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       # taz.de -- Beste Schachspielerin tritt ab: Das machbare Genie
       
       > Judit Polgar, die beste Schachspielerin der letzten Jahre, tritt zurück.
       > Im norwegischen Tromsö zeigte sie zuvor noch einmal ihr Können.
       
   IMG Bild: Es gibt ein Leben nach dem Schach: Judit Polgar (Archivbild aus dem Jahr 2008).
       
       Zum letzten Mal hat Judit Polgar der Macho-Welt mit den kleinen Figuren
       gezeigt, was ein Matt ist. Bei der Schach-Olympiade im norwegischen Tromsö
       ging die 38-Jährige nicht nur als einzige Frau im Männerwettbewerb für ein
       Spitzenteam an den Start – mit vier Siegen, einem Remis und einer
       Niederlage trug die Ungarin zur Silbermedaille hinter Überraschungssieger
       China (19:3 Punkte) und vor Indien und Top-Favorit Russland (alle 17:5)
       bei.
       
       Ein Vierteljahrhundert stand Polgar einsam und ununterbrochen an der Spitze
       der Frauen-Weltrangliste. Nun tritt die beste Schachspielerin nach ihrem
       letzten großen Erfolg in Tromsö ab. „Ich will mich mehr meiner Familie und
       meinem Kinderschach-Förderprogramm an ungarischen Schulen widmen, das in
       den Lehrplan aufgenommen wurde“, begründet die mit einem Mediziner
       verheiratete Mutter zweier Kinder den unerwarteten Schritt.
       
       Mit dem Programm wandelt sie auf den Spuren ihrer Eltern Laszlo und Klara
       Polgar, die beweisen wollten, dass „Genies machbar“ sind. Die beiden
       Pädagogen wählten den Denksport, weil diese Leistungen objektiv gemessen
       werden können.
       
       Mit fünf soll Judit einmal dem Schachbrett den Rücken gekehrt und einen
       Freund der Familie ohne Ansicht der 32 Figuren geschlagen haben. Und als
       dieser witzelte: „Du bist schon gut im Schach, aber ich bin ein guter
       Koch“, antwortete das Wunderkind angeblich schlagfertig: „Kannst du auch
       kochen, ohne den Herd zu sehen?“
       
       Mit zwölf Jahren gewann sie mit ihren Schwestern Zsuzsa und Sofia 1988 die
       Schach-Olympiade und wurde Weltranglistenerste. Nach dem zweiten Titel als
       Mannschaftsweltmeisterin 1990 für Ungarn nahm sie nie mehr an
       Frauenwettbewerben teil. „Ich habe Schach stets als einen Sport für alle,
       unabhängig vom Geschlecht, betrachtet. Deshalb bestand mein Ziel darin,
       einfach besser zu werden. Das ist der Grund, warum ich solch einen riesigen
       Rating-Vorsprung bei den Frauen errang“, erklärt Judit Polgar.
       
       ## Mit 15 Jahren „jüngster Herren-Großmeister“
       
       Mit 15 Jahren und vier Monaten unterbot das Mädchen den vermeintlichen
       Rekord für die Ewigkeit von US-Legende Bobby Fischer. Sie wurde mit 15
       Jahren und sechs Monaten „jüngster Herren-Großmeister“.
       
       Die Erfüllung des Traums, Weltmeister der Männer zu werden, blieb ihr
       allerdings verwehrt, obwohl sie selbst die männliche Nummer eins, Garri
       Kasparow, in ihrer Hochzeit schlagen konnte. Mehrere Jahre stand die
       Budapesterin in den Top Ten der Herren, meist auf Platz acht. „Ich war
       wirklich glücklich darüber. In meinem besten Jahr anno 2003 fühlte ich mich
       sehr stark“, erinnert sich die 38-Jährige gern zurück.
       
       „Judit ist die stärkste Frau aller Zeiten! Womöglich wird es nie mehr eine
       geben, die so stark spielt“, meint der deutsche Spitzenspieler Arkadij
       Naiditsch, der bei der Olympiade in Norwegen den einheimischen Weltmeister
       Magnus Carlsen schlagen konnte. Der Baden-Badener weiß, dass Polgar sich in
       der Männerwelt „als einzige Frau großen Respekt verschafft hat“. Auch weil
       sie wie er einen kompromisslosen Angriffsstil pflegt. Also bedauert
       Naiditsch zusammen mit zahllosen Fans ihren Rückzug: „Schade, dass sie
       aufhört.“
       
       Vor ihrem Abschied rutschte Judit Polgar angesichts weniger
       Turnierteilnahmen bei den Herren auf Rang 64 ab. Ihre potenzielle
       Nachfolgerin, Hou Yifan, die mit Platz 87 in diesem Jahr ebenso in die Top
       100 aufrückte, dürfte ihre Nachfolgerin werden, meinen Polgar und Naiditsch
       unisono. Letzterer stellt jedoch klar: „Aber sich wie Judit ein
       Vierteljahrhundert an der Spitze zu halten, das gelingt der Chinesin
       nicht.“ Die Spekulationen über ein lukratives Match zwischen der
       20-jährigen Weltmeisterin Hou Yifan und der Dauer-Weltranglistenersten
       Judit Polgar haben sich nun ohnehin erübrigt.
       
       20 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hartmut Metz
       
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