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       # taz.de -- Markt für Auszubildende: Junge Köche gesucht
       
       > 160.000 Azubi-Stellen sind laut Bundesagentur für Arbeit unbesetzt, viele
       > in der Gastronomie und in Hotels. Deren Image ist nicht das Beste.
       
   IMG Bild: Viele laufen der Gastronomie davon, er nicht: Jallel-Edine Zeroual, Sieger des Kellner-Rennens in Mainz 2014.
       
       BERLIN taz | Eine gute mittlere Reife sollte er oder sie vorweisen können,
       Umgangsformen besitzen, körperlich belastbar und flink in der
       Auffassungsgabe sein. Anforderungen, die erfüllbar sein dürften, für den
       oder die neue Auszubildende, die das Hotel Möhringer Hof in Stuttgart ab
       August einstellen möchte. Noch ist die Stelle aber nicht besetzt. „Es ist
       schwierig, es gibt niemanden auf dem Markt“, sagt die Betreiberin Birgit
       Wegener. Dabei suche man bereits seit Februar.
       
       So wie das Hotel Möhringer Hof suchen viele Betriebe noch Auszubildende.
       Rund 160.000 unbesetzte Stellen – mehr als je zuvor – meldet die
       Bundesagentur für Arbeit derzeit, obwohl das Ausbildungsjahr offiziell
       bereits seit 1. August begonnen hat. „Seit 2011 gibt es diese schwierige
       Lage auf dem Ausbildungsmarkt, und wir erwarten nicht, dass sich das in
       diesem Jahr ändert“, sagt Andreas Pieper vom Bundesinstitut für Berufliche
       Bildung.
       
       Eine Einschätzung, die auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag
       teilt: „Über alle Branchen hinweg berichten Betriebe zunehmend von
       Schwierigkeiten, Ausbildungsplätze zu besetzen“, sagt Ulrike Friedrich vom
       DIHK. Friedrich sieht zwei Hauptursachen: die Demografie und den Drang zum
       Abitur. Die Schülerzahlen gehen zurück, gleichzeitig entscheiden sich viele
       Schulabgänger für ein Studium. 2013 lag die Zahl der Studienanfänger
       erstmals höher als die der neuen Lehrlinge. „Das Potenzial an
       Auszubildenden wird kleiner“, sagt Friedrich. Die Politik müsse stärker für
       die duale Ausbildung als Alternative zum Studium werben.
       
       Dabei gibt es laut Statistik der Arbeitsagentur derzeit noch über 150.000
       unversorgte Bewerber. „Die Bewerber sind ja da“, sagt Pieper vom BiBB und
       spricht von „Passungsproblemen“. Das heißt, die Jugendlichen passen nicht
       zum Ausbildungsplatz und umgekehrt. „Die Betriebe bieten Plätze an, die die
       Jugendlichen so nicht mehr wollen.“
       
       Besonders schwer haben es Firmen im Einzelhandel und im Hotel- und
       Gaststättengewerbe. Für angehende VerkäuferInnen, KöchInnen und
       Hotelfachfrauen gibt es noch Zehntausende freie Stellen. In den Hotels und
       Gaststätten blieben zunehmend Ausbildungsstellen frei, bestätigt Sandra
       Warden vom Branchenverband Dehoga. Das Image der Dienstleistungsbranche sei
       nicht das Beste, dabei böten sich den jungen Leuten später tolle
       Jobmöglichkeiten. Klar, der Verdienst sei niedriger als in der Industrie.
       
       ## Lieber zu Daimler als ins Hotel
       
       Der Stuttgarter Jugendliche geht also lieber zu Daimler als ins Hotel. Eine
       angehende Hotelfachkraft bekommt laut Tarifvertrag zwischen 500 und 700
       Euro Ausbildungsvergütung bei einer 39-Stunden-Woche. Gearbeitet wird auch
       abends und am Wochenende.
       
       Die Arbeitszeiten seien aber nicht der eigentliche Grund, warum die
       Jugendlichen der Branche schlechte Noten gäben, meint Guido Zeitler von der
       Gewerkschaft Nahrung und Genussmittel (NGG). Sondern dass viele Überstunden
       schlicht nicht vergütet würden. Zudem sei nur ein Viertel der Betriebe
       tariflich gebunden, oft liegen die Ausbildungsvergütungen und -löhne also
       unter dem tariflich vereinbarten Niveau. „Viele Betriebe haben
       Auszubildende als billige Arbeitskräfte eingesetzt“, meint Zeitler. In
       anderen Branchen koste eine Ausbildung, im Hotel- und Gaststättengewerbe
       ließe sich mit einem Auszubildenden Geld sparen. Manche Betreiber hätten in
       der Vergangenheit bis zu 50 Prozent der Stellen mit Auszubildenden besetzt.
       
       Die Zeiten sind wohl vorbei. Stattdessen gehen die Hotels auf Bewerbersuche
       im Ausland. Das Hotel Möhringer Hof hat inzwischen mit Hilfe einer Agentur
       einen jungen Mann aus Indien angeworben. Er studierte Hotellerie in Mumbai
       und war anschließend für ein Jahr zum Praktikum in Stuttgart. Nun möchte
       ihn das Hotel für zwei Jahre als Trainee einstellen. Doch das Visum fehlt.
       „Ein ganz wunderbarer junger Mann. Wir hoffen, dass es noch klappt“, sagt
       Birgit Wegener.
       
       12 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Lehmann
       
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