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       # taz.de -- Kolumne Im Land der Menschenfresser: Bill Gates, übernehmen Sie!
       
       > Der größte Feind des Menschen ist viel kleiner und gemeiner als gedacht.
       > Nicht der Hai und auch nicht das Krokodil sind die größten Peiniger.
       
   IMG Bild: Erwischt! Der gefährlichste Feind des Menschen.
       
       Andere Leute zahlen dafür ein paar tausend Euro pro Nase: Zwei Wochen in
       einem subtropischen Land plus Safari zu den Menschenfressern. Wir hatten es
       da günstiger: 73 Euro für die Fähre nach Trelleborg, dann zwei
       Tankfüllungen. Und schon waren wir in dem exotischen Land, wo die
       Mitternachtssonne zwei Wochen lang bei 30 Grad schien und die Eingeborenen
       ihre Fruchtbarkeitstänze im ABBA-Museum vorstellen. Und wo wir unseren
       Urlaub mitten unter den gefährlichsten Tieren der Welt verbrachten.
       
       Denn der größte Menschenfresser ist nicht der Hai. Der frisst nur etwa 10
       Menschen im Jahr. Auch nicht das Krokodil (1.000) oder giftige Schlangen
       (50.000). Nicht einmal der Mensch, der dem Menschen ja bekanntlich ein Wolf
       ist, ist der schlimmste Killer (475.000). Nein, die größte Bedrohung für
       Homo Sapiens sapiens ist: die Mücke. 725.000 Menschen sterben pro Jahr
       irgendwo auf der Welt, weil sie von einer der 2.500 Mückenarten mit
       Krankheiten infiziert werden.
       
       Damit rangiert die Familie der Culicidae weit vorn in der Rangliste der
       Naturgefahren. Diese Daten aus den Statistiken der UNO und von Forschern
       hat immerhin Bill Gates auf [1][„Gates Notes“] zusammengetragen. Der
       ehemalige Chef von Microsoft kennt sich mit Menschenfeinden gut aus. Vor
       seiner Zeit als reicher Mäzen und Stifter galt er oft selbst als Landplage.
       
       Gates’ Schätzungen haben große Fehlermargen. Und vielleicht gibt es noch
       bösere Feinde als die gemeine Mücke. Eine tödliche Infektionskrankheit wie
       Ebola, die derzeit in Westafrika wütet, ist ein Albtraum.
       
       ## Verlorene Perspektive
       
       Aber Gates’ Liste macht anschaulich, dass wir bei Naturgefahren völlig die
       Perspektive verlieren. Auf zehn getötete Menschen durch Haiattacken kommt
       jährlich die unglaubliche Zahl von etwa 100 Millionen Haien, die von uns
       als Spaß oder Zutat zur Suppe gefangen werden. Ein einziger räudiger Wolf
       schafft es, ganze Landstriche in Panik zu versetzen, in denen sich
       betrunkene Jungmänner am Wochenende gruppenweise totfahren.
       
       Und als ich mich vor einigen Jahren beim Wandern im Denali-Nationalpark in
       Alaska besorgt nach Grizzlies erkundigte, sagte der Ranger cool: „Der
       größte Killer hier ist die Kälte.“ Und jetzt kommt die gute Nachricht: Wenn
       die Panik vor der Haiflosse oder der Grusel vor einem „Man-Eater“-Bären
       verfliegt, ist gegen die echten Killer oft ein Kraut gewachsen. Wo sich die
       Bevölkerung mit Mückensprays, Fliegengittern oder besserer Hygiene schützt,
       werden aus Mücken keine Elefanten.
       
       Einige der schlimmsten Bedrohungen (auch hier im Rennen: die Tsetsefliege
       mit 10.000 Opfern, der Bandwurm mit 5.000) wären nur halb so wild, wenn die
       Armen der Welt Zugang zu sauberem Trinkwasser, bezahlbarem Strom und
       besserer Bildung hätten. Wenn also nicht jede Krankheit existenzbedrohend
       würde. Und wenn den bengalischen Tigern ihre Jagdreviere nicht unter dem
       Hintern weggeschlagen würden, könnte der weiter bio essen, ergo gäbe es
       weniger Angriffe auf Menschen. Der größte Risikoverdränger lebt aber in der
       „entwickelten Welt“. Wir kämpfen für die Ampel vor der Schule unserer
       Kinder und akzeptieren Tausende Tote durch Dreck und Lärm des Verkehrs. Wir
       sorgen uns um Pestizidrückstände im Trinkwasser und finden fette Ernährung
       normal.
       
       Und manchmal leisten wir den Massenmördern auch noch Beihilfe. Die
       Ausbreitung von Gelb-, Denguefieber und Malaria, so moniert die UNO immer
       wieder, wird stark durch den weltweiten Handel mit alten Autoreifen
       gefördert: In den Pneus staut sich das Wasser und bildet eine ideale
       Brutstätte für die Mückenlarven, die die Erreger übertragen. Vielleicht
       sollte Bill Gates ein paar Millionen für effektives Altreifenrecycling
       lockermachen. Da könnte er gleich zwei Massenmördern an den Karren fahren:
       Moskitos und Autos.
       
       9 Aug 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.gatesnotes.com
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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