       er. Auf den Tischen in seinem Büro liegen Dutzende Zeichnungen auf
       transparentem Papier. Im Herbst 2015 soll das Buch erscheinen.
       
       Warum er doch nicht mit dem Zeichnen aufgehört hat? „Mit Comics kann ich
       meine künstlerische Freiheit ausleben“, sagt Claus. Seit 15 Jahren arbeite
       er als freier Illustrator und Comiczeichner, habe sechs Bücher
       veröffentlicht. „Zwar habe ich keine Jacht oder ein dickes Auto“, sagt
       Claus. „Aber Taxifahren musste ich noch nie.“
       
       25 Aug 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Comic-in-Langzeit-Arbeit/!105115/
   DIR [2] http://www.comicfestivalhamburg.de/start2014/index.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Amadeus Ulrich
       
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