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       # taz.de -- Einsätze beim Fußball: Die Polizei spielt mit
       
       > NRW will die Polizeieinsätze bei Fußballspielen zurückfahren. Die
       > gewalttätigen Auseinandersetzungen sind aber ein gesellschaftliches
       > Problem.
       
   IMG Bild: Gut bewacht: das Stadion der Frankfurter Eintracht
       
       Am vergangenen Donnerstag haben die Kreispolizeibehörden des Landes
       Nordrhein-Westfalen Post bekommen. Genauer: Nur jene Kreispolizeibehörden
       mit Vereinen der ersten drei Fußballspielklassen. Der Absender: das
       Ministerium für Inneres, Nordrhein-Westfalen. Es ging um die Verringerung
       der Polizeieinsätze bei Erst- bis Drittligaspielen. Von einem Pilotprojekt
       im Zeitraum vom 1. August bis zum 27. September war die Rede.
       
       Die Polizei in NRW solle den Shuttleverkehr von und zum Stadion
       grundsätzlich nicht mehr begleiten. Auch könnten manche Spiele, bei denen
       nicht von Gewalttätigkeiten auszugehen ist, ganz ohne Bereitschaftspolizei
       ablaufen. Bei Partien, die von vielleicht 40.000 Menschen besucht werden,
       klingt das unverhältnismäßig. Nun ist Innenminister Jäger doch wieder ein
       Stück zurückgerudert. Es gehe nur um jene „Spiele, die in den letzten drei
       Jahren ohne Krawalle geblieben sind“, sagte er ausdrücklich. Die Einsätze
       bei Risikospielen blieben unangetastet.
       
       Dennoch passt sein Vorstoß in die aktuelle Debatte um Fußballfans,
       Hooligans und die hohen Kosten für die Steuerzahler. Denn nachdem jüngst
       der Senat in Bremen gefordert hatte, die Deutsche Fußball-Liga (DFL) möge
       sich an den Kosten für Polizeieinsätze beteiligen, schien doch zumindest
       eins sicher zu sein: Wir geben zu viel Geld für die randalierenden
       Fußballfans aus. Oft schwang mit: Wir schützen diese Idiotenhorden mit
       unserem Geld.
       
       „Bis zu eintausend zusätzliche Schutzleute aus anderen Ländern und von der
       Bundespolizei werden zusammengetrommelt, um Hunderte betrunkene Gorillas in
       Schach zu halten, die sich immer noch Fußballfans nennen dürfen“, schrieb
       etwa Peter Carstens in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Nun,
       nach dem NRW-Vorstoß, mag der Impetus möglicherweise sein: Gute Idee, lasst
       die Spinner sich gegenseitig totprügeln, wir halten uns da raus. Und wenn
       schon, wird populistisch hinzugefügt, soll sich die steinreiche DFL um sie
       kümmern.
       
       Man lässt dabei mehrere Dinge außer acht. Diese sich hauenden und
       stechenden Fans – von denen es durchaus einige gibt – sind ein
       gesellschaftliches Problem, keines der Vereine. Fußballspiele sind für sie
       das Ventil, um Aggressionen auszuagieren. Dem darf man durchaus mit
       Unverständnis begegnen – dennoch: Gäbe es den Ort Fußballstadion oder die
       Fan-Feindschaften nicht, würden die sich woanders abreagieren. Entsprechend
       ist es gesellschaftliche Aufgabe, Gewaltexzesse zu verhindern.
       
       ## Rückläufige Verletztenzahlen
       
       Man kann zudem nicht oft genug betonen, welch geringer Prozentsatz an
       Fußballfans diese Klientel ausmacht. Im Schnitt kamen in den Ligen eins bis
       drei pro Spieltag bundesweit in der vergangenen Saison 613.000 Fans in die
       Stadien. In der Vorsaison sollen es laut der Zentralen Informationsstelle
       Sporteinsätze je Spieltag etwa 23 Verletzungen gegeben haben, die Zahl sei
       rückläufig gewesen. Über die Optimierung von Polizeieinsätzen nachzudenken,
       ist also nur richtig.
       
       Dass der Leiter der Koordinationsstelle der Fanprojekte den Vorschlag
       begrüßt, spricht für die 99 Prozent der vernünftigen Fußballfans. Was dabei
       aber nicht berücksichtigt wurde: Die Polizei ist häufig auch „Player“ in
       der Fankonstellation. Beispielhaft könnte man das Stürmen des
       Schalke-Blocks zu Beginn dieser Saison in einer Champions-League-Partie
       oder den Angriff einiger Polizisten auf die St.-Pauli-Fankkneipe „Jolly
       Roger“ im Jahr 2009 anführen.
       
       Auch in Bremen gab es 2008 einen kleinen Polizeiexzess gegenüber
       Frankfurter Fans, von dem manche noch heute sprechen. „Erlebnisorientierte“
       junge Menschen, wie man die gewaltbereiten Fans gerne nennt, soll es auch
       in Polizeikreisen geben. Also: Natürlich muss man über einen optimaleren
       Einsatz der Polizei debattieren. Aber wo es bei Risikospielen zu Gewalt auf
       Fanseite kommen kann, da muss sie vor Ort sein – und sie muss die eigene
       Rolle in diesem Geflecht kennen.
       
       5 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Uthoff
       
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