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       # taz.de -- Roadmovie im ZDF: Loser auf der Suche
       
       > Drei schräge Vögel, ein alter Ford: Felix Stienz’ Debütfilm „Puppe, Icke
       > & der Dicke“ hat einen guten atmosphärischen Drive.
       
   IMG Bild: Bruno (Matthias Scheuring, li.), Bomber (Tobias Boettcher, re.) und Europe (Stephanie Capetanides, Mitte) sind gemeinsam auf dem Weg nach Berlin.
       
       Das ist inzwischen ein eigenes Roadmovie-Subgenre: zwei oder drei mehr oder
       weniger liebenswerte Loser, Helden des Prekariats oder anderweitig
       Zukurzgekommene, die mit einem alten Auto, das irgendwie cool sein muss,
       ohne aber posh sein zu dürfen, durch die Pampa heizen. Ein Opel Kadett oder
       Porsche 993 kämen also nicht in Frage. Lebenskünstler auf der Suche nach
       einem anderen Leben oder auch nur auf der Flucht vor dem alten.
       
       Beispiele gibt es viele: Frank Giering als Floyd mit seinem, das heißt mit
       Walters frisierten Ford Granada in „Absolute Giganten“. Bouli Lanners als
       Yvan mit seinem kaputten Chevrolet Caprice in „Eldorado“. Natürlich: Susan
       Sarandon als Louise Sawyer mit ihrem offenen Ford Thunderbird in „Thelma &
       Louise“.
       
       Und jetzt: Tobi B. als Bomber mit seinem himmelblau metalliclackierten Ford
       Taunus Turnier in „Puppe, Icke & der Dicke“. Dem dritten Film im
       diesjährigen Durchlauf der „Shooting Stars“ genannten Nachwuchsfilm-Reihe
       des kleinen Fernsehspiels.
       
       Der 156 Zentimeter große Schauspieler Tobi B. ist tatsächlich eine
       Entdeckung. B. steht für „Böttcher“, im Film wie im Leben, und in beiden
       will er lieber Bomber gerufen werden. Seine etwas karikaturenhaft anmutende
       Körperproportionen sind, so erfährt man auch aus dem Film, auf das seltene
       Silver-Russell-Syndrom zurückzuführen.
       
       ## Räudiges Künstlerpack
       
       Mit seiner berlinernden Piepsstimme klingt er wie der kleine Bruder des
       Schauspielerkollegen Andreas Schmidt: „Du kannst nüscht, du machst nüscht –
       fahr nach Berlin! Dieses räudige Künstlerpack“ ist geeignet, ihm seine
       Heimatstadt zu verleiden. Jedoch: „Dit Entscheidende is, dass de ’n Plan
       hast. Und ick hab ’n Plan. Ick hab da noch Kontakte in Paris.“
       
       Bomber ist ein Loser, Paris – low budget in Straßburg gedreht – ein Schuss
       in den Ofen. Auf dem Weg zurück nach Berlin sitzen bald Europe (Stephanie
       Capetanides) und Bruno (Matthias Scheuring) in seinem Ford. Europe ist
       blind und schwanger.
       
       Eine deutlich pragmatischere „Amelie“ auf dem Weg zum Vater des erwarteten
       Kindes, von dem sie nur weiß, dass er Matthias heißt und Müllmann in Berlin
       ist. Bruno ist dick und sanft und spricht nicht. Nicht ein Wort.
       
       Natürlich verläuft die Reise der drei auf verschiedene Weisen
       Beeinträchtigten nicht einträchtig. Die auf Berlinerisch, Französisch und
       in schlechtem Englisch geführten Wortgefechte beziehen ihr komisches
       Potenzial nicht zuletzt aus der virtuosen Sprachverwirrung. Da blüht er,
       der europäische Gedanke.
       
       ## Vom Suchen und Finden der Liebe
       
       Bomber geriert sich pausenlos als prolliges Arschloch, allein die Frauen,
       die bei ihm alle nur „Puppe“ heißen, durchschauen ihn sofort. In Wahrheit
       ist er nämlich ein gefühlvoller Versteher, viel anständiger als zum
       Beispiel Matthias.
       
       Und wenn Bomber Europe schließlich einen Antrag macht, klingt das dann so:
       „Weeßte watt? Eigentlich bin ick ’n janz feiner Kerl. Seh vielleicht
       scheiße aus, aber ditt kann dir ja egal sein!“
       
       Nicht alles in Felix Stienz’ (Buch, Regie, Schnitt, Produzent)
       Langfilm-Debüt vom Suchen und Finden der Liebe stimmt so wie die Besetzung
       der Hauptrollen. Der Plot ist noch dünner als der Lulatsch Bomber.
       
       Stienz’ großes Vorbild heißt ganz offensichtlich Aki Kaurismäki. Der
       finnische Regisseur wird als Meister in Sachen Skurrilität und Lakonik
       verehrt. Wenn sich deshalb aber nun immer wieder eine Gruppe nach
       Regieanweisung ausdruckslos glotzender und klampfender Musikanten ins Bild
       schieben muss – dann will das nicht so recht zu dem von jenem derben
       Dialogwitz bestimmten Sound des Films passen. Geschmacksache, vielleicht.
       
       Unbedingt aber hat „Puppe, Icke & der Dicke“ als Roadmovie einen guten
       atmosphärischen Drive.
       
       11 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Müller
       
       ## TAGS
       
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