# taz.de -- Krise der Drehbuchautoren: Endlich Freiheit
> Wenig Spielraum, wenig Anerkennung: Deutsche Drehbuchautoren haben es
> schwer. Viele veröffentlichen nun Romane. So wie Orkun Ertener.
IMG Bild: Der Mann hinter Serien wie „KDD“: Orkun Ertener
Im hiesigen Kulturbetrieb ist der Name Orkun Ertener bislang nicht
sonderlich bekannt. Er ist der Autor der TV-Serie „KDD –
Kriminaldauerdienst“, die immer wieder als Beispiel herangezogen wird, wenn
es um zeitgemäß-intelligente Serienunterhaltung aus Deutschland geht.
„KDD“ lief 2007 bis 2009 auf dem traditionellen ZDF-Sendeplatz am
Freitagabend, war dort aber weniger erfolgreich als die Oldtimer „Der Alte“
oder „Ein Fall für zwei“. Vermutlich fühlte sich die Zielgruppe mit der
düster-komplexen Erzählweise von „KDD“ unwohl. Die Serie wurde zwar mit dem
Grimmepreis gekrönt – trotzdem war nach der dritten Staffel Schluss.
Ertener ist seit zwanzig Jahren einer der bekanntesten Fernsehautoren in
Deutschland, der Münchner „Tatort – … und die Musi spielt dazu“ war 1994
sein Einstieg, er erfand die Figur des türkischstämmigen Kriminalkommissars
„Sinan Toprak“ der gleichnamigen RTL-Serie. Nun veröffentlicht er mit
„Lebt“ seinen ersten Roman, für den er sich gut zwei Jahre zurückgezogen
hatte. Er habe damit ein „Lebensziel“ erreicht, sagt Ertener.
Anders als US-Kollegen wie Nic Pizzolatto, Schöpfer der TV-Serie „True
Detective“, dessen Roman „Galveston“ gerade auch in Deutschland
veröffentlicht wurde, scheinen sich deutsche TV-Autoren ihre künstlerische
Anerkennung und Freiheit durch Literaturveröffentlichungen abseits ihrer
Fernseharbeit erkämpfen zu müssen. Im Frühjahr hatte „Tatort“- und „Bella
Block“-Autor André Georgi mit seinem Politthriller „Tribunal“ gezeigt, was
er abseits des Krimi-Formats für den Fernsehbildschirm erschaffen könnte,
wenn man ihn ließe.
## „Primat der Regisseure“
Auch Ertener nutzt die neue künstlerische Freiheit auf über sechshundert
Seiten voll aus und entfaltet, nach einem etwas zu detailfreudigen ersten
Drittel, einen actionreichen Thriller um die Identitätssuche des
Ghostwriters Can Evinman, die ihn mit den europäischen Umwälzungen im Zuge
des Zweiten Weltkriegs konfrontiert.
Dieses historische Tableau verknüpft Ertener mit einem unbeleuchteten
Kapitel der jüdisch-muslimischen Geschichte im griechischen Saloniki. „Ich
wäre gar nicht auf die Idee gekommen, das als Fernseh- oder Filmstoff
machen zu wollen“, sagt der Autor – weiß aber auch selbst, dass er mit dem
ambitionierten Thema bei den deutschen Sendern nicht weit gekommen wäre.
Wie viele seiner Kollegen sieht auch Ertener als Autor einen qualitativen
Unterschied in der Zusammenarbeit mit Verlagen im Vergleich zu
TV-Produktionen: „ein größerer Respekt, eine größere Aufmerksamkeit, eine
größere Wertschätzung.“ In Ländern mit herausragenden Serienproduktionen
wie den USA, Großbritannien oder Skandinavien herrsche „das Primat der
Autoren“, während in Deutschland immer noch „das Primat des Regisseurs“
vorherrsche.
Ob er sich in Zukunft lieber der Prosa zuwenden will, lässt er offen:
„Derzeit scheint es hier tatsächlich eine kleine Aufbruchsstimmung zu
geben. Eine ganze Reihe von Menschen sind guter Dinge, dass dort mehr
möglich sein könnte – auch aufgrund der neuen Pay-TV-Sender, die langsam
Serien bestellen und mitfinanzieren.“
22 Aug 2014
## AUTOREN
DIR Jens Mayer
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