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       # taz.de -- Bürgerbegehren zur Garnisonkirche: Zurück nach Preußen
       
       > In Potsdam wird es keinen Bürgerentscheid über die Garnisonkirche geben.
       > Das haben SPD, CDU und Grüne mit einer taktischen Enthaltung verhindert.
       
   IMG Bild: Garnisonkirche: Die Glocken sind schon da. Der Rest des 88 Meter hohen Turmes fehlt.
       
       POTSDAM taz | In Brandenburgs Landeshauptstadt kochen die Emotionen derzeit
       hoch. Dabei geht es um den Wiederaufbau der im Krieg beschädigten und 1968
       auf Anweisung der SED-Führung komplett gesprengten Garnisonkirche. Der
       barocke Kirchenbau ist anders als beispielsweise die Frauenkirche in
       Dresden historisch belastet: Der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm
       I. hatte sie im 18. Jahrhundert für die Garnison seiner Residenzstadt bauen
       lassen. In ihr wurden auch die Truppen gesegnet, bevor sie in den Krieg
       zogen. Eine echte Stadtkirche war sie nie. 100 Millionen Euro soll es
       kosten, den Sakralbau neu zu errichten.
       
       Am Mittwochabend stimmten die Stadtverordneten mehrheitlich für ein
       Bürgerbegehren gegen den Wiederaufbau – und verhinderten so einen
       Bürgerentscheid. Doch dass die umstrittene Barockkirche nun nicht gebaut
       wird, ist alles andere als klar. Für die Initiatoren des Bürgerbegehrens
       ist die Abstimmung, bei der sich die große Mehrheit der Stadtverordneten
       aus den Fraktionen von CDU, SPD und Grünen aus taktischen Gründen enthielt,
       eine Art Pyrrhussieg.
       
       Zwar wird der Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) damit beauftragt, alle
       rechtlich möglichen Schritte zu unternehmen, um die Stiftung für den
       Wiederaufbau der Garnisonkirche aufzulösen – so heißt es im Wortlaut des
       Bürgerbegehrens. Eine andere Fragestellung war nicht möglich, weil sich
       lokale Bürgerbegehren nur auf Entscheidungen beziehen dürfen, die auch
       Stadtverordnete treffen könnten. Auch die bereits vor mehr als einem Jahr
       erteilte Baugenehmigung ließ sich nicht mehr rückgängig machen.
       
       Doch Jakobs ist als Abwickler des Kirchenaufbaus denkbar ungeeignet. Die
       Garnisonkirche sei eine der schönsten Barockkirchen Norddeutschlands
       gewesen, hatte er noch vor der Abstimmung gesagt. Nachher ließ er dann
       mitteilen, er werde prüfen, ob und wie er alle rechtlichen Möglichkeiten
       nutzen könne, die Garnisonkirchen-Stiftung aufzulösen. „Rechtliche Zweifel
       gibt es ja“, so Jakobs. Im Kuratorium der Stiftung hat die Stadt nur eine
       von elf Stimmen. In dem Gremium sitzen auch die ehemaligen
       Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck (beide SPD) sowie
       Ex-Innenminister Jörg Schönbohm (CDU).
       
       ## Widerstand statt Versöhnung
       
       Schwerer als die mauen Aussichten wiegt für die Organisatoren des
       Bürgerbegehrens, dass ihnen nun die Chance auf ein Plebiszit genommen
       wurde. „Sie wollen die Bürger nicht beteiligen, weil sie vermuten, dass die
       Ablehnung sehr groß ist“, sagte Simon Wohlfahrt, Sprecher der Initiative
       „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“.
       
       Nun fordern die Initiatoren des Bürgerbegehrens die evangelische Kirche
       auf, den geplanten Wiederaufbau des Gotteshauses zu stoppen. „Wie kann man
       einen Ort der Versöhnung schaffen wollen, gegen den es so viel Widerstand
       gibt“, sagte Wohlfahrt. Die im Rathaus regierende Kooperation aus SPD, CDU,
       Grünen habe Angst vor der Meinung der Bevölkerung, meint auch Lutz Boede
       von der linksalternativen Fraktion Die Andere.
       
       Die hatte das Bürgerbegehren von Anfang an unterstützt, in der Abstimmung
       jedoch als einzige dagegen votiert. „Es soll ja nicht im Belieben der
       Mehrheit im Stadtparlament liegen, ob ein Bürgerentscheid stattfindet oder
       nicht“, so Boede. Seine Fraktion wollte den Weg dahin frei machen.
       
       Dass das nicht funktionierte, lag auch am Abstimmungsverhalten der Linken –
       auch sie Gegner des Wiederaufbaus. Ihre Stadtverordneten verschafften dem
       Bürgerbegehren am Mittwoch die Mehrheit. „Man kann darüber streiten, ob das
       taktisch klug ist“, so Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg.
       
       Allerdings ist auch für die Freunde des Wiederaufbaus noch nicht viel
       gewonnen. Noch immer können sie nicht belegen, dass ihre Kirchenkopie in
       der Stadt wirklich gewollt ist. Außerdem fehlt immer noch das Geld. Für den
       Turm habe man die Hälfte der nötigen 41 Millionen Euro zusammen, hieß es.
       Da waren die zwölf Millionen, die der Bund 2013 für das Projekt von
       „nationaler Bedeutung“ versprach, schon mitgerechnet. Doch die fließen nur,
       wenn die Gesamtfinanzierung steht.
       
       31 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Zschieck
       
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