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       # taz.de -- Olympia 2016 in Brasilien: Investitionen in die Politik
       
       > Auch die kommenden Spiele werden die Staatskassen Brasiliens stark
       > belasten. Profitieren werden dagegen Bauunternehmer – dank ihrer
       > Parteispenden.
       
   IMG Bild: Barra in Rio: Genug Platz zum Bauen gibt es noch
       
       RIO DE JANEIRO taz | Nach dem blamablen Ausscheiden bei der Fußball-WM
       gegen Deutschland ist derzeit das Interesse in Rio de Janeiro an künftigen
       Sportevents eher gering. Die Stadtverwaltung muss jedoch die Olympischen
       Spiele 2016 gleich wieder ganz nach oben auf die Tagesordnung setzen. Denn
       auch bei den Vorbereitungen zur weltgrößten Sportveranstaltung drohen
       Verzögerungen und Engpässe.
       
       Es besteht kein Anlass zur Panik. Denn auch zur WM waren trotz allem
       Pessimismus zumindest die Stadien rechtzeitig fertig geworden. Und 2016
       stehen keine Präsidentschaftswahlen an, vor denen es sich lohnt,
       parteipolitische Miesmacherei zu betreiben. Aber kleine oder große Skandale
       wird es geben, das ist jetzt schon abzusehen.
       
       Und zudem steht fest: Es wird eine teure Olympiade. Umgerechnet 12,5
       Milliarden Euro veranschlagte Bürgermeister Eduardo Paes und deutete
       zugleich an, dass dies eine vorläufige Zahl sei – Mehrausgaben sind also zu
       erwarten. Zwei Drittel davon fließen in Infrastrukturmaßnahmen. Dazu zählt
       der Ausbau der U-Bahn in das abseits gelegene Strandviertel Barra da
       Tijuca, wo das Olympiazentrum eingerichtet werden soll.
       
       Obendrein werden weitere Schnellbustrassen errichtet, die den äußerst
       massiven Verkehr in der Stadt am Zuckerhut entlasten sollen. Für den Neu-
       und Ausbau von Sportstätten sind gut zwei Milliarden Euro eingeplant. „Die
       Arbeiten gehen gut voran, wir werden 2016 exzellente Spiele erleben“, sagt
       IOC-Direktor Gilbert Felli.
       
       ## Baukartell mit überteuerten Preisen
       
       Der Urbanistikprofessor Orlando Junior dos Santos von der Bundesstaatlichen
       Universität UFRJ ist weniger optimistisch. „Die Bauverträge sind allesamt
       an die gleichen Unternehmen vergeben worden, die schon bei den
       WM-Vorbereitungen zwei Drittel der geplanten Verkehrsprojekte nicht
       rechtzeitig fertigstellten.“ Er spricht von einem Baukartell, das
       überteuerte Preise veranschlagt. Diese Baukonzerne spenden die größten
       Summen an die Parteien bei Wahlkämpfen, „und jetzt fahren sie die
       erwarteten Gewinne ein“, so Dos Santos.
       
       Ein in Brasilien übliches Verfahren. Kritiker sprechen jedoch nicht von
       „Spenden“, sondern von „Investitionen“ in die Politik, die sich stets
       auszahlen. Der Oberste Gerichtshof kündigte bereits an, nach der
       Präsidentschaftswahl im Oktober Parteispenden von Unternehmen zu verbieten.
       
       Erneut werden die Ausgaben für das Megaevent die Staatskassen belasten.
       Schon die WM wurde zu 90 Prozent mit öffentlichen Geldern bestritten,
       obwohl im Vorfeld von der „ersten komplett privat finanzierten
       Weltmeisterschaft“ die Rede war. Auch bei Olympia werden sich private
       Sponsoren zurückhalten, nach Abschluss aber gerne die Nutzung der Bauten zu
       Sonderkonditionen anbieten, damit sie nicht zu „Weißen Elefanten“ werden
       und ungenutzt rumstehen.
       
       ## Investitionen in den sportlichen Erfolg
       
       Die Spiele werden am 5. August 2016 beginnen. „Viva a sua paixão“ – „Lebe
       deine Leidenschaft“ lautet das Motto. Erstmals seit fast hundert Jahren
       zählt Rugby wieder zu den olympischen Disziplinen, auch Golf wurde in das
       Programm aufgenommen. Anders als im Fußball ist Brasilien im olympischen
       Leistungssport wenig erfolgreich. Vor zwei Jahren in London holten die
       brasilianischen Sportler nur 17 Medaillen. In Rio sollen es 30 werden. Ziel
       ist, im Medaillenspiegel unter die besten zehn zu kommen. Dafür wurden rund
       40 ausländische Trainer engagiert, zudem sollen Medaillenprämien in
       Aussicht gestellt werden.
       
       Knapp eine halbe Milliarde Euro soll in die Spitzensportler investiert
       werden, eine Verdoppelung des Etats für London, sagte der sportliche
       Direktor beim Brasilianischen Olympischen Komitee, Marcus Vinícius Freire.
       Die Stadt erwartet zu den 42 Sportarten über 10.000 Sportler aus aller
       Welt.
       
       Rio profitiert davon, das es 2007 bereits die Panamerikanischen Spiele
       ausrichtete. Viele der damals genutzten Sportanlagen müssen nur reformiert
       und auf den neuesten Stand gebracht werden. Dazu zählen das
       Leichtathletikstadion Engenhão sowie diverse Spielstätten in Barra, wo auch
       das olympische Dorf entstehen soll. Der einst ländliche Stadtteil im Westen
       der flächenmäßig sehr ausgedehnten, ehemaligen Hauptstadt ist zum Hort der
       Immobilienspekulation geworden.
       
       Ähnliches droht in Deodoro im eher ärmlichen Norden der Stadt, wo das
       zweite Sportzentrum entstehen soll. Dort wird erst seit kurzem gebaut, den
       Anwohnern stehen zwei Jahre Lärm, Staub und chaotischer Verkehr bevor.
       Schon jetzt ist klar, dass die Schnellbustrasse von Deodoro ins Zentrum
       nicht rechtzeitig fertig werden wird, das Projekt wurde aus dem Olympiaplan
       gestrichen.
       
       Eine besondere Herausforderung steht den Seglern bevor, die Anfang August
       ihren ersten Testwettbewerb in der Bucht von Guanabara absolvierten. Das
       Segelrevier ist die größte Bucht Brasiliens, umringt von Armenvierteln und
       Industrieanlagen. Sie beherbergt den Hafen, vor dem Hunderte Schiffe
       wochenlang auf einen Platz am Kai warten. Über die Hälfte der Abwässer Rio
       de Janeiros und umliegender Städte fließen ungeklärt in die Bucht. Schon
       auf der Stadtautobahn vom Flughafen nimmt man den üblen Geruch des
       Gewässers wahr. Dort soll gesegelt werden. Die Verbände fürchten Unfälle
       durch schwimmenden Unrat und Gesundheitsrisiken aufgrund der
       Wasserqualität.
       
       11 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Behn
       
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