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       # taz.de -- Nach der türkischen Präsidentschaftswahl: Erdogan umarmt alle
       
       > Die absolute Mehrheit schon im ersten Wahlgang – Recep Tayyip Erdogan ist
       > der strahlende Sieger. In seiner Jubelrede verspricht er viel, nicht
       > zuletzt eine „neue Türkei“.
       
   IMG Bild: Präsident aller Türken: Erdogan in Jubelpose auf dem Balkon der Parteizentrale der AKP.
       
       ANKARA afp | Nach seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl hat der
       türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seinen Landsleuten eine
       neue Ära der Versöhnung angekündigt. Er wolle eine „neue Ära“ beginnen und
       den „Streit der Vergangenheit“ beilegen, sagte der islamisch-konservative
       Politiker am Sonntagabend vor Anhängern in Ankara. Er wolle der Präsident
       aller 77 Millionen Türken sein. Erdogan gewann die erste Direktwahl eines
       türkischen Präsidenten mit 52 Prozent der Stimmen.
       
       Erdogan hielt am späten Sonntagabend auf dem Balkon des Gebäudes seiner
       Partei AKP in der Haupststadt eine Siegesrede. Vor tausenden Anhängern
       sprach er von einem „historischen Tag“. „Heute hat nicht nur Recep Tayyip
       Erdogan gewonnen“, sagte er. „Heute hat der Wille des Volkes einmal mehr
       gesiegt. Heute hat die Demokratie einmal mehr gesiegt.“ Der 60-Jährige
       kündigte einen „neuen sozialen Versöhnungsprozess“ an. Alle Türken, ganz
       gleich welcher Herkunft und welchen Glaubens, sollten gleichberechtigte
       Bürger sein.
       
       „Ich möchte ein Präsident sein, der mit ganzem Herzen 77 Millionen Menschen
       umarmt, so wie ich es mein ganzes Leben lang und während meines gesamten
       politischen Kampfes getan habe“, sagte Erdogan. Kritiker, die ihn als
       „Diktator“ bezeichneten, sollten sich selbst in Frage stellen. Die
       Opposition solle „ihre Politik überdenken“, um mit dem Ideal einer „neuen
       Türkei" übereinzustimmen. „Diejenigen, die uns einer Ein-Mann-Herrschaft
       beschuldigen, sollten sich bitte selbst ernsthaft hinterfragen.“
       
       Erdogans Vorsprung fiel weniger groß aus als von manchen Beobachtern
       vorhergesagt. Doch erhielt er wie erwartet auf Anhieb die absolute
       Mehrheit. Laut dem vorläufigem Ergebnis kam er auf 52 Prozent der Stimmen.
       Sein Hauptrivale Ekmeleddin Ihsanoglu kam auf 38,3 Prozent, der Kandidat
       der kurdischen Minderheit, Selahattin Demirtas, erhielt 9,7 Prozent.
       Erdogans Amtseinführung ist für den 28. August geplant.
       
       Im Zentrum von Istanbul feierten tausende Anhänger Erdogans Wahlsieg. Sie
       schwenkten türkische Fahnen und hielten Porträts des künftigen Präsidenten
       hoch. In der Hauptstadt Ankara wurden Feuerwerke gezündet.
       
       Ernüchterung herrschte bei der Opposition: „Nicht Ihsanoglu hat die Wahl
       verloren, sondern der Wunsch nach einer sauberen und ehrlichen Politik und
       das Streben nach Demokratie“, sagte Haluk Koc, der Sprecher der
       Republikanischen Volkspartei, die Ihsanoglu unterstützte.
       
       ## Umwandlung in Präsidialsystem
       
       Erdogan erhielt die absolute Mehrheit, obwohl er auf das schwierigste Jahr
       seiner 2003 begonnen Regierungszeit zurückblickt. Im Sommer 2013 hatten
       sich Proteste gegen ein Bauprojekt in Istanbul zu landesweiten
       Demonstrationen gegen seinen autoritären Regierungsstil ausgeweitet. Das
       brutale Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten wurde auch im Ausland
       scharf kritisiert. Auch eine beispiellose Korruptionsaffäre in höchsten
       politischen Kreisen überstand Erdogan.
       
       Viele Türken preisen den früheren Bürgermeister von Istanbul als Vater des
       türkischen Wirtschaftswachstums. Dem streng religiösen Mittelstand gilt er
       als Hüter einer islamischen Ordnung. Seine Gegner fürchten dagegen eine
       zunehmende Aufweichung der von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk
       eingeführten strikten Trennung von Staat und Religion.
       
       Mit der Direktwahl vom Sonntag ist Erdogan den ersten Schritt zu der von
       ihm angestrebten Umwandlung der Türkei in ein Präsidialsystem gegangen.
       Bislang hat der türkische Staatschef vor allem repräsentative Aufgaben. Das
       will Erdogan mit einer Verfassungsreform ändern.
       
       11 Aug 2014
       
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