URI: 
       # taz.de -- Konflikt in der Ukraine: Faschisten an vorderster Front
       
       > Im Donbass kämpfen in der Armee Einheiten des Rechten Sektors. Sie sind
       > die bevorzugten Gegner der nicht weniger rechten Russischen Volkseinheit.
       
   IMG Bild: Prorussischer Kämpfer an einem Checkpoint bei Donezk.
       
       BERLIN taz | Die Drohung von Dmitri Jarosch, dem Chef des Rechten Sektors,
       hatte gewirkt. Entweder werde die Regierung in Kiew den Forderungen des
       Rechten Sektors entgegenkommen, so Jarosch in der vergangenen Woche, oder
       man werde die im Donbass kämpfenden Kräfte des Rechten Sektors abziehen und
       sie direkt nach Kiew marschieren lassen.
       
       Zufrieden sagte Jarosch wenig später den angedrohten Marsch nach Kiew ab.
       Die Regierung sei seinen Forderungen nach Freilassung der
       Gesinnungsgenossen und nach Säuberung des Innenministeriums von
       „antiukrainischen Kräften“ zumindest teilweise nachgekommen.
       
       Während der Krieg um den Donbass weiter tobt, ist der Machtkampf für die
       Zeit danach bereits entbrannt. Rechtsextreme Kräfte, wie die Partei Swoboda
       und der Rechte Sektor, die bei den Präsidentschaftswahlen mit 1,1
       beziehungsweise 0,7 Prozent der Stimmen eine empfindliche Niederlage hatten
       einstecken müssen, bauen ihre Position in den Machtstrukturen von Militär
       und Politik weiter aus.
       
       „Diese Organisation wird vom Verteidigungsministerium nicht kontrolliert“,
       hatte die ukrainische Militärstaatsanwaltschaft noch Mitte des Monats nach
       Angaben der ukrainischen Tageszeitung vesti.ua über den Rechten Sektor
       verlauten lassen. Im Kampfgebiet hielten sich die Kämpfer des Rechten
       Sektors nicht als Soldaten, sondern als Patrioten auf, so die
       Militärstaatsanwaltschaft.
       
       Inzwischen scheinen die im Donbass kämpfenden Einheiten des Rechten Sektors
       erreicht zu haben, was sie wollen. Am Dienstag berichtete vesti.ua unter
       Berufung auf den Berater des ukrainischen Innenministers, Anton
       Geraschtschenko, man habe mit dem Rechten Sektor eine Legalisierung seiner
       Kämpfer vereinbart. Damit dürfte einer Integration der Kräfte des Rechten
       Sektors in die Streitkräfte des Innenministeriums nichts mehr im Wege
       stehen. Bereits im Juni hatte das Innenministerium eine Einheit gegründet,
       in der fast ausschließlich Mitglieder der rechtsextremen Swoboda-Partei
       ihren Dienst leisten.
       
       ## Rechte gegen Rechte
       
       Wer nach dem miserablen Wahlergebnis von Dmitri Jarosch bei den
       Präsidentschaftswahlen geglaubt hatte, der geschlagene Kandidat werde nun
       seine Ambitionen begraben, wird sich wohl eines Besseren belehren lassen
       müssen. Jarosch, der inzwischen sein Hauptquartier in der ostukrainischen
       Metropole Dnepropetrowsk aufgeschlagen hat, erfreut sich bester Beziehungen
       zum Gouverneur und Oligarchen von Dnepropetrowsk, Igor Kolomojskij. Und
       dieser wird immer mehr als potenzieller Gegenspieler von Präsident Petro
       Poroschenko gehandelt.
       
       Als ein Bus des Rechten Sektors am 13. August nahe der Ortschaft Ilowaijsk
       in einen Hinterhalt von Aufständischen der „Volksrepublik Donezk“ geriet,
       kamen 12 Angehörige des Rechten Sektors sofort ums Leben. 13 von ihnen
       wurden gefangenen genommen. Auch ihnen droht der Tod.
       
       Ironischerweise sind es auf Seiten der Volksrepublik Donezk vor allem
       Kämpfende der rechtsextremen Russischen Volkseinheit, die sich auf Kämpfe
       mit dem Rechten Sektor spezialisiert haben. Diese seien für ihr grausames
       Vorgehen gegenüber dem Rechten Sektor berüchtigt, berichtet vesti.ua unter
       Berufung auf Quellen in Kiew und der Volksrepublik Donezk. Ausgerechnet die
       weiß-gelb-schwarze Fahne des zaristischen Imperiums, Symbol der russischen
       Rechtsradikalen, soll die Fahne der „Union der Volksrepubliken von
       Novorussia“, wie sich die Vereinigung der Volksrepubliken von Lugansk und
       Donezk nennt, werden.
       
       ## Antisemitische Untertöne
       
       Kritik an dieser Entscheidung kommt vor allem von der
       marxistisch-leninistischen Borotba-Organisation. Es könne doch nicht sein,
       so Borotba, dass man ausgerechnet die reaktionäre imperiale Flagge der
       Zarendynastie als gemeinsames Symbol im Kampf gegen Neofaschisten und
       Oligarchen nutzen wolle.
       
       Die Gruppe Borotba, die sich für „Novorussia“ die Symbolik der Sowjetunion
       wünscht, wird sich mit ihrer Kritik kaum gegen die vom russischen
       Nationalismus geprägte Führung der Volksrepubliken durchsetzen können. Dort
       setzt man trotz aller antifaschistischer Rhetorik auf nationale Werte.
       Antisemitische Untertöne sind bei Vertretern der Volksrepubliken des
       Donbass keine Seltenheit. Schließlich, so eine dort weit verbreitete
       Auffassung, seien die meisten ukrainischen Oligarchen und Politiker Juden,
       denen das Schicksal des Landes ziemlich gleichgültig sei.
       
       20 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
       ## TAGS
       
   DIR Rechter Sektor
   DIR Donbass
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Nationalismus
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Ukraine
   DIR Ukraine
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Petro Poroschenko
   DIR Russland
   DIR Russland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Essay Nationalismus in Europa: Nach der Kälte
       
       Bis 1989 waren Europas nationale Leidenschaften tiefgefroren. Nun ist der
       Nationalismus zurück, in der Ukraine zeigt er sich doppeldeutig.
       
   DIR Ukrainisch-russisches Grenzgebiet: Das dumpfe Echo des Krieges
       
       In Südrussland geht es beschaulicher zu als im fernen Moskau – oder im
       nahen Donezk. An der Ukraine-Politik des Kreml zweifelt hier kaum jemand.
       
   DIR Kommentar Merkel in Kiew: Militärisch nicht lösbar
       
       Merkel steht zur ukrainischen Regierung. Sie will sich für eine Lösung des
       Konfliktes einsetzen. Dafür muss sich Putin bewegen.
       
   DIR Krise in der Ukraine: Klimkin fordert „Marshall-Plan“
       
       Der ukrainische Außenminister hat den Westen gebeten, sein Land stärker zu
       unterstützen. Die Separatisten berichten vom Abschuss mehrerer
       Militärmaschinen.
       
   DIR Erneut heftige Kämpfe in der Ost-Ukraine: Ständiger Artilleriebeschuss
       
       Bei heftigen Gefechten im Osten der Ukraine sind neun Soldaten getötet
       worden. Zudem starben laut den Behörden in Kiew 34 Zivilisten in der Region
       Donezk.
       
   DIR Kommentar Ukraine-Reise der Kanzlerin: Frau Merkel, übernehmen Sie!
       
       Wenn die Kanzlerin bei ihrer Reise in die Ukraine etwas erreichen will,
       dann muss sie Klartext reden. Und zwar bei der Kiewer Regierung.
       
   DIR Bewegung im Ukraine-Konflikt: Die Präsidenten treffen sich
       
       In Minsk wird es in einer Woche zur ersten Begegnung von Putin und
       Poroschenko seit Anfang Juni kommen. Noch davor reist Angela Merkel zu
       Gesprächen nach Kiew.
       
   DIR Verhandlungen zur Ukraine-Krise in Berlin: Steinmeier bleibt optimistisch
       
       Bisher sind alle Gespräche für einen Waffenstillstand in der Ostukraine
       ergebnislos verlaufen. Der deutsche Außenminister ist weiterhin um eine
       Lösung bemüht.
       
   DIR Krieg in der Ostukraine: Berliner Krisentreffen ohne Ergebnisse
       
       Die Gespräche zwischen den Außenministern Russlands, der Ukraine,
       Deutschlands und Frankreich brachten keinen Durchbruch. Derweil toben
       heftige Kämpfe in Lugansk.