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       # taz.de -- Russische Erdgaslieferungen nach Europa: Die Leitung bleibt auf, zu, auf, zu
       
       > Auch die Ukraine will Sanktionen gegen Russland verhängen. Dies könnte
       > Gaslieferungen nach Westeuropa gefährden.
       
   IMG Bild: Wie lange fließt noch was nach Westen?
       
       BERLIN taz | Nun plant auch die Ukraine Sanktionen gegen Russland. Das
       Parlament in Kiew hat in erster Lesung mit knapper Mehrheit ein
       entsprechendes Gesetz beschlossen. Noch in dieser Woche könnte es
       verabschiedet werden – Änderungen sind noch möglich.
       
       In der derzeit vorliegenden Form aber schafft Kiew die Voraussetzungen,
       russische Erdgaslieferungen nach Europa zu stoppen. Ob es so weit kommt,
       ist völlig offen.
       
       Andriy Kobolyev, Chef des staatlichen ukrainischen Erdöl- und Gaskonzerns
       Naftogaz, gab dem Wirtschaftsdienst Bloomberg dazu ein widersprüchliches
       Interview: Theoretisch wäre ein Stopp möglich, sagte er, um am Ende zu
       versichern, dass die Durchleitung nach Europa nicht gefährdet sei.
       
       Agenturberichten zufolge drohte Moskau umgehend mit Gegenmaßnahmen. „Das
       nahezu bankrotte Land würde bis zu 3 Milliarden US-Dollar Transitgebühren
       verlieren“, sagt zudem der Chef des Energieausschusses der russischen
       Staatsduma, Iwan Gratschjow. Die EU bezieht ein Viertel ihres
       Erdgasverbrauchs aus Russland, ein Teil davon gelangt durch ukrainische
       Pipelines in die EU.
       
       ## Erinnerungen an 2009
       
       Derzeit liefert Russland kein Gas mehr an die Ukraine, weil sich Kiew und
       Moskau über offene Gasrechnungen streiten. Trotzdem fließen die für andere
       Staaten bestimmten Mengen über die ukrainischen Pipelines nach Westen.
       Bereits im Januar 2009 eskalierte ein ähnlicher Gas-Zoff zwischen Russland
       und der Ukraine – damals stellte Kiew die Durchleitung in den Westen ein,
       mitten im Winter saßen in Bulgarien und auf dem Balkan Menschen in kalten
       Wohnungen.
       
       EU-Energiekommissar Günther Oettinger vermittelt in dem aktuellen Gasstreit
       zwischen beiden Staaten – und gab sich gelassen: „Wir sind zuversichtlich,
       dass die Ukraine ein zuverlässiger Transitpartner bleibt“, teilte Oettinger
       mit.
       
       Experten wie William Powell vom Energieinformationsdienst Platts glauben
       nicht, dass die Ukraine ohne Not der EU das Gas abdrehen wird. Der Preis
       für den Rohstoff bleibt trotz der aktuellen Krise stabil. „Trotzdem gibt es
       eine reale Gefahr, dass das Gas nicht mehr fließt“, ergänzt er. Etwa wenn
       im Winter in der Ukraine Gas fehlt, weil Russland noch nicht liefert. Oder
       weil im Zuge der Kämpfe in der Ostukraine Pipelines zerstört werden.
       
       Kurioserweise hat die Ukraine bereits eine Idee parat, wie die eigenen
       Sanktionen zu umgehen sind: indem Firmen aus der EU das Gas direkt an der
       ukrainisch-russischen Grenzen kaufen. Damit hätte die Ukraine keine
       Verträge mehr mit russischen Firmen – und Europa sein Gas. Momentan
       unterhält Kiew Transitverträge mit Russland, das sein Gas an europäische
       Partner verkauft, nachdem es die Ukraine durchquert hat.
       
       ## Auch andere Staaten betroffen
       
       Das Gesetz ermöglicht der Ukraine noch weitere Sanktionen: etwa Vermögen
       einzufrieren oder Geschäftsbeziehungen und Kapitalflüsse in das Ausland zu
       stoppen. Zudem können laut Gesetz staatliche Aufträge an ausländische
       Firmen verboten und der Luftraum für ausländische Flugzeuge gesperrt
       werden.
       
       Auch offizielle Besuche, Tagungen und Verhandlungen könnten unter die
       Sanktionen fallen. Oppositionelle Gruppen in Kiew fürchten, die Regierung
       könnte sie mit dem neuen Gesetz in die Illegalität treiben.
       
       Kommt das Gesetz, werden 65 Firmen und 172 Bürger Russlands und anderer
       Staaten sofort von den Sanktionen getroffen. Die richten sich gegen
       Russland, können aber auch gegen Bürger und Firmen anderer Staaten verhängt
       werden. Mit dem Gesetz kann der ukrainische Präsident auf Vorschlag des
       Geheimdienstes Sanktionen einleiten, ohne Zustimmung des Parlaments – und
       sich damit der demokratischen Kontrolle entziehen.
       
       12 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
   DIR Ingo Arzt
       
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