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       # taz.de -- FDP-Fraktionschefin Katja Suding: „Die SPD-Mehrheit beenden“
       
       > Katja Suding, Fraktionschefin der FDP in der Bürgerschaft, über die
       > nahende Hamburg-Wahl, den innerparteilichen Streit und eine Koalition mit
       > der SPD.
       
   IMG Bild: Kann sich eine Koalition mit der SPD vorstellen: Katja Suding.
       
       taz: Frau Suding, seit dreieinhalb Jahren opponieren Sie und Ihre Fraktion
       gegen den absoluten Bürgermeister Olaf Scholz und dessen SPD. Wie groß ist
       der Frust? 
       
       Katja Suding: Natürlich ist das kein Traumjob, wenn man gegen einen solchen
       großen Block agieren muss. Die absolute Mehrheit einer Partei tut der Stadt
       nicht gut. Deshalb wollen wir sie bei der nächsten Wahl beenden. Als
       Opposition kann man aber durchaus einiges bewegen. Die SPD hat vielen
       unserer Vorschläge zugestimmt, etwa bei der Durchlässigkeit des
       Schulsystems, der Transparenz der Ergebnisse des Schul-TÜVs oder der
       Sicherung von Aufenthaltsrechten behinderter jugendlicher Flüchtlinge.
       
       Die SPD ist also Argumenten zugänglich? 
       
       Guten Argumenten gegenüber ja. Aber viel zu selten.
       
       Das zeigt sich aber nicht in der Haushaltspolitik? 
       
       Wir haben zwar zusammen mit der SPD und den Grünen die Schuldenbremse in
       die Verfassung geschrieben, das war‘s dann aber auch weitgehend mit den
       Gemeinsamkeiten. Wir stehen klar dafür, mit dem Geld auszukommen, das in
       der Kasse ist, statt künftige Generationen mit Schulden zu überhäufen. Bei
       der Konsolidierung des Haushalts lassen es die Sozialdemokraten deutlich an
       Ehrgeiz fehlen.
       
       Sie wollen den Haushalt möglichst rasch ausgleichen und auf neue Kredite
       verzichten? 
       
       Ja, schon 2015 wäre das möglich. Die Erfahrung lehrt, dass Haushalte in
       guten Zeiten ruiniert werden. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind
       jetzt gut, die Steuereinnahmen sprudeln, und die dürfen wir nicht für
       dauerhafte neue Ausgaben verwenden, sondern müssen sie zum Abbau der
       Schulden einsetzen.
       
       Aber das macht der SPD-Senat doch. 
       
       Aber viel zu langsam und halbherzig. Nur in der Richtung sind wir uns
       einig, konkret lässt der Scholz-Senat aber kaum Anstrengungen erkennen. Der
       Personalabbau kommt nicht voran, im Gegenteil. Und das unsinnige
       Busbeschleunigungsprogramm, in dem 260 Millionen Euro verbuddelt werden,
       ist vollständig überflüssig. Da ließe sich viel Geld sinnvoll sparen.
       
       Vor zwei Jahren haben Sie gefordert, den städtischen Ökostromanbieter
       Hamburg Energie zu privatisieren. Sehen Sie das immer noch so? 
       
       Natürlich. Wir haben in Hamburg viele Ökostromanbieter, die Kunden können
       also auswählen. Der Staat sollte nicht mit einem subventionierten
       städtischen Unternehmen in diesen funktionierenden Wettbewerb eingreifen.
       
       Aber immer noch ist Vattenfall das dominierende Unternehmen auf dem
       Hamburger Energiemarkt.Wo ist denn da offener Wettbewerb? 
       
       Ich sprach vom Ökostrom-Markt, auf dem ein staatlicher Akteur mit privaten
       Anbietern konkurriert. Auf dem konventionellen Energiemarkt ist der
       Konsument seit langem frei zu entscheiden, wer ihn beliefern soll.
       
       Und was sollte mit Hamburg Energie passieren? 
       
       Verkaufen. Wir brauchen dieses Unternehmen nicht.
       
       Dann sind Sie vermutlich immer noch unglücklich über den Ausgang des
       Volksentscheides zur Rekommunalisierung der Energienetze? 
       
       Wir halten das weiterhin für falsch. Aber selbstverständlich respektieren
       wir die Entscheidung des Volkes. Jetzt begleiten wir im Parlament kritisch
       die Umsetzung durch den SPD-Senat. Beim Stromnetz ist das bereits
       geschehen, über Gas wird noch verhandelt. Bei der Fernwärme hat der Senat
       mit Vattenfall einen Vertrag geschlossen, den wir bedenklich finden.
       
       Warum? 
       
       Dort wurde eine Übernahme vereinbart für 2019 zu einem Mindestkaufpreis von
       950 Millionen Euro, von dem niemand sagen kann, ob der dann gerechtfertigt
       ist. Sollten dann Gutachter zu dem Ergebnis kommen, dass der Preis den Wert
       des Unternehmens überschreitet, darf die Stadt nach der
       Landeshaushaltsordnung gar nicht kaufen. Das wäre rechtswidrig. Da liegt
       eine Möglichkeit, den Volksentscheid nachträglich auszutricksen.
       
       Da gibt es ausnahmsweise eine Übereinstimmung von Ihnen mit Grünen und
       Linken. Die teilen diese Skepsis. 
       
       Ja, die haben das zwar erst später gemerkt als wir, aber immerhin. Und
       diese beidenParteien, die ja inhaltlich mit den Volksentscheid voll
       übereinstimmen, sollten in dem Punkt dann doppelt wachsam sein. Die FDP
       wird als Bürgerrechtspartei darauf achten, dass der Volksentscheid
       vernünftig umgesetzt wird.
       
       Sie und die FDP sind ja keine Freunde von staatlichen Unternehmen. Deshalb
       haben Sie den Kauf von Anteilen an der Reederei Hapag-Lloyd durch Hamburg
       abgelehnt. Sehen Sie Ihre Zweifel inzwischen bestätigt? 
       
       Absolut. Die Schifffahrtskrise dauert an, Hapag-Lloyd schreibt nach wie vor
       rote Zahlen. Das war vorhersehbar. Die Rendite von 35 Millionen Euro
       jährlich, die der Senat fest im Haushalt eingeplant hat, gibt es nicht.
       Stattdessen muss die Stadt hohe Zinsen auf die Kredite von etwa 1,2
       Milliarden Euro zahlen, die für den Kauf aufgenommen wurden. Das ist ein
       großes Minus-Geschäft für die Stadt.
       
       Wird es die versprochenen Renditen überhaupt geben? 
       
       Hoffentlich, aber so bald nicht. Der Senat versprach damals ein risikoloses
       und kurzfristiges Geschäft, daraus wurde jetzt ein hochriskantes und
       langwieriges. Wir hatten genau davor gewarnt und Recht behalten.
       
       Ist das ein unglücklicher Einzelfall? Oder sehen Sie das als Beleg dafür,
       dass der Staat sich grundsätzlich aus der Wirtschaft heraushalten sollte? 
       
       Beides. Die Beteiligung war für den Hafenstandort Hamburg, für das
       Unternehmen und die Arbeitsplätze nicht existenziell. Und zweitens, wenn
       man es trotzdem macht, muss man in der Lage sein, die Konsequenzen zu
       überblicken, und sollte den Bürgern reinen Wein einschenken. Das ist nicht
       passiert.
       
       Sie lehnen städtische Beteiligungen an Unternehmen grundsätzlich ab? 
       
       Grundsätzlich nicht. Aber man muss sehr genau hingucken. Wenn es um
       hoheitliche Aufgaben geht, kann eine städtische Beteiligung sinnvoll sein.
       
       Was verstehen Sie unter hoheitlich? 
       
       Da geht es um öffentliche Vorsorge. Sozialer Wohnungsbau, Öffentlicher
       Nahverkehr, Wasserversorgung zum Beispiel.
       
       Sie wollen also die Saga oder die Hochbahn nicht privatisieren? 
       
       Und die Wasserwerke auch nicht.
       
       Aber deren Tochter Hamburg Energie? 
       
       Ja.
       
       Und welches wären städtische Beteiligungen, die Sie aufgeben würden? 
       
       Unter den hunderten von ganz oder teilweise im Besitz der Stadt
       befindlichen Unternehmen gehören die verkauft, deren Aufgaben nicht von
       besonderer Bedeutung für die Hamburger sind und deren Dienstleistungen
       Private genauso gut anbieten – zum Beispiel das Busunternehmen Reisering:
       Im Bus unabhängig vom ÖPNV verreisen zu können, ist keine städtische
       Pflichtaufgabe.
       
       Kommen wir zum Innenleben der Hamburger FDP: Sie und die Landesvorsitzende
       Sylvia Canel liegen im offenen Streit. Welche politisch-inhaltlichen Gründe
       gibt es dafür? 
       
       Es gab unterschiedliche Ansichten über die Zusammensetzung einer
       schlagkräftigen Mannschaft für die nächste Bürgerschaft. Diese Diskussionen
       haben wir geführt, der Landesparteitag hat entschieden. Jetzt haben wir ein
       gutes Team zusammen.
       
       Es geht also schlicht um persönliche Abneigungen? 
       
       Nein, es geht um ein gutes Team und einen guten Teamgeist. Solche
       Auseinandersetzungen offen auszutragen und zu entscheiden gehört in einer
       demokratischen Partei dazu.
       
       Der Streit wurde zu Ihren Gunsten entschieden, Sie sind die unangefochtene
       Spitzenkandidatin, Sylvia Canel kandidiert nicht. Alles wieder friedlich? 
       
       Ja, wir haben das ausgetragen, alles ist geklärt, jetzt geht es gemeinsam
       weiter.
       
       Sie glauben wirklich, dass Frau Canel Katja-Suding-Plakate aufstellt? 
       
       Die Landesvorsitzende wird mit aller Kraft die Spitzenkandidatin und alle
       anderen FDP-Kandidaten für die Bürgerschaft unterstützen, das hat sie
       selbst erklärt.
       
       Warum setzen Sie sich so vehement für Olympische Spiele in Hamburg ein? 
       
       Olympische Spiele hätten für Hamburg einen unglaublich hohen Nutzen.
       Infrastrukturprojekte würden schneller umgesetzt und es würde den
       Bekanntheitsgrad Hamburgs in der ganzen Welt erhöhen.
       
       Olympische Spiele als PR-Maßnahme für Tourismus? 
       
       Auch, natürlich.
       
       Die Linie des Senats ist: Das muss nachhaltig sein, sonst machen wir das
       nicht. Stimmen Sie da zu? 
       
       Ja. Wir müssen genau prüfen, was Olympische Spiele für die Entwicklung der
       Stadt bedeuten. Für die Stätten, die wir extra bauen, brauchen wir ein
       durchdachtes Konzept der Weiternutzung nach den Spielen. Es geht nicht,
       Großbauten zu errichten, die hinterher niemand braucht oder deren Unterhalt
       unbezahlbar ist, so wie bei den Winterspielen in Sotschi oder jetzt in
       Brasilien mit Fußball-Stadien, die nach der WM leer stehen werden. Das
       können und wollen wir in Hamburg nicht.
       
       Angeblich gibt es bereits 30 von etwa drei Dutzend erforderlichen
       Sportstätten. Müssten nur noch ein paar große dazu kommen wie
       Olympiastadion und Schwimmhalle. Und ein Olympisches Dorf natürlich. 
       
       Ja, das ist schon eine ganze Menge. Und es gibt die Idee, dass
       Olympiastadion so zu errichten, dass man es hinterher als Zentrum für
       Hamburger Akteure des Sports nutzen kann. Diese Konzepte müssen jetzt
       ausgearbeitet werden. Hamburg kann und muss zeigen, dass ein nachhaltiges
       und sozialverträgliches Olympia ohne Gigantomanie möglich ist.
       
       Und dann müssen es die BürgerInnen auch so sehen bei einem Volksentscheid
       im nächsten Mai? 
       
       Die HamburgerInnen müssen wissen, worauf sie sich einlassen, und sagen, ob
       sie das wollen. Anders geht es nicht.
       
       Das alles haben wir im Zweifel noch vor uns. Bereits hinter uns haben wir
       die Bezirkswahlen vom 25. Mai mit einer Wahlbeteiligung von nur 41 Prozent:
       Minusrekord. Hat sich das neue Wahlrecht bewährt oder sollte es geändert
       werden? 
       
       Der Hauptgrund für die niedrige Wahlbeteiligung ist, dass die Bezirkswahl
       von der Bürgerschaftswahl abgekoppelt und mit der Europawahl zusammengelegt
       wurde. Das war keine gute Entscheidung.
       
       Wäre es sinnvoll, die Bezirkswahlen wieder an die Bürgerschaftswahlen zu
       koppeln, damit die Wahlbeteiligung wieder zunimmt? 2011 hatte sie noch bei
       54,3 Prozent gelegen. 
       
       Darauf deutet Manches hin. Wir müssen aber auch zusammen mit „Mehr
       Demokratie“ noch genauer analysieren, welche Konsequenzen daraus gezogen
       werden sollten. Schnellschüsse kommen nicht in Frage. Dieses Wahlrecht kam
       durch einen Volksentscheid zustande, da muss das Parlament sehr sensibel
       sein mit Änderungsvorschlägen.
       
       „Mehr Demokratie“ möchte auch, dass Hamburg als Einheitsgemeinde aufgelöst
       wird und die sieben Bezirke zu eigenständigen Großstädten im Bundesland
       Hamburg werden. Was halten Sie davon? 
       
       Das löst kein einziges Problem und schafft nur neue. Besser wäre es,
       doppelte Verwaltungsebenen abzuschaffen und den Bezirken mehr Kompetenzen
       zu überlassen. Aber Hamburg als Stadt zu zerschlagen, ist unsinnig.
       
       Bei der nächsten Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 kandidieren Sie zum
       zweiten Mal als Spitzenkandidatin. Liegt das Schicksal der FDP in Ihren
       Händen? 
       
       Als Spitzenkandidatin hat man sicher eine herausgehobene Rolle und
       Verantwortung. Aber Erfolg können wir nur in einem motivierten Team haben.
       
       Setzen Sie darauf, dass Ihr Bekanntheitsgrad inzwischen deutlich höher ist
       als vor vier Jahren, als Sie erst acht Wochen vor der Wahl nominiert
       wurden? Gibt es eine reine Katja-Suding-Personality-Kampagne? 
       
       Ich bin jetzt deutlich bekannter, das wird helfen. Aber es geht nicht nur
       um meine Person. Themen werden dieses Mal deutlich mehr Gewicht im
       Wahlkampf haben: Schuldenbremse, Olympia, die Flüchtlingsproblematik, die
       falsche Verkehrspolitik und die Fehler in der Schulpolitik, um nur einige
       zu nennen. Diese und andere Themen werden eine deutlich größere Rolle
       spielen als 2011.
       
       Möglicherweise verliert die SPD die absolute Mehrheit und braucht einen
       Koalitionspartner? Stünde die FDP für eine rot-gelbe Koalition bereit? 
       
       Für Gespräche über eine solche Koalition stünden wir bereit. Aber wir
       müssen die Wahl abwarten und dann schauen, was möglich ist. Und dann muss
       es auch inhaltlich passen, eine Koalition ohne klare liberale Handschrift
       würden wir nicht schließen.
       
       Alternative wäre wahrscheinlich Rot-Grün – allein um das zu verhindern,
       müsste die FDP doch sehr kompromissbereit sein? 
       
       Rot-Grün wäre sehr schädlich für Hamburg. Aber die FDP gäbe es dennoch
       nicht zum Schnäppchenpreis.
       
       Und mit CDU und Grünen in einer Jamaika-Koalition gegen die SPD? 
       
       Mir fehlt die Fantasie um zu erahnen, wo die tragfähigen Grundlagen für so
       ein Bündnis liegen könnten. Das sehe ich nicht.
       
       Und bei Rot-Gelb würde Katja Suding Zweite Bürgermeisterin und Senatorin
       für welches Ressort? 
       
       Über Posten machen wir uns am Ende von Koalitionsverhandlungen Gedanken.
       Bis dahin ist noch ein sehr weiter und steiniger Weg.
       
       Und die Linken? Und, falls sie in die Bürgerschaft kommen sollte, die AfD? 
       
       Das sind beide keine Partner für uns.
       
       Was machen Sie am 16. Februar 2015, am Morgen nach der Wahl? 
       
       Ich freue mich über ein sehr gutes Ergebnis der FDP und den Verlust der
       absoluten Mehrheit der SPD.
       
       Und bereiten sich auf Koalitionsverhandlungen vor? 
       
       Hätte ich nichts gegen.
       
       3 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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