# taz.de -- Digitale Agenda vorgestellt: Regierung surft sich langsam vor
> Gleich drei Minister präsentieren ihre „Digitale Agenda“. Sie versprechen
> ein schnelleres Internet und mehr Sicherheit. Experten sind enttäuscht.
IMG Bild: Sigmar Gabriel präsentiert einen Internetausdruck (mutmaßlich Breitband)
BERLIN taz | Das 36-seitige Papier prophezeit Gewaltiges. Das „digitale
Wachstumsland Nr. 1 in Europa“ solle Deutschland werden. „Leitanbieter“
intelligenter Produktion. Mehr noch: auch globaler Spitzenreiter beim
Verschlüsseln und „einer der sichersten digitalen Standorte weltweit“.
Monatelang haben gleich drei Kabinettsgrößen an der [1][„Digitalen Agenda“
der Regierung] gefeilt: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD),
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Infrastrukturminister Alexander
Dobrindt (CSU). Am Mittwoch nun beschloss das Kabinett ihre
Internet-Roadmap.
Bei der anschließenden Vorstellung gab sich das Dreigespann indes
kleinlaut. Das Papier sei nur „ein Startpunkt“, stellte de Maizière fest.
Ein „Hausaufgabenheft“, sekundierte Dobrindt.
Das Trio versuchte so, der Kritik vorzugreifen. Denn die Agenda ist zwar
ein erster konzertierter Aufschlag der Regierung in der Netzpolitik – aber
auch ein reichlich später. Und die 36 Seiten preisen zwar die
Digitalwirtschaft, die heute in Deutschland 900.000 Menschen beschäftige
und 85 Milliarden Euro jährlich umsetze. Wie aber konkret all die
Spitzenplätze erobert werden sollen, lässt sie offen.
## Digitales Bürgerkonto
Von einem „flächendeckenden“ Ausbau schnellen Internets bis 2018 ist
immerhin die Rede, mit Breitbandraten von 50 Megabits pro Sekunde. Derzeit
sind erst 64 Prozent der Haushalte mit Breitband versorgt – auf dem Land
nur jeder Fünfte. Zudem soll die Zahl der Start-ups von 10.000 auf 15.000
gesteigert und das WLAN-Netz ausgebaut werden. Jeder Einwohner soll ein
digitales „Bürgerkonto“ erhalten, das Ämtergänge erspart. Zudem soll die
Haftung für WLAN-Anbieter eingeschränkt, die Netzneutralität gesetzlich
festgeschrieben und sollen verschlüsselten De-Mails „flächendeckend“
eingeführt werden.
De Maizière verwies auch auf sein neues IT-Sicherheitsgesetz, mit dem
Firmen nun Cyberangriffe melden müssen. Das BKA und der Verfassungsschutz
bekommen 134 Extrastellen und neue „Analysewerkzeuge“, um Attacken
aufspüren zu können. Eine Maßnahme, die der Linken-Innenexperte Jan Korte
angesichts der jüngsten Spähaffären „absurdes Theater“ nannte.
## Zahlen kommen später
Kritiker fragen sich auch, wie all die neuen Pläne finanziert werden
sollen. Die Telekom legte für den bundesweiten Breitbandausbau schon mal
eine Rechnung vor: 25 Milliarden Euro brauchte es dafür. Dobrindt zog die
Kosten in Zweifel und kündigte für Oktober genauere Zahlen an. Auch will er
den Ausbau mit Erlösen aus dem Verkauf von Mobilfunkfrequenzen im kommenden
Jahr finanzieren. Das dürfte aber kaum reichen.
Laut Gabriel können Dörfer auch über Mobilfunk mit Internet versorgt
werden. Die Agenda sei im Übrigen kein „Subventionsprogramm“, stellte er
klar. Investitionen müssten vor allem von der Wirtschaft kommen.
Mehrere Verbände reagierten kritisch. „Die Regierung muss ihre
Anstrengungen deutlich verstärken“, sagte Gerd Landsberg, Geschäftsführer
des Städte- und Gemeindetags. Für schnelles Internet auch auf dem Land
seien „zusätzliche staatliche Mittel“ unverzichtbar. Auch der Bundesverband
der Industrie warnte vor bloßen Absichtserklärungen.
Markus Beckedahl vom Verein „Digitale Gesellschaft“ nannte die Agenda „sehr
unterambitioniert“. „Außer vielen Konjunktiven steht da kaum etwas drin“,
so der Netzexperte. „Selbst in ihrem Koalitionsvertrag waren Union und SPD
konkreter.“
20 Aug 2014
## LINKS
DIR [1] http://www.digitale-agenda.de/DA/Navigation/DE/Home/home.html
## AUTOREN
DIR Konrad Litschko
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