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       # taz.de -- Die Wahrheit: Gold, Ebenholz und Walfischzähne
       
       > Lübbenau ist reich wegen der Touristen. Und die kommen wegen der
       > Andenkenläden. So mache ich das auf meinem Balkon nun auch.
       
   IMG Bild: Ergib dich, du vergeistigter Schlappschwanz von einem Zombie-Roboter, oder ich mach dich nackig!
       
       Endlich weiß ich, wie ich zu unermesslichem Reichtum gelangen kann. Die
       Idee dazu kam mir bei einem Besuch in Lübbenau. Lübbenau ist ein
       schillerndes kleines Städtchen im Spreewald, nicht wesentlich größer als
       mein Balkon, aber mit wesentlich höherem Touristenaufkommen. Lübbenau birst
       ganz offensichtlich vor Geld. Jedes noch so kleine Haus besteht aus purem
       Gold, und wo es nicht aus purem Gold besteht, ist es aus poliertem Ebenholz
       und glänzenden Walfischzähnen gebaut. Lübbenau ist so reich, dass es sich
       sogar den extravaganten sorbischen Zweitnamen „Lubnjow“ leisten kann, der
       ihm eine geheimnisvolle Aura verleiht, ähnlich der einer schleierhaften
       Wahrsagerin, die die schwere Last ihrer juwelengeschmückten Ohren mit der
       irisierenden Anmut einer schleierhaften Wahrsagerin trägt.
       
       Und warum ist Lübbenau so reich? Eben wegen der Touristen! Und warum kommen
       all diese Scharen, Busladungen, Besatzungstruppen und Völkerwanderungen
       nach Lübbenau? Weil Lübbenau über eine nicht unbeträchtliche Anzahl an
       Andenkenläden verfügt, in denen man alles kaufen kann, was einen später
       wieder an Lübbenau erinnert. Da gibt es Plastikgurken, die in Kähnen
       sitzen, Schneekugeln, in denen Kähne berieselt werden, Holzmalereien, auf
       denen sich Männer in sorbischen Trachten Kähne ansehen, Fotografien von
       Mückenschwärmen, die um Kähne schwirren, marzipanene Miniaturkähne und
       viele Dinge mehr, die mit Kähnen zu tun haben. Und um all diese
       Kahn-Andenken an die Touristen verkaufen zu können, haben die Lübbenauer in
       mühevoller Handarbeit 8.000 Quadratkilometer der Landschaft um Lübbenau
       herum mit Kanälen durchzogen, über die sie die unüberschaubare Masse an
       Besuchern auf hölzernen Kähnen durch die Gegend schippern. Denn Wasser
       zieht immer die Menschen an und wo Wasser ist, bleibt der Reichtum nicht
       lange aus.
       
       Und da kam mir die geniale Idee: Ich baue auch einen kleinen Andenkenladen
       auf meinem Balkon, in dem ich marzipanene Miniaturen meiner Klappstühle,
       Fotografien meines Sonnenschirms neben den Klappstühlen und Plastikfiguren,
       in Form meiner kümmerlichen Tomatenpflanzen, unter den Klappstühlen
       verkaufe. Dann stelle ich einen Bottich mit Wasser daneben und warte auf
       die begeisterten Horden, die alsbald meine neue Tourismushochburg stürmen
       werden, um mir gegen eitel Geld meine Preziosen aus den Händen zu reißen.
       
       Es wird nicht lange dauern, bis ich so viel Geld auf dem Konto habe, dass
       ich mir ein zweites anlegen muss und ich meinen Laden mit purem Gold,
       poliertem Ebenholz und glänzenden Walfischzähnen ausbauen werde. Und dann
       kann ich mir vielleicht auch bald einen geheimnisvollen Zweitnamen für
       meinen schillernden kleinen Balkon leisten, der ihm eine geheimnisvolle
       Aura verleiht, ähnlich der einer schleierhaften Wahrsagerin, die die
       schwere Last ihrer juwelengeschmückten Ohren mit der irisierenden Anmut
       einer schleierhaften Wahrsagerin trägt.
       
       31 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Corinna Stegemann
       
       ## TAGS
       
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