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       # taz.de -- US-Pop und Ferguson: Zurück in der Community
       
       > Der Rassismus und die Polizeigewalt repolitisieren den US-HipHop. Die
       > afroamerikanischen Popstars aber schweigen.
       
   IMG Bild: Nach Ferguson wieder wütend: Curtis „50 Cent“ Jackson.
       
       Die zurückliegende Woche war für US-HipHop die wichtigste seit langem. Die
       Proteste gegen die Erschießung von Michael Brown in Ferguson haben zur
       stärksten Politisierung unter Rappern seit den Unruhen in Los Angeles im
       Jahr 1992 geführt. Und sie kam von unerwarteter Seite.
       
       Der Rapper J Cole aus North Carolina, ein Zögling von Jay-Z,
       veröffentlichte die Soulballade „Be Free“. „Alles, was wir tun wollen, ist
       unsere Ketten zu sprengen“, singt er darin. Lauryn Hill, ehemalige Sängerin
       der Fugees, singt zur Melodie von „My Favourite Things“ über „Black Rage“,
       „schwarze Ohnmacht“, die eine Folge von Jahren voll körperlicher und
       psychischer Gewalt sei. Auch 50 Cent und der Südstaaten-Rapper T.I.
       veröffentlichten Songs über die Ereignisse in Ferguson.
       
       So weit, so naheliegend. Aber auch die Indiemusikerinnen Sky Ferreira und
       Cat Power kündigten Benefizkonzerte für die verhafteten Demonstranten in
       Ferguson an. Und kurz nach den ersten Demonstrationen fuhren Rapper auch
       persönlich nach Ferguson. „Ich habe gemerkt: Die Menschen hier denken das,
       was ich auch denke. Aber sie sind aus Ferguson“, beschrieb J Cole seine
       Eindrücke.
       
       Killer Mike, ein Künstler aus dem Umfeld des Rapduos Outkast, griff nach
       seiner Reise die Polizei im Branchenmagazin Billboard scharf an: „Unsere
       Rechte werden tagtäglich durch Polizisten verletzt, die wir mit unseren
       Steuern bezahlen. Das muss aufhören.“
       
       ## „Wir leben unter weißer Vorherrschaft“
       
       Die Stimmung in Ferguson, so wie sie Killer Mike schildert, verdeutlicht
       die Konflikte in der schwarzen Community zwischen denen, die unter dem
       Alltagsrassismus leiden, und denen, die weiter an die Existenz einer
       „postethnischen“ Gesellschaft glauben. Der New Yorker Rapper Talib Kweli
       wurde in Ferguson vom afroamerikanischen Moderator Don Lemon für CNN
       interviewt und kritisierte die Berichterstattung des Senders. „Wir leben
       unter weißer Vorherrschaft, und man sieht, wie Sprache und Perspektive der
       Unterdrücker langsam dominant werden.“
       
       CNN unterschlage die Provokationen der Polizei. Lemon fiel Kweli so oft ins
       Wort, bis dieser drohte, das Interview abzubrechen. Schließlich erklärte
       Lemon dem Rapper, dass er sich zu sehr auf Details fokussiere. Lemons
       abwiegelnde Reaktion ist kein Einzelfall.
       
       Nur die afroamerikanischen Superstars, die schweigen bislang zu Ferguson.
       Jay-Z und Beyoncé – mit den Obamas befreundet – machten lediglich mit
       Spekulationen über ihre Ehe von sich reden. Kanye West, der George W. Bush
       2005 für seine Ignoranz bezüglich Hurricane „Katrina“ in New Orleans
       kritisierte, fiel dadurch auf, dass er eine kolportierte Zusammenarbeit mit
       Paul McCartney dementierte. So kommt es also wieder einmal den Altstars zu,
       Trauer und Wut der Community zu artikulieren. Seine Bedeutung als „CNN der
       Schwarzen“ (Chuck D) hat HipHop seit längerem an Twitter verloren. Schaden
       tut das nicht.
       
       Ausgerechnet auf Twitter wurde deutlich, dass HipHop ein nie endender
       Dialog ist. Statt Eigenwerbung zu machen, diskutierten Big Boi von Outkast,
       aber auch Talib Kweli mit Followern und Fremden. Es mag zynisch klingen,
       aber Ferguson hat dem HipHop gut getan: Damit ist er wieder in der
       Community angekommen.
       
       24 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Werthschulte
       
       ## TAGS
       
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