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       # taz.de -- Amazon im Konflikt mit Verlagen: Ruppig, aber nicht rechtswidrig
       
       > Amazon und die Verlage streiten darüber, wie hoch ihr Anteil am
       > Verkaufspreis bei E-Books sein soll. Missbraucht der Versandhändler seine
       > Macht?
       
   IMG Bild: Monopol? Niemand verbietet den Verlagen, in Buchhandlungen zu verkaufen statt bei Amazon
       
       BERLIN taz | Amazon ist der neue Superbösewicht der Buchbranche. Der
       Gigant, der mit seiner Marktmacht die Vielfalt der deutschen Buchkultur
       bedroht, weil er den Verlagen seine Bedingungen diktieren will. Und die
       Kritik wächst: Autoren protestieren (siehe nebenstehenden Text), Politiker
       sind besorgt. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat schon Ende
       Juni eine Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht.
       
       Der Gang zum Kartellamt war ein cleverer Zug und bestimmt seither das Bild:
       Da ist ein Konzern, der seine Marktmacht missbraucht, um ungerechtfertigte
       Ansprüche durchzusetzen. Anders gesagt: Goliath nutzt seine Stärke, um
       David zu zerquetschen. Klar, wem hier die Sympathien gehören müssen.
       
       Ist das wirklich so eindeutig? Der aktuelle Streit zwischen Amazon und den
       Verlagen dreht sich um E-Books, also elektronische Bücher, die auf
       speziellen Lesegeräten oder Tablet-Computern gelesen werden. Womöglich der
       Buchmarkt der Zukunft: In den USA haben E-Books schon einen Marktanteil von
       nahezu 30 Prozent, in Deutschland um die 10 Prozent. Wohl deshalb hat
       Amazon jetzt (in den USA und Deutschland) einen Fight über die Verteilung
       der Erlöse von E-Books begonnen.
       
       Bisher bekommt Amazon beim Verkauf eines E-Books, nach Abzug der
       Mehrwertsteuer, 30 Prozent der Einnahmen, dem Verlag bleiben 70 Prozent.
       Beim gedruckten Buch bekommt Amazon dagegen 40 bis 50 Prozent. So hätte es
       Amazon gerne auch bei den E-Books – oder sogar noch günstiger. Schließlich
       habe der Verlag auch weniger Kosten. Er muss das Buch nicht drucken, nicht
       lagern, nicht transportieren.
       
       ## Auch in den E-Books steckt ja viel Arbeit
       
       Die Verlage aber rechnen anders. Die wegfallenden Druck- und Logistikkosten
       nutzen nicht dem Verlag, sondern den Autoren, die international bei E-Books
       höhere Honorare bekommen. Zudem ist bei E-Books in Deutschland die volle
       Mehrwertsteuer von 19 Prozent zu zahlen (statt 7 Prozent für gedruckte
       Bücher); die Kunden erwarten, dass E-Books 15 bis 20 Prozent günstiger sind
       als gedruckte Exemplare. Dennoch sollen sie auch anteilig die Kosten für
       Übersetzer, Lektorat und Marketing decken. Deshalb müsse die Handelsspanne
       für Vertriebsplattformen wie Amazon deutlich geringer sein als beim
       gedruckten Buch.
       
       Die Verlage sehen darin keine Härte für Amazon, weil dort ja auch an
       Logistik und Versandkosten gespart werden könne.
       
       Details sind umstritten und schwer nachprüfbar. Die Beteiligten sprechen
       auch nicht darüber, weil es sich um Geschäftsgeheimnisse handelt.
       
       Amazon übt nun Druck auf das schwedische Verlagshaus Bonnier aus. Es ist in
       Deutschland die drittgrößte Verlagsgruppe, zu der unter anderem Ullstein
       und Piper gehören. Bonnier soll wohl stellvertretend für die Branche in die
       Knie gezwungen werden. Als Druckmittel bestellt Amazon von alten
       Bonnier-Titeln weniger Exemplare als bisher – weshalb diese oft nicht
       vorrätig sind und Kunden länger warten müssen. Bücher der Bonnier-Gruppe
       fehlen zudem in den Empfehlungen („Kunden, die diesen Artikel gekauft
       haben, kauften auch …“). Richtig schmerzhaft würden die
       Amazon-Lieferrestriktionen, wenn sie auf Neuheiten ausgedehnt werden, weil
       die Verlage vor allem damit Geld verdienen.
       
       ## Stark, aber nicht dominant
       
       Missbraucht Amazon damit aber wirklich eine marktbeherrschende Stellung?
       Oder handelt es sich nur um ruppige Verhandlungen, wie es sie überall gibt?
       Der Börsenverein sieht jedenfalls das Kartellrecht verletzt und spricht von
       „erpresserischem Vorgehen“.
       
       Die erste Frage lautet: Hat Amazon überhaupt eine marktbeherrschende
       Stellung? Im Markt der E-Books hat Amazon einen Anteil von 41 Prozent, ist
       also stark, aber nicht dominant.
       
       Der Börsenverein argumentiert jedoch, Amazon nutze seine starke Stellung im
       Onlinehandel mit gedruckten Büchern, um Vorteile im E-Book-Markt zu
       erzielen. Im Onlinebuchhandel hat Amazon einen Marktanteil von rund 70
       Prozent. Allerdings macht der Onlinehandel nur 16 Prozent des deutschen
       Buchhandels aus. Das Kartellamt wird aufgrund der bloßen Zahlen wohl keine
       marktbeherrschende Stellung von Amazon annehmen. Man muss seine Bücher ja
       nicht online kaufen.
       
       Der Börsenverein argumentiert deshalb auch qualitativ: Die Verlage könnten
       schon deshalb nicht auf das Onlinekaufhaus verzichten, weil viele Kunden
       das Amazon-Angebot als „eine Art Katalog“ der lieferbaren Bücher benutzen.
       „Wer nicht auf Amazon gelistet wird, der existiert aus Lesersicht gleichsam
       nicht“, heißt es in der Beschwerdeschrift. Vermutlich wird es solche Kunden
       geben, die Regel dürften sie aber wohl noch nicht sein. Eine
       Marktbeherrschung lässt sich so wohl nur schwer konstruieren.
       
       Auch die zweite Frage, ob Amazon gegenüber Bonnier seine starke Stellung
       „missbraucht“, ist nicht so eindeutig zu bejahen. Amazon fordert einen
       größeren Handelsrabatt bei E-Books. Ist das ein Vorteil „ohne sachlich
       gerechtfertigten Grund“?
       
       ## Hart zu verhandeln ist nicht unbedingt verboten
       
       Es ist jedenfalls nicht generell verboten, in Verhandlungen Druck
       auszuüben, um seine Position zu verbessern. Wenn man Verluste schreibt, wie
       Amazon derzeit, liegt es sogar nahe, auf bessere Konditionen zu drängen.
       
       Rechtlich erfolgversprechend ist die Beschwerde derzeit also nicht. Der
       Gang zum Bundeskartellamt war eher eine gelungene Marketingmaßnahme des
       Verlagsgewerbes, um die Öffentlichkeit auf die eigene Seite zu ziehen und
       Amazon ins moralische Unrecht zu setzen.
       
       Dass das Kartellamt die Beschwerde des Börsenvereins erstmal liegen ließ,
       hat jedoch einen anderen Grund. Schon vor der Eingabe hat die EU-Kommission
       – wohl aufgrund von Medienberichten – Vorermittlungen aufgenommen. Sie
       prüft, ob hier ein grenzüberschreitendes Wettbewerbsproblem vorliegt. Damit
       ist das deutsche Kartellamt derzeit gar nicht zuständig.
       
       Wahrscheinlich werden Amazon und die Verlage am Ende einen Kompromiss
       finden. Vielleicht sogar einen Kompromiss zulasten Dritter, das heißt auf
       Kosten der Autorenhonorare. Wenn’s ums Geld geht, können auch Verlage
       ruppig werden.
       
       Das Schauspiel „Verlage gegen Amazon“ werden wir aber noch öfters zu sehen
       bekommen – insbesondere wenn Amazon dazu übergeht, immer mehr eigene
       E-Books herauszubringen. Schon jetzt ködert der Händler Autoren mit
       günstigen Konditionen.
       
       Die Bewahrung der Verlagsvielfalt könnte dann eine Aufgabe für den
       Gesetzgeber werden – so wie die gesetzliche Buchpreisbindung den Buchhandel
       vor ruinösem Wettbewerb schützen soll. Mit der Dramatisierung von
       Konflikten wie derzeit wird die Politik schon frühzeitig auf entsprechende
       Forderungen vorbereitet.
       
       21 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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