# taz.de -- Nachrichten von 1914 - 8. August: Die Einnahme von Lüttich
> Der deutschen Armee ist die Eroberung von Lüttich schneller als erwartet
> gelungen. Nun dürften sich die größten Befürchtungen der Franzosen
> erfüllen.
IMG Bild: Schützenlinie belgischer Infanterie bei Herstal, nordöstlich von Lüttich.
Amtlich wird gemeldet: Die Festung Lüttich ist genommen. Nachdem die
Abteilungen, die den Landstreich auf Lüttich unternommen hatten, verstärkt
worden waren, wurde der Angriff durchgeführt. Heute (Freitag) morgen 8 Uhr
war die Festung in deutschem Besitz. Seine Majestät der Kaiser hat dem
[1][General der Infanterie v. Emmich], der persönlich im Sturm auf Lüttich
die Truppen vorwärts führt, den [2][Orden pour le mérite] verleihen.
(W.T.B)
Nach dem missglückten Landstreich ist fester zugepackt worden. Seit dem
30.Juli oder noch früher armierte Belgien seine Festungen, auf die sich
seine ganze Defensive stützt und allein stützen kann, aber man ist dort
wohl nicht darauf eingerichtet, im Kriegszustand so prompt zu arbeiten, wie
die Deutschen. Nur [3][im Hinaustreiben Wehrloser] zeigten belgische Städte
eine bemerkenswerte Eile.
Wie konnte Lüttich so schnell genommen werden? Die amtlichen Nachrichten
darüber geben über die Zeit der vorbereitenden Angriffshandlungen ebenso
wenig Auskunft, wie über die verwendete Truppenmenge und die angewandten
Kampfmittel. Man gewinnt den Eindruck, als sei es gelungen, den festen
Waffenplatz wie eine Feldbefestigung zu nehmen, das heißt, ohne das Feuer
großkalibriger Geschütze nötig gehabt zu haben. Die Wirkung unserer
schweren Artillerie des Feldheeres ist aber auch eine anerkannt
durchschlagende, und Frankreich wird jetzt mehr als je seine ganz
bedeutende Unterlegenheit in schwerer Artillerie bedauern.
Jedenfalls zeigt sich der vorzügliche Erfolg unserer häufigen Übungen im
Kampf gegen starke Feldbefestigungen, bei denen wir die Truppe dahin
erziehen, mit schlechten Feldmitteln trotz des gesteigerten Widerstandes
des Verteidigers sich kampfkräftig an den Feind heranzuarbeiten, ihn aus
selbst geschaffenen Deckungen durch Feuer - auch mit Handgranaten - zu
erschüttern und schließlich durch Sturm völlig niederzuringen. Die
Kampfestüchtigkeit der Besatzung richtig einzuschätzen, ist nicht immer
leicht. Vor Lüttich ist es gut gelungen. Lüttichs Eroberung bleibt ein
schöner Beweis von dem Drang nach Vorwärts, der bei uns dauernd alle Teile
der Angriffstruppen beseelt.
Nun ist das Tor in das untere Maastal geöffnet. Welche Sorge vor diesem
Moment die französische Militärliteratur letztjährig offenbarte, ist noch
erinnerlich. Angeführt werden soll nur einiges aus den Arbeiten des
bekannten französischen Oberst Boucher, des Verfassers des "siegreichen
Frankreich im Kriege von morgen" und der "Offensive gegen Deutschland". Er
versucht den Nachweis zu führen, dass es der größte Fehler der deutschen
Heeresleitung sei, durch Belgien gegen die linke Flanke der Franzosen
vorzubrechen.
Der Widerstand Belgiens zugunsten Frankreichs wird von ihm als sicher
vorausgesetzt, und Oberst Boucher gönnt der Mobilmachung gerade die zehn
Tage bis zur Bereitschaft, die seit Beginn der Armierung von Lüttich
verflossen sind. Und dann zitiert er voll Zorn die Weissagung eines fremden
Militärattachés - war's ein deutscher? -, der schon vor einigen Jahren
bezweifelte, dass Lüttich sich länger als 48 Stunden den Einbruch der
Deutschen vom Leibe halten könne: "Man kann gar nicht daran zweifeln, dass
spätestens am Morgen des dritten Mobilmachungstages Deutschland im Besitz
der Hauptpforte sein wird, die in Belgien den Eingang zur großen Straße
nach Paris anschließen soll."
Nun, wenn's auch nicht der dritten Tag war, an dem wir Lüttich nahmen, so
war's doch der siebente. Und der Eindruck dürfte der gleiche sein, den
Oberst Boucher mit den Worten skizziert: "Man halte sich einmal vor,
welchen Eindruck in Paris und in der Provinz die wenige Tage nach der
Kriegserklärung eintreffende Nachricht hervorbringen wird, dass eine
deutsche Armee an den Quellen der Oise, höchstens zehn Märsche von der
Hauptstadt, erscheint!"
Wir wollen korrigieren: "Erscheinen kann"; denn ganz so weit sind wir noch
nicht. Aber mit seiner Unterschätzung des deutschen Vortoßes durch Belgien
hat Oberst Boucher doch einen argen Fehler gemacht, wenn er von unseren
Armeeekorps, denen Belagerungsformationen noch fehlen, schreibt: "Und das
sollen die Elemente sein, die sich eines Platzes bemächtigen wollen, der
aus 12 Forts oder Zwischenwerken besteht und mit 400 schweren Geschützen
armiert ist!" Der Sieger von Lüttich, [4][General der Infanterie v.
Emmich], hat es vollbracht.
Quelle: Berliner Tageblatt
8 Aug 2014
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DIR [4] http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_von_Emmich
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