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       # taz.de -- Wirtschaftsbeziehungen mit Europa: Sowjetische Selbstversorgung
       
       > Russland könnte sich schon bald von Europa abnabeln. Es gibt bessere
       > Entwicklungsmöglichkeiten. Die zielen bislang aber nur auf die
       > Rüstungsindustrie.
       
   IMG Bild: Dieser Zug wurde von Siemens in Deutschland hergestellt. Mittlerweile wäre der Kauf verboten.
       
       MOSKAU taz | Nicht nur Europa denkt darüber nach, sich von russischer
       Energie unabhängiger zu machen. Auch in Moskau gibt es Kräfte, die darauf
       drängen, die Importabhängigkeit zu senken. Bislang war dies ein
       Nischenthema national-patriotischer Kreise. Doch mittlerweile stehen
       Autarkiebestrebungen und selbstgewählte Isolation als Entwicklungsoptionen
       wieder weiter oben auf der Agenda.
       
       Seit der Krim-Annexion und ersten Sanktionsdrohungen wird auch in der
       Öffentlichkeit häufiger über Autarkie nachgedacht. Die Erinnerungen an die
       sowjetischen Zeiten mit begrenzter Produktionspalette sind zwar nicht ganz
       verblasst – werden aber langsam überdeckt von dem Gedanken, dass Moskau
       damals Weltmacht war.
       
       Im aufgepeitschten Patriotismus dieser Tage lässt diese Gewissheit eine
       mögliche Mangelwirtschaft nicht mehr ganz so bedrohlich erscheinen: Der
       Kitzel, die Welt in Schrecken zu halten, ist intensiver als Gaumenfreuden
       an luftgetrockneten Salamis.
       
       Isolation böte die Chance, Russland zu modernisieren, meinen Befürworter
       der Abschottung wie Putins Wirtschaftsberater Sergei Glasjew, ein Vordenker
       der „Eurasischen Union“. Er will den Devisenhandel einschränken,
       ausländische Guthaben einfrieren, um Importe durch heimische Produkte zu
       ersetzen. Der Finanzsektor soll vom Ausland abgekoppelt, der Bevölkerung
       der Ankauf von Fremdwährungen, vor allem Dollars, ausgeredet werden.
       
       ## Kein Kauf von ausländischen Produkten
       
       Premier Dmitri Medwedjew wähnt hinter den von EU und USA angedrohten
       Sanktionen „Protektionismus im Interesse bestimmter Unternehmen“. Die
       russische Regierung hat schon länger Behörden den Kauf von im Ausland
       hergestellten Dienstfahrzeugen verboten. „Es ist besser, wenn das Geld an
       russische Unternehmen fließt “, so Medwedjew. Das Verbot betrifft auch
       Busse, Straßenbahnen und Krankenwagen. Ausgenommen sind ausländische
       Firmen, die in Russland produzieren.
       
       Zunächst wurde auch verfügt, den Kauf von Medizintechnik zu beschränken,
       dies verschwand jedoch schnell wieder aus den Schlagzeilen. Zu verzeichnen
       sind Steigerungen von Importzöllen und Einfuhrbeschränkungen für
       Agrarprodukte. Meist werden hygienische Mängel als Grund vorgegeben.
       Angestrengt versucht der Kreml auch einheimische, aber im Westen notierte
       Unternehmen an die Moskauer Börse zurückzuholen.
       
       Der Weg in die Autarkie wird lang und steinig sein. Nicht nur der
       Lebensstandard dürfte sinken, Russland wird wohl auch gegenüber der
       Weltwirtschaft endgültig ins Hintertreffen geraten. Modernisierung
       bedeutete bislang vor allem eins: rüstungstechnische Rückstände aufholen.
       
       Nur wenn Moskau militärtechnisch gleichzog, konnte es auch gegenüber dem
       Westen Druckpotenzial entwickeln und die autoritäre Verfasstheit des
       eigenen Systems bewahren. Bislang aber sei die Autarkie als Großprojekt
       noch nicht in Angriff genommen worden, hieß es aus gutinformierten Kreisen.
       
       30 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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