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       # taz.de -- Rost im Atommülllager Brunsbüttel: Spüli und Cäsium 137
       
       > Im Atommülllager in Brunsbüttel wurden weitere rostige Fässer entdeckt.
       > Umweltminister Habeck fordert die Überprüfung anderer Zwischenlager.
       
   IMG Bild: Auf der Suche nach Rost: Mit ferngesteuerten Kameras werden die in Kavernen lagernden Fässer untersucht
       
       BRUNSBÜTTEL taz | Korrodiertes Metall und eine schlierige Brühe zwischen
       von Rost zerfressenen Fässern – diese Bilder einer Spezialkamera, mit der
       Prüfer ein unterirdisches Atommülllager auf dem Gelände des Atomkraftwerks
       Brunsbüttel untersuchten, lassen Befürchtungen wahr werden: Aus mehreren
       der Behälter, die seit den 80er-Jahren in einer unterirdischen Kaverne
       gelagert werden, tritt Flüssigkeit aus.
       
       Bisher konnte nur eine kleine Probe genommen werden – die Strahlung in den
       Kavernen ist hoch, außerdem sind die unterirdischen Räume so vollgestopft
       mit Müllbehältern, dass sie kaum betretbar sind.
       
       Gefunden wurde ein Gemisch aus Wasser, Spülmittel und Cäsium 137, einem
       Abfallstoff des Kraftwerksbetriebs. Laut allen Messungen sei keine
       Strahlung in die Umwelt jenseits der mit Blei, Beton und Stahl gesicherten
       Kavernen gedrungen, sagte Schleswig-Holsteins Umwelt- und Energieminister
       Robert Habeck (Grüne). „Dennoch verbietet der Zustand jedes weitere
       Warten.“ Kraftwerkbetreiber Vattenfall sei nun in der Pflicht, „mit ihren
       besten Leuten und mit hohem Tempo“ die maroden Fässer zu bergen und zu
       sichern.
       
       Habeck forderte die anderen Bundesländer und den Bund auf, die Situation in
       den anderen Zwischenlagern zu prüfen: „Die Gesellschaft hat jahrelang
       systematisch die Gefahren der Atomenergie unterschätzt“, sagte er. „Aber
       schuldhaft wird es, wenn ein Problem bekannt ist und man nichts macht. An
       diesem Punkt sind wir jetzt.“
       
       Die ersten Rostfässer in Brunsbüttel wurden 2012 noch unter der
       schwarz-gelben Landesregierung entdeckt. Der damals zuständige Minister
       Emil Schmalfuß (parteilos) forderte von Vattenfall ein Bergungskonzept und
       informierte auch das Bundesumweltministerium. Passiert ist seither wenig.
       
       ## „Atomleichen im Keller des AKW Brunsbüttel“
       
       Zwar seien im März 2012 alle Länder um Berichte gebeten worden, aber „über
       mit dem Kraftwerk Brunsbüttel vergleichbare Schäden an Fässern mit
       radioaktiven Abfällen wurde bislang nicht berichtet“, so eine Sprecherin
       des Ministeriums auf Anfrage. Kavernen-Konstruktionen wie in Brunsbüttel
       gebe es nur in den Siedewasserreaktoren der so genannten 69er Baulinie.
       Neben Brunsbüttel gehören dazu Krümmel, Isar Block 1 und Philippsburg Block
       1.
       
       Aber auch bei anderen Lagerarten können die Behälter rosten oder brüchig
       werden. So fand Niedersachsen ein beschädigtes Fass im Zwischenlager Leese.
       „Es wurde inzwischen geborgen und steht in einem sicheren Behälter“, sagt
       Inka Burow vom Umweltministerium in Hannover. Die Landesregierung sei am
       Thema dran. Denn es sei „nicht auszuschließen, dass weitere Altfässer
       korrodieren“, sagte niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne).
       Geprüft wird zurzeit eine neue Halle für die Altfässer.
       
       Auch für die „Atomleichen im Keller des AKW Brunsbüttel“, wie es der
       SSW-Abgeordnete Flemming Meyer gestern nannte, muss eine Zwischenlösung
       her. Denn die insgesamt 631 Behälter für schwach- bis mittelradioaktiven
       Müll, die in den sechs Kavernen lagern, sollen in die Endlagerstätte
       Schacht Konrad gebracht werden, die aber noch nicht bereit ist. Bis Ende
       September soll Vattenfall Pläne für die Zwischenzeit vorlegen.
       
       Der Schaden trat vermutlich auf, weil der giftige Müll zu feucht in die
       Stahlfässer gelegt wurde. Das Verfahren sei damals üblich gewesen,
       versicherten Vertreter der Atomaufsicht. Betreiber und damit verantwortlich
       waren in den 80er-Jahren die Hamburger Elektrizitätswerke (HEW), ein
       Tochterunternehmen der Stadt.
       
       Schadensersatz könnte aber höchstens Vattenfall von Hamburg verlangen,
       Habeck zumindest wird sich in der Sache nicht an den Nachbarn wenden: „Ich
       glaube nicht, dass Olaf Scholz mir helfen kann, das Problem zu lösen“,
       sagte Habeck. „Mein Gesprächspartner ist Vattenfall.“ In früheren Jahren
       gab es massive Kritik an dem Konzern, der zu spät Gefahren meldete. Zurzeit
       laufe die Zusammenarbeit, sagte Habeck.
       
       Die Bilder aus den Kavernen zeigten aber deutlich, dass die Gefahren und
       die Dauer der Zwischenlagerung stets unterschätzt wurden. „Man hat sich
       offenbar gesagt, aus den Augen, aus dem Sinn“, sagte Habeck. „Man fragt
       sich schon, wie so etwas sein kann.“ Es werde eine Endlagerstätte für stark
       radioaktives Material gesucht, „die eine Million Jahre halten soll, und man
       schafft es nicht einmal, schwach radioaktiven Müll für 30 Jahre sicher zu
       bewahren“.
       
       20 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geisslinger
       
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