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       # taz.de -- Recht auf Vergessen: Blackbox Google
       
       > Medien können sich kaum wehren, wenn Google Links aus der Trefferliste
       > einer Person löscht – und das betrifft nicht nur Verleumdungen.
       
   IMG Bild: Soll lieber nicht für die nächste Generation sichtbar sein? Zack, gelöscht.
       
       KARLSRUHE taz | Grundsätzlich kann jeder bei Google die Trefferliste zu
       seiner Person um unliebsame Links bereinigen. Das ist die Folge eines
       Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Mai, das faktisch ein
       „Recht auf Vergessenwerden“ einführte. Dass dies empfindliche Auswirkungen
       auf die Pressefreiheit haben kann, liegt auf der Hand. Dennoch haben Medien
       im derzeitigen Verfahren eine schwache Position.
       
       Im Mai hat der EuGH entschieden, dass Suchmaschinen, wenn sie Trefferlisten
       zusammenstellen, Datenverarbeitung betreiben und deshalb dem
       Datenschutzrecht unterliegen. Seitdem kann jeder bei Google beantragen,
       dass bestimmte Treffer in der Suchliste zu seiner Person nicht mehr
       erscheinen. Der Betroffene muss vorher nicht die Löschung an der Quelle
       beantragen, er kann direkt zu Google gehen.
       
       Denn laut EuGH ist der von Suchmaschinen eröffnete Zugang zu einem
       umfassenden Persönlichkeitsprofil ein eigenständiger Grundrechtseingriff.
       
       Der Bereinigungsanspruch gilt nicht nur für rechtswidrige Texte (zum
       Beispiel eine Verleumdung), sondern auch für nicht mehr relevante
       Informationen, ja sogar für Inhalte, die an der Quelle völlig rechtmäßig
       und damit unangreifbar sind. Grundsätzlich, so der EuGH, geht das Interesse
       des Bürgers an der Kontrolle seines Bildes in der Öffentlichkeit dem
       Interesse der Internetnutzer am Informationszugang vor.
       
       Eine Abwägung muss Google nur in „besonders gelagerten Fällen“ durchführen,
       vor allem wenn es um öffentlich interessierende Vorgänge und um Personen
       des öffentlichen Lebens geht. Doch auch dann muss ein Antrag des
       Betroffenen nicht stets abgelehnt werden, vielmehr kommt es darauf an, wie
       sensibel die Information für dessen Privatleben ist.
       
       ## Zwei Entscheidungen
       
       Google muss bei einem Antrag auf Bereinigung der persönlichen Trefferliste
       also zwei Entscheidungen treffen. Geht es – erstens – um eine Information
       des öffentlichen Interesses? Und wenn ja, hat hier das öffentliche
       Interesse Vorrang vor dem privaten Interesse auf Entfernung aus der
       Trefferliste? In diese Entscheidungen sind die Urheber der Informationen
       kaum einbezogen – selbst wenn es sich um Journalisten handelt und daher die
       Pressefreiheit berührt ist. Das jeweilige Medium wird nicht informiert,
       wenn bei Google ein Antrag eingeht. Es kann dazu also nicht Stellung
       nehmen.
       
       Nachdem Google einem Antrag stattgegeben hat, wird auch nicht der Verlag
       oder der Journalist darüber in Kenntnis gesetzt, vielmehr erhält lediglich
       der Webmaster der jeweiligen Domain eine Nachricht – über den Dienst
       Google-Webmaster-Tools. Darin wird auch nur erwähnt, dass eine bestimmte
       Webseite des Mediums aus Trefferlisten zu einem bestimmten Namen entfernt
       wird. Weder erfährt das Medium, warum Google dem Antrag stattgegeben hat,
       noch wer ihn überhaupt gestellt hat. War es der Protagonist des Artikels
       oder eine Nebenperson? Man muss selbst testen, in welcher Trefferliste der
       Artikel fehlt.
       
       Wenn das Medium dann gegen die Teil-Sperrung protestiert, zum Beispiel weil
       es um die Suchliste einer Person des öffentlichen Lebens geht, ist völlig
       unklar, wie Google darauf reagiert. Zunächst hieß es auf Nachfrage, dass
       man nicht in einen Dialog mit den Verantwortlichen der Originalquelle
       eintrete. Jüngst erklärte Google jedoch, dass man durchaus Korrekturen
       vornehme, wenn Google auf „Fehler“ hingewiesen werde. Ungeklärt ist auch,
       ob Medien im Streitfall vor Gericht gehen könnten.
       
       Das Ungleichgewicht ist schon im EuGH-Urteil angelegt: Bürger, die ihre
       personalisierte Suchliste bereinigen wollen, können sich bei einer
       Ablehnung von Google an den Hamburger Datenschutzbeauftragten oder ein
       Gericht wenden. Im Gegensatz dazu ließ der EuGH die Verfahrensposition der
       betroffenen Medien völlig offen.
       
       6 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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