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       # taz.de -- Gesundheitsfunktionär über Ebola: „Grenzschließung bringt nichts“
       
       > Xavier Crespin, Leiter der Westafrikanischen Gesundheitsorganisation,
       > fordert gegen Ebola Behandlung und Aufklärung statt Gerüchte und
       > Abschottung.
       
   IMG Bild: Hafenarbeiter in Freeport, Liberia: „Präventionsmaßnahmen sind viel wichtiger. Wenn sich jemand krank fühlt, sollte er sich beobachten lassen, anstatt zu reisen.“
       
       taz: Herr Crespin, warum ist es so schwierig, die Ebola-Epidemie in den
       Griff zu bekommen? 
       
       Xavier Crespin: Das Problem ist: Ebola ist zum erstem Mal in Westafrika
       aufgetreten. Bisher gab es nur Fälle in Zentral- und Ostafrika. Für das
       Gesundheitspersonal hier war es schwierig, Ebola von anderen Krankheiten zu
       unterscheiden. Das Virus hat sehr ähnliche Symptome wie zum Beispiel
       Malaria.
       
       Jetzt arbeiten internationale Hilfsorganisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“
       in den betroffenen Gebieten. Haben die Bewohner tatsächlich Vertrauen in
       deren Mitarbeiter? 
       
       Das war anfangs schwierig. Wenn in Afrika jemand krank ist, dann ist es
       schwierig, ihn von seiner Familie zu trennen. Sogar wenn jemand im
       Krankenhaus liegt, kommen zum Beispiel die Eltern und übernachten dort. Die
       Hilfsorganisationen haben versucht, die Kranken zu isolieren. Die
       Bevölkerung hat das nicht verstanden. Dennoch: Die Hilfsorganisationen
       leisten eine exzellente Arbeit.
       
       Ebola ist längst ein grenzüberschreitendes Problem. Welche Maßnahmen haben
       Sie bisher ergriffen? 
       
       Nachdem der erste Fall Ende Februar offiziell in Guinea bestätigt wurde,
       haben wir alle Länder schriftlich über die Krankheit informiert und darauf
       hingewiesen, welche Maßnahmen zur Prävention zu ergreifen sind. Für Guinea
       haben wir schnell geklärt, was gebraucht wird und was finanziert werden
       muss. Gut war auch das Treffen der Gesundheitsminister in Monrovia im
       April, um weitere Maßnahmen zu besprechen. Im Moment versuchen wir, in
       Guinea, Sierra Leone und Liberia Maßnahmen zu vereinheitlichen. Außerdem
       bereiten wir einen Sondergipfel für Ende August vor, und es gibt
       Finanzierung der Afrikanischen Entwicklungsbank, um Infrastruktur
       aufzubauen.
       
       Liberia hat die Grenzen dichtgemacht. Hilft das? 
       
       Waho ist gegen die Schließung der Grenzen. Es gibt verschiedene
       Möglichkeiten, in ein Land einzureisen, auch wenn Grenzübergänge
       geschlossen sind. Die Maßnahme ist spektakulär, aber wenig effektiv.
       Natürlich ist jedes Land autonom und kann selbst entscheiden. Aber
       Präventionsmaßnahmen sind viel wichtiger. Wenn sich jemand krank fühlt,
       sollte er sich beobachten lassen, anstatt zu reisen.
       
       Aber wohin sollen die Kranken gehen? Gerade in Liberia und Sierra Leone
       sind viele Krankenhäuser und Ambulanzen geschlossen worden. 
       
       Das stimmt. Viele Strukturen funktionieren nicht mehr, und die Bevölkerung
       hat Schwierigkeiten, sich überhaupt behandeln zu lassen. Wir sind mit den
       jeweiligen Regierungen im Gespräch. Statt Einrichtungen zu schließen,
       müssen Schutzmaßnahmen erhöht werden. Aber auch hier gilt: Wir müssen
       bessere Aufklärungsarbeit auf lokaler Ebene betreiben. Es muss klar werden,
       wie das Virus übertragen wird. Das hilft den Gesundheitseinrichtungen und
       auch dem medizinischen Personal.
       
       Nehmen wir mal an: Eine Familie hat einen Kranken zu Hause und weiß nicht,
       ob es Malaria ist oder vielleicht doch Ebola. Aber in der Nähe gibt es
       keinen Arzt. Was raten Sie? 
       
       Die flächendeckende Gesundheitsversorgung ist in vielen Ländern schlecht.
       50 bis 60 Prozent der Einwohner haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem.
       Dennoch rate ich, die nächste Gesundheitsstation aufzusuchen. Teilweise
       arbeiten sie sehr gut und können die Erstversorgung durchaus leisten.
       Danach ist es aber unbedingt notwendig, ins nächste Krankenhaus zu gehen.
       Denn leider arbeiten nicht in allen dieser Stationen auch Ärzte. Wichtig
       ist, dass man sich nicht selbst behandelt.
       
       Dabei brodelt die Gerüchteküche, wie Ebola traditionell geheilt werden
       kann. In Nigeria hieß es zum Beispiel, der Verzehr von Kolanüssen halte
       Ebola ab. Jetzt wird empfohlen, in Salzwasser zu baden. 
       
       Wir sind in Afrika. Traditionelle Medizin ist weit verbreitet. Viele
       Menschen besuchen Wunderheiler und geben das weiter, was sie irgendwo
       gehört haben. Mit der Realität haben die Gerüchte nichts zu tun. Deshalb
       müssen wir sie bekämpfen. Mit den Regierungen arbeiten wir daran, dass die
       Aufklärungsarbeit verbessert und verstärkt wird. Dazu müssen wir die Medien
       nutzen, aber auch mit traditionellen Machthabern in den Dörfern
       zusammenarbeiten und mit Vertretern religiöser Organisationen und
       traditionellen Heilern. Wir müssen die Einstellung der Menschen ändern.
       
       12 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Gänsler
       
       ## TAGS
       
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