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       # taz.de -- Bundesjustizminister Heiko Maas: Nichts im Übermaß
       
       > Eigentlich ist Heiko Maas ein nüchterner Typ. In der NSA- Affäre fällt er
       > jedoch durch starke Sprüche auf. Ein durchsichtiger Profilierungsversuch?
       
   IMG Bild: Einer muss es sagen: Justizminister Maas findet deutliche Worte in Richtung USA:
       
       BERLIN taz | Der Neue startet mit einem großen Versprechen. 18. Dezember
       2013, Heiko Maas, frisch vereidigter Minister, redet im
       Bundesjustizministerium zum ersten Mal vor seinen Mitarbeitern. Er erzählt,
       dass sich in dem Gebäude früher das Presseamt der DDR befand. Nur wenige
       Schritte von Maas entfernt verkündete Günter Schabowski am 9. November 1989
       auf einer legendären Pressekonferenz die Reisefreiheit für DDR-Bürger.
       
       „Sofort und unverzüglich“, diese Worte hätten Millionen Freiheit und
       Bürgerrechte gebracht, sagt Maas. Der Ort ermögliche deshalb eine gute
       Standortbestimmung in der Frage, „welchen Werten wir uns in diesem Haus
       besonders verpflichtet fühlen“.
       
       Schon immer haben sie sich im Justizministerium als etwas Besonderes
       gesehen. Als Verteidiger des Rechtsstaats, als Wächter der Freiheit, als
       nötige Gegenspieler zum Innenministerium. Maas ließ nach seinem Amtsantritt
       keinen Zweifel daran, dass er in der Großen Koalition die Liberalität
       hochhalten will.
       
       Gut ein halbes Jahr nach seinem Versprechen ist klar: Maas macht Ernst.
       Oder, etwas präziser, er unternimmt zumindest einen ernsthaften Versuch.
       Das beweist er in der Affäre um die Späh- und Spionageattacken der
       US-Geheimdienste, welche die Republik seit über einem Jahr beschäftigt.
       
       Die Kanzlerin, andere Minister oder der Regierungssprecher sind vorsichtig.
       Sie kleiden ihr Missfallen in diplomatische Formeln, sie betonen stets die
       Freundschaft mit den Amerikanern. Heiko Maas aber redet offen. Er
       kritisiert die Verbündeten, er droht und empört sich. Maas gibt seit Wochen
       den Mr. Klartext im Kabinett, den Rebellen unter lauter Vorsichtigen.
       
       Ein kleiner Auszug aus dem Zitatefundus des Justizministers zu NSA, CIA und
       Co. Maas forderte nach der Festnahme des mutmaßlichen BND-Spions, dass die
       Amerikaner das Ausspähen stoppen müssen. „Der Überwachungswahn der NSA muss
       endlich ein Ende haben.“
       
       Maas drohte ihnen mit Konsequenzen. „Wenn sie sich bei uns nicht an die
       geltenden Regeln halten, dann wird auch gegen sogenannte Freunde
       strafrechtlich ermittelt.“
       
       Und Maas verknüpfte die Affäre mit dem Freihandelsabkommen TTIP. „Wir
       brauchen für ein solches Abkommen ein Mindestmaß an gesellschaftlicher
       Zustimmung in Deutschland. Und die läuft uns im Moment wegen der
       Spionageaffäre davon.“
       
       ## Kleine Tabubrüche in der Koalitionsräson
       
       All das sind kleine Tabubrüche in der Koalitionsräson. Maas ist unter den
       Spitzenpolitikern von Union und SPD keineswegs der Einzige, der so denkt.
       Aber nur er traut sich, harte Punkte öffentlich zu formulieren.
       
       Das liegt einerseits daran, dass Maas außen vor ist. Er kann mutig sein,
       ohne sich zu blamieren. Ergebnisse liefern müssen in der diplomatischen
       Krise ja die anderen, Kanzleramt und Außenministerium. Was ein deutscher
       Justizminister sagt, interessiert die USA nur am Rande.
       
       Wahr ist auch: Die meisten seiner Ansagen werden fromme Wünsche bleiben.
       Den Überwachungswahn der NSA stoppen? Schön und gut, nur wie? Der
       Geheimdienst agiert nach amerikanischem Recht. Die US-Regierung will kein
       No-Spy-Abkommen, weil dies aus amerikanischer Sicht einen Präzedenzfall
       produzieren würde. NSA und CIA werden Deutschland also weiter überwachen,
       egal, was Heiko Maas sagt.
       
       Sind seine Interviews also reine Profilierungsversuche? Mit Sicherheit
       auch, aber nicht nur. Natürlich, Maas’ Rhetorik dient der eigenen
       Inszenierung. Er sagt das, was ein Justizminister sagen muss. Dabei
       adressiert er das deutsche Publikum, und hier vor allem die
       SPD-Wählerschaft. Doch es wäre zu einfach, seine Strategie als pures
       Maulheldentum abzutun.
       
       Schließlich ist dem Minister die Dialektik großer Worte bei faktischer
       Machtlosigkeit durchaus bewusst. „Die wichtigste Waffe der Diplomatie ist
       nun mal die Sprache“, sagt einer, der Maas gut kennt. „Wer soll die
       Menschen daran erinnern, dass das Recht für jeden gilt – wenn nicht der
       Justizminister?“ Nichts zu Rechtsbrüchen zu sagen sei schließlich keine
       Option.
       
       So gesehen ist lauter Protest das Mindeste, was ein deutsches
       Regierungsmitglied angesichts eines Dauerskandals tun sollte. Nur deutlich
       vorgetragene Argumente, so die Lesart im Justizministerium, ändern die
       Haltung der USA. Auch wenn dies nur in kleinsten Schritten geschieht.
       
       ## Joggen und alkfreies Weizen
       
       Das Kalkül hinter Maas’ Auftritten ist auch deshalb so offensichtlich, weil
       er eigentlich kein Typ für Machtworte ist. Der Saarländer Maas, 47 Jahre,
       der Vater Betriebswirt in den Ford-Werken Saarlouis, die Mutter
       Schneiderin, zeichnet sich durch ein nüchternes Politikverständnis aus.
       Sein Geschäft ist das Machbare, nicht die Vision.
       
       Während andere Spitzengenossen abends bei Rotwein im Kreise ihrer Getreuen
       prahlen, geht Maas joggen und trinkt ein alkoholfreies Weizen. Er
       kokettiert gerne damit, Triathlet zu sein. Für diesen strapaziösen Sport
       braucht man nicht nur einen langen Atem, sondern auch viel Selbstkontrolle.
       Der schmale, asketisch wirkende Maas war im Saarland das personifizierte
       Gegenmodell zu Oskar Lafontaine. Hier der Alte, ein überschwängliches
       Alphatier. Dort der junge Pragmatiker.
       
       Das Justizministerium ist für ihn ein neues Feld. Maas ist zwar studierter
       Jurist, doch bis ihn Sigmar Gabriel ins Berliner Kabinett schleuste, machte
       er die generalistisch angelegte Karriere eines SPD-Landesfürsten – mit
       Schwerpunkt auf Verkehr und Umwelt. Doch er hat während seiner bisherigen
       Laufbahn mehrmals bewiesen, sich schnell in eine neue Materie einarbeiten
       zu können.
       
       ## Guter Draht zum Innenministerium
       
       Zu seinem CDU-Konterpart Thomas de Maizière pflegt Maas ein „gutes und
       professionelles Arbeitsverhältnis“, berichten Innenpolitiker der Koalition.
       Das ist deshalb bemerkenswert, weil es neu ist.
       
       In schwarz-gelben Zeiten standen sich Justiz- und Innenministerium
       gegenüber wie zwei stumme Eisblöcke. Hans-Peter Friedrich (CSU) und Sabine
       Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hassten und blockierten sich, nicht nur
       bei der Vorratsdatenspeicherung. Unter den Beamten der Häuser kursierten
       bereits Witze über die Intimfeindschaft. Treffen sich zwei Mitarbeiter der
       Ministerien. „Einen schönen guten Tag.“ „Wünsche ich auch – aber nur unter
       Leitungsvorbehalt.“
       
       Unter Maas und de Maizière haben sich beide Häuser, die in
       Gesetzgebungsverfahren aufeinander angewiesen sind, wieder angenähert. Nach
       der Vereidigung trafen sich Maas und de Maizière zu einem Abendessen und
       verabredeten Kooperation. Sie belebten die sogenannten Kleeblattgespräche
       neu, bei denen sich wenige Spitzenbeamte beider Häuser alle sechs Wochen
       besprechen. Sie sagen sich in Kabinettssitzungen offen, welchen Spin sie in
       Interviews der Woche verbreiten werden.
       
       Bisher funktioniert die Verabredung gut. Beim Doppelpass hat das Duo eine
       geräuschlose Einigung hinbekommen, die sowohl SPD als auch Union auf einem
       verminten Feld ihr Gesicht wahren lässt. Bei der umstrittenen
       Vorratsdatenspeicherung half Maas ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs.
       Nachdem das Gericht eine EU-Richtlinie als rechtswidrig eingestuft hatte,
       erklärte der Justizminister kühl, nun gebe es keinen Grund mehr zur Eile.
       Er gewann die Machtprobe.
       
       Maas macht seine Sache also bisher nicht schlecht, aber es gab auch noch
       keine echten Bewährungsproben. Den Beweis, dass er großen Ansagen
       ebensolche Taten folgen lassen kann, wird er erst noch liefern müssen.
       
       28 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
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