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       # taz.de -- Rüstungshilfe für Kurden: Bundesregierung will Waffen liefern
       
       > Die Kurden im Nordirak können bei ihrem Kampf gegen die IS-Extremisten
       > auf Waffen aus Deutschland hoffen. Um welche es sich handelt, ist noch
       > unklar.
       
   IMG Bild: Bundesaußenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen.
       
       BERLIN taz | Die Bundesregierung will den kurdischen Peschmerga-Milizen im
       Irak Waffen liefern. „Wir sind im Grundsatz dazu bereit, den Kämpfern im
       Rahmen unserer Möglichkeiten Waffen und Munition bereitzustellen“, sagte
       Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch während
       einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier
       (SPD).
       
       In den nächsten Tagen werde geprüft, welche Waffen die Kurden brauchen,
       welche davon die Bundeswehr in ihren Beständen habe und welche für den
       Einsatz im Nordirak zweckmäßig seien. Nach unbestätigten Meldungen könnten
       dazu Panzerabwehrraketen vom Typ Milan zählen. Unter Umständen könnten auch
       deutsche Militärausbilder entsandt werden. Die endgültige Entscheidung
       darüber soll laut von der Leyen „in etwa einer Woche fallen“. Auf den
       Zeitplan hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die
       zuständigen Minister zuvor am Rande der Kabinettssitzung geeinigt.
       
       Innerhalb weniger Tage hat die Bundesregierung somit eine Kehrtwende
       vollzogen. In der vorigen Woche hatte Merkels Sprecher Steffen Seibert noch
       erklärt, die Regierung weiche von ihrem Grundsatz nicht ab: Keine
       Waffenlieferungen in Kriegsgebiete. Nach immer neuen Meldungen über die
       Verbrechen der Dschihadistentruppe Islamischer Staat (IS) im Irak und den
       Entscheidungen mehrerer EU-Staaten, den Kurden Ausrüstung zu liefern,
       hatten zunächst Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), dann weitere
       Kabinettsmitglieder und schließlich Merkel selbst eingelenkt: Deutsche
       Waffenlieferungen schlossen sie schon in den letzten Tagen nicht mehr
       kategorisch aus.
       
       Auch das Parlament bereiteten die Minister bereits auf ihre Entscheidung
       vor. In Sondersitzungen des Verteidigungs- und des Außenausschusses des
       Bundestags hatten Steinmeier und von der Leyen am Montag über die Situation
       im Irak informiert. Dort konnten die kurdischen Truppen und die irakische
       Armee die Kämpfer der IS zuletzt zurückdrängen. Mit Unterstützung durch
       US-Luftangriffe vertrieben sie die Islamisten von einem strategisch
       wichtigen Staudamm in der Nähe von Mossul.
       
       Trotzdem kontrolliert die IS noch immer weite Teile des Landes und verfügt
       nach gewonnenen Kämpfen gegen die irakische Armee über moderne Waffen, die
       die USA einst der Regierung in Bagdad überlassen hatten.
       
       „An Brutalität, aber auch an technologischer Ausrüstung“ sei die IS den
       kurdischen Peschmerga überlegen, schrieb Steinmeier am Mittwoch in einem
       Brief an die Abgeordneten der SPD, in dem er um Rückhalt für deutsche
       Waffenlieferungen warb. Die Kurden in der Region seien derzeit "das
       wichtigste Bollwerk" gegen die Islamisten. Wer vorschnell ablehne, ihnen
       Kriegsgerät zur Verfügung zu stellen, mache es sich deshalb zu leicht.
       
       Gemeint sind damit auch Politiker seiner eigenen Partei wie SPD-Vize Ralf
       Stegner. „Heute liefern wir Waffen, morgen sind wir erstaunt, dass damit
       unschuldige Menschen getötet werden“, hatte dieser erst am Mittwoch in
       einem Gastbeitrag für die taz geschrieben. Umstritten sind die
       Waffenlieferungen auch quer durch die Bundestagsfraktionen. Über die Sache
       abstimmen dürfen die Abgeordneten aber vermutlich nicht. Regierungssprecher
       Seibert sagte, die Regierung werde das Parlament über die Lieferungen
       lediglich informieren.
       
       Das sorgt sogar in den eigenen Reihen für Unmut. Entwicklungsminister Gerd
       Müller (CSU) sagte im ZDF-Morgenmagazin: „Ich glaube, das geht nicht am
       Parlament vorbei.“ Auch die Opposition fordert eine Abstimmung im
       Bundestag. Waffenlieferungen an kämpfende Gruppen stellten einen massiven
       Kurswechsel in der deutschen Außenpolitik dar, sagte Agnieszka Brugger,
       Obfrau der Grünen im Verteidigungsausschuss, der taz. „Eine Entscheidung
       mit dieser Tragweite sollte daher nicht allein von der Bundesregierung,
       sondern vom gesamten Parlament entschieden werden.“ Danach sieht es aktuell
       aber nicht aus. Stattdessen könnte das Kabinett in seiner Sitzung am
       kommenden Mittwoch den Daumen heben – und damit Flugzeuge mit deutschen
       Waffen in Richtung Irak schicken.
       
       20 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
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