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       # taz.de -- Energiewende weltweit: Weniger Investitionen in Atomkraft
       
       > Weltweit wird kaum noch Geld in die Kernenergie gesteckt. Die von der
       > Atomlobby ersehnte Renaissance der Meiler ist reines Wunschdenken.
       
   IMG Bild: Das könnte ein Selbstläufer werden: Selbst China hat mehr Solar- als Kernkraft.
       
       FREIBURG taz | In der internationalen Stromwirtschaft verliert Atomstrom
       immer mehr an Bedeutung: Im vergangenen Jahr stammten 11 Prozent aller
       weltweit erzeugten Kilowattstunden aus Kernreaktoren – Mitte der neunziger
       Jahre waren es noch 17 Prozent. Das geht aus dem neuen World Nuclear
       Industry Status Report hervor.
       
       Auch in absoluten Zahlen sinkt die Erzeugung von Nuklearstrom: 2.359
       Terawattstunden wurden im vergangenen Jahr weltweit mittels Kernspaltung
       erzeugt. Der historische Maximalwert von 2.660 Terawattstunden aus dem Jahr
       2006 wurde damit um mehr als 11 Prozent unterschritten. Und das ist nicht
       nur eine Folge von Fukushima: Schon in den Jahren zuvor war ein
       rückläufiger Trend erkennbar.
       
       Vorreiter dieser Entwicklung war Europa, wobei nicht nur die Deutschen
       einige Meiler vom Netz nahmen: In den 28 EU-Ländern sind aktuell noch 131
       Atomreaktoren in Betrieb, im Spitzenjahr 1988 waren es 46 mehr.
       
       Eine Ursache ist die weltweit zunehmende Stromerzeugung aus erneuerbaren
       Energien. Nach Daten der Internationalen Energieagentur flossen seit der
       Jahrtausendwende 57 Prozent aller Kraftwerksinvestitionen in die
       Erneuerbaren, 40 Prozent in die Fossilen und lediglich 3 Prozent in die
       Atomkraft. Ausnahmslos auf allen Kontinenten wurde in den letzten zehn
       Jahren mehr Geld in Erneuerbare investiert als in die Kernspaltung. So hat
       auch in China die Gesamtleistung aller bestehenden Photovoltaikanlagen jene
       der Atomkraftwerke überflügelt.
       
       Gleichwohl spricht die Atomlobby von einer Renaissance der Atomkraft dank
       der Neubaupläne, die es in einigen Ländern gibt. Doch diese Neubauten
       werden die Zahl der altersbedingt vom Netz gehenden Anlagen kaum
       ausgleichen können.
       
       ## Uranpreis tief wie nie
       
       Ein weiteres Indiz liefert der Brennstoffmarkt: Der Uranpreis dümpelt auf
       dem niedrigsten Niveau seit 2005.
       
       „Eindeutige Ursache ist die geringere Nachfrage“, sagt Werner Zittel,
       Energieforscher der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik und Wissenschaftler der
       Energy Watch Group. Denn neue Uranminen in nennenswertem Umfang, die also
       für mehr Angebot hätten sorgen können, wurden nicht erschlossen.
       
       Unterdessen versucht sich die internationale Atomwirtschaft mit
       Durchhalteparolen Mut zu machen. Dazu operiert sie mit Zahlentricks, um den
       realen Bedeutungsverlust der Atomkraft zu verschleiern. So spricht die
       Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) derzeit von weltweit 436
       laufenden Reaktoren.
       
       Mycle Schneider, Atomenergieberater in Paris und Autor des jährlichen
       Status Reports, spricht von nur noch 388 Meilern. Anders als die IAEO zählt
       er die 48 japanischen Meiler nicht mit, von denen kein einziger seit
       September 2013 Strom erzeugt hat. „Es ist an der Zeit, die internationalen
       Atomenergiestatistiken an die Realität anzupassen“, so Schneider.
       
       4 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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