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       # taz.de -- Strafmaßnahmen in der Ukraine-Krise: Wettrennen der Sanktionen
       
       > Russland droht Europa mit höheren Gaspreisen. Doch jedes Drehen an der
       > Preisschraube birgt auch für Moskau Gefahren.
       
   IMG Bild: Sabotierte Pipeline in der Ukraine.
       
       HAMBURG taz | Die Ankündigung des russischen Außenministeriums, die
       Sanktionen des Westens gegen Russland würden „unvermeidlich zu einem
       Preiswachstum auf dem europäischen Energiemarkt“ führen, hat in Deutschland
       für Aufregung gesorgt.
       
       EU-Energiekommissar Günther Oettinger rechnet aber nicht mit einer
       Beeinträchtigung. „Ich glaube, dass die Abhängigkeit gegenseitig ist und
       deswegen der tägliche Gasvertrag eingehalten wird“, sagte der Vizepräsident
       der Europäischen Kommission am Donnerstag.
       
       Allerdings ist die Abhängigkeit sehr einseitig: Deutschland und die EU
       beziehen laut Energieverband BDEW gut ein Drittel ihres Erdgases aus
       Russland, die Hälfte davon über ukrainische Pipelines. Ebenfalls aus
       Russland bezieht die Bundesrepublik ein Drittel ihres Öls – doch hier ist
       die faktische Abhängigkeit weit geringer als beim Gas.
       
       Grund ist die aus Sowjetzeiten stammende Ölpipeline „Druschba“
       (Freundschaft), durch die das flüssige Gold aus Sibirien nach Schwedt
       fließt. Dort wird es in der Raffinerie PCK, an der auch der russische
       Staatskonzern Rosneft beteiligt ist, verarbeitet.
       
       ## Pipeline-Beschränkungen wären ein Eigentor
       
       Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) verweist gegenüber der taz auf einen
       „Plan B“: Sollte die Leitung trockenliegen, würde die Raffinerie über
       Leitungen aus Rostock und Gdansk versorgt werden – beides Häfen, in die
       Erdöl aus aller Welt per Tanker geliefert werden kann.
       
       Das Gasgeschäft ist weit komplizierter: Die meisten Länder im Osten der EU
       hängen vollständig an den Pipelines der russischen Energieriesen Gazprom
       und Rosneft. Europaweit fehlt eine Infrastruktur für Flüssiggas (LNG), mit
       dem etwa Japan seine Energieversorgung nach der Atomkatastrophe von
       Fukushima sicherstellen konnte.
       
       Das Nadelöhr Deutschlands bilden die Pipelines gen Osten. Die beiden
       anderen wichtigen Lieferanten, Niederlande und Norwegen, könnten zumindest
       kurzfristig nicht einspringen. Allerdings reichen die Speicher für etwa
       drei Monate – und es gibt bedeutende heimische Ressourcen. Mittelfristig
       wäre eine Substitution des russischen Erdgases möglich, da der Anteil am
       Primärenergieverbrauch gerade einmal 7 Prozent beträgt.
       
       Doch bislang droht Moskau nicht mit Mengenbeschränkungen – denn das wäre
       auch ein Eigentor: „Das russische Liefergebiet ist durch das vorhandene
       Pipelinenetz definiert“, so Claus-Friedrich Laaser vom Institut für
       Weltwirtschaft in Kiel. Wichtigste Pipeline-Abnehmer vor Deutschland sind
       Türkei und Ukraine. Ohne diese stände Russland ohne Kunden da.
       
       Damit würden aber auch Förderlizenzen deutscher Konzerne wie BASF in
       Sibirien und russische Firmen getroffen, die in der EU auch im
       Endverbrauchermarkt aktiv sind. Gazprom – Hauptsponsor des
       Fußballbundesligaklubs Schalke 04 – will im Herbst die auch in Frankreich,
       Großbritannien und Österreich aktive Gashandelsgesellschaft Wingas
       übernehmen, um noch mehr deutsche Haushalte über Stadtwerke direkt zu
       beliefern.
       
       Ein Drehen an der Preisschraube wäre also auch für Moskau zweischneidig.
       Traditionell arbeitet die Energiebranche mit langfristigen Verträgen, die
       Mengen und Preise festlegen. Dabei ist die Bezahlung nach wie vor oft an
       den Ölpreis gekoppelt – immer öfter aber auch an aktuelle Marktpreise im
       freien Handel. Unter anderem der US-Fracking-Boom führte tendenziell zum
       Fall des Gaspreises. Legal sind Moskau also die Hände gebunden. Daher
       erwartet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung auch keine
       Energiepreiserhöhungen.
       
       31 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hermannus Pfeiffer
       
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