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       # taz.de -- Debatte Krieg in den Medien: Die große Verunsicherung
       
       > Angesichts der Kriegsmeldungen aus aller Welt wächst auch hierzulande die
       > Angst. Parallel dazu wächst der Wunsch nach klaren Verhältnissen.
       
   IMG Bild: Der Schrecken, wie hier im syrischen Homs, kommt immer näher – nicht zuletzt durch die mediale Berichterstattung.
       
       Und jetzt auch noch Bomben im Irak, nachdem die Waffenruhe zwischen der
       Hamas und Israel schon wieder beendet ist und niemand weiß, wohin der
       Konflikt mit Russland noch führt, von Syrien und Libyen ganz zu schweigen.
       
       Wir leben in einer Zeit großer Verunsicherungen. Schreckensszenarien, von
       denen man dachte, sie mit dem Ende des Kalten Krieges endgültig hinter sich
       gelassen zu haben, werden plötzlich wieder ganz real. In der Ukraine führen
       hochgerüstete Splittergruppen Krieg. Im Irak und in Syrien bringen bisher
       in Deutschland nicht wahrgenommene Terrororganisationen wie IS (Islamischer
       Staat) massenweise Menschen um und zwingen Hunderttausende zur Flucht.
       
       Auch hier, im sicheren Deutschland im Herzen Europas, wird plötzlich ein
       fast vergessenes Gefühl greifbar: die Angst vor einem Krieg. In diesem
       Jahr, in dem sich im November der Fall der Mauer zum 25. Mal jährt, wächst
       mit der Verunsicherung das Bedürfnis nach klaren Verhältnissen. Eindeutige
       Feindbilder entlasten.
       
       In dieser Gemengelage versuchen nun Journalistinnen und Journalisten auf
       der ganzen Welt ihre Kernaufgabe zu erfüllen: das Weltgeschehen
       darzustellen, zu ordnen und zu analysieren. Den LeserInnen und
       ZuschauerInnen also Material in Form von Texten, Bildern und Filmen an die
       Hand zu geben, mit dessen Hilfe sie sich eine Meinung bilden können.
       
       Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit. Aischylos, der Vater
       der griechischen Tragödie, hat den Satz rund 500 Jahre vor unserer
       Zeitrechnung geschrieben. An Aktualität haben seine Worte nichts eingebüßt.
       Im Gegenteil. Und es ist gerade diese Überforderung, die mit der
       Unübersichtlichkeit einhergeht, die dabei eine fatale Rolle spielen kann.
       
       ## Uneindeutigkeiten aushalten
       
       Auch heute, gerade in Zeiten des brüllend lauten Erregungsjournalismus,
       müssen Widersprüche formuliert und ausgehalten werden. Wir müssen dazu
       stehen, dass man trotz der neuen technischen Möglichkeiten manchmal eben
       nicht belegen kann, ob das Foto des Kinderschuhs in der Blutlache vom
       Fotografen arrangiert wurde oder ein wahrhaftiges Dokument ist. Diese
       Uneindeutigkeiten müssen genauso transparent gemacht werden, wie
       Widersprüche sich mithin nicht auflösen, sondern eben nur dokumentieren
       lassen.
       
       Die Versuchung ist groß, sich dem Bedürfnis nach Eindeutigkeit hinzugeben,
       die es nicht gibt, nach simplen Schuldzuschreibungen und nach vermeintlich
       schnellen und damit militärischen Lösungen.
       
       Die Welt ist auch deshalb in dem Zustand, in dem sie ist, weil viel zu
       viele Kriege begonnen wurden ohne realistische Ausstiegsszenarien. So muss,
       auch wenn natürlich Präsident Putin verantwortlich zu machen ist für die
       Verbrechen, die sich in der Ukraine abspielen, auch die Frage gestellt
       werden, welche Rolle die Politik des Westens bei der Eskalation des
       Konfliktes spielte und spielt.
       
       Die Entscheidungen, die in den Redaktionen getroffen werden, sind komplex:
       etwa welche Fotos man den LeserInnen noch zumuten kann oder ob eine
       Reportage eher aus Gaza oder aus Israel veröffentlicht werden soll.
       
       Dabei darf, ganz grundsätzlich gesprochen, der Anspruch nicht geopfert
       werden, so viele Originalstimmen wie irgend möglich aus den Kriegs- und
       Krisenregionen zu bekommen. Gerade jetzt sollten wir uns daran erinnern,
       dass es letztlich die Bilder und Berichte der Journalisten aus Vietnam
       waren, die dazu beitrugen, dass dieser Krieg beendet wurde.
       
       Die Welt ist nach Ende des Kalten Krieges unübersichtlicher geworden. Das
       stimmt. Die Entwicklung aber, dass Menschen aufbegehren, weil sie nicht
       mehr bereit sind, die wachsenden Macht- und Wohlstandsgefälle zu
       akzeptieren, wird sich nicht mehr umkehren lassen. Diese Zusammenhänge
       konnte man schon lange wissen. Wegschauen wird künftig nicht mehr
       funktionieren. Dazu sind die Konflikte zu nah an uns herangerückt.
       
       8 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ines Pohl
       
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