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       # taz.de -- Polizei tötet erneut Afroamerikaner: Zwei Drinks, Kekse und ein Toter
       
       > Auch in der Nähe der Stadt Ferguson ist es zu einer tödlichen
       > Konfrontation gekommen. Ein Afroamerikaner wurde von der Polizei
       > erschossen.
       
   IMG Bild: Trotz des weiteren Toten blieb es in der Nacht zum Mittwoch zunächst bei weitestgehend friedlichen Protesten
       
       ST. LOUIS/FERGUSON taz/ap | Wegen zwei Energy-Drinks und einer Tüte Muffins
       ist am Dienstagmittag in Missouri erneut ein Mann von der Polizei
       erschossen worden. Der 23-jährige Afroamerikaner, den Nachbarn als Powell
       kannten, soll die Getränke und das Teegebäck gegen Mittag in dem Supermarkt
       Six Stars Market im Norden von St. Louis gestohlen und ein Messer gezückt
       haben.
       
       Anschließend führte er laute Selbstgespräche auf der Straße vor dem Laden.
       Als die Polizei kommt, ruft der deutlich verwirrte Mann den beiden Beamten
       zu: „Erschießt mich". Genau das geschieht. Beide Beamten schießen. Der Mann
       stirbt an Ort und Stelle.
       
       Er habe vor den Beamten mit dem Messer herumgefuchtelt und sich geweigert,
       die Waffe niederzulegen, teilt Polizeisprecher Ed Kuntz später mit. Als er
       auf sie losgegangen sei, hätten die Polizisten das Feuer eröffnet.
       
       „Das ist ein Überschwappen von Ferguson“, sagt ein junger Mann, der von der
       anderen Seite der Straßenkreuzung den Schauplatz im Norden von St. Louis
       betrachtet. Ferguson, wo zehn Tage zuvor der unbewaffnete Teenager Michael
       Brown von einem Polizisten erschossen worden ist, liegt eine halbe
       Autostunde entfernt. Der neue Tote soll wie viele junge Leute aus St. Louis
       in den vergangenen Tagen bei Demonstrationen in Ferguson gewesen sein.
       
       „Die Stimmung hier ist extrem angespannt“, sagt Bernard Maclin von seiner
       Straßenseite aus. Und fügt hinzu: „Ganz St. Louis hat den klaren Kopf
       verloren“. Alle seien wütend, die einen, weil der Todesschütze von Ferguson
       auch nach zehntägigen Demonstrationen immer noch frei und unbehelligt
       herumläuft, die anderen, weil sie sich durch die lauter werdende
       Polizeikritik in die Enge gedrängt fühlen. „Das ist eine extrem gefährliche
       Situation", sagt der junge Mann, „wir haben die komplette Polizei mit ihren
       Waffen gegen uns“.
       
       ## „Hände hoch – nicht schießen“
       
       Ein älterer Mann mischt sich ein. Juan Bradley-el hat als 17-Jähriger in
       Vietnam gekämpft und klagt, dass seine Leute Jahrzehnte später immer noch
       „im Ghetto" leben, während Leute „gegen die wir gekämpft haben" – darunter
       Afghanen – in die USA gekommen seien und Geschäfte eröffnet hätten.
       
       Die Schüsse von Ferguson nennt er „Mord“, weil der Polizist seine Pistole
       gegen einen Unbewaffneten gerichtet hat. „Sie killen seit Jahrhunderten den
       schwarzen Mann", fügt er wütend. Dann korrigiert er sich selbst und sagt,
       dass es nicht um Schwarz gegen Weiß gehe – vielmehr um „Polizeibrutalität“.
       
       Mehrere Dutzend Jugendliche versammeln sich am Dienstagnachmittag am
       Riverview Boulevard im Norden von St. Louis. Manche halten handgeschriebene
       Schilder hoch, auf denen sie auch den Slogan aus Ferguson zitieren: „Hands
       Up – Don't shoot".
       
       Eine alte Frau fällt in Ohnmacht und wird von der Feuerwehr abgeholt. Eine
       Anwohnerin von der anderen Straßenseite, die die neuen Polizeischüsse aus
       ihrem Fenster gesehen hat, sagt, dass „Schüsse in das Bein oder mit einer
       ElektroTazer-Pistole" gereicht hätten, um den verwirrten Mann außer Gefecht
       zu setzen. Ein Dutzend Beobachter von der Menschenrechtsorganisation
       Amnesty International, die noch am Vormittag in Ferguson waren, kommen an
       dem neuen Schauplatz in St. Louis vorbei.
       
       Später in der Nacht kommt es zu Festnahmen, nachdem vereinzelt
       Wasserflaschen aus Plastik aus der Menge in Richtung Polizei fliegen. Die
       Polizei ruft dazu auf, nach Hause zu gehen. Im Vergleich zum Montagabend
       aber bleibt es ruhig.
       
       Anders als sein Kollege in Ferguson gab der Polizeichef in St. Louis, Sam
       Dotson, noch am Dienstag eine Erklärung ab. Er beschrieb das Geschehen aus
       Perspektive der Polizisten, die geschossen haben. Er sprach schnell. Und
       zeigte zu keinem Moment Zweifel an der Notwendigkeit, einen verwirrten Mann
       wegen zwei Getränken und ein paar Keksen zu töten.
       
       Dieser Text wurde aktualisiert um 10.58.
       
       20 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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