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       # taz.de -- Informations-Freiheits-Gesetz in der Praxis: Auskunft nur mit Ausnahmen
       
       > Ob ein Fragebogen zur Ermittlung von Scheinehen veröffentlicht werden
       > muss, verhandelte am Freitag das Verwaltungsgericht.
       
   IMG Bild: Stroh und Stroh geht klar. Bei binationalen Ehen muss das Amt aber die Liebe messen.
       
       BREMEN taz | Müssen Bremer Behörden einen Fragenkatalog zur Ermittlung von
       „Scheinehen“ binationaler Paare veröffentlichen? Vorerst wohl eher nicht.
       Vor dem Verwaltungsgericht ist am Freitag eine entsprechende Klage der
       Bürgerrechts-[1][Organisation] „Humanistischen Union“ (HU) gegen die Stadt
       Bremen verhandelt worden.
       
       Richter Simon Sieweke machte deutlich, dass er den Schutz und Erfolg der
       behördlichen Ermittlung in diesem Fall höher bewertet als die
       Informationsfreiheit. Klar wurde allerdings: In der Rechtssprechung und dem
       behördlichen Umgang mit dem Informationsfreiheits-Gesetz (IFG) ist noch
       lange keine Routine eingekehrt.
       
       Denn eigentlich ist der behördliche Fragenkatalog kein als „geheim“
       eingestuftes Dokument. Stoßrichtung auch des Bremischen
       Informationsfreiheitsgesetzes von 2006 aber ist es, Verwaltungshandeln für
       die Öffentlichkeit grundsätzlich nachvollziehbar, kontrollierbar und nur in
       Ausnahmefällen verschlossen zu halten.
       
       Diese Ausnahme sieht Richter Sieweke in diesem Fall der Tendenz nach
       gegeben: „Der Wert der Aussage sinkt, je mehr dieser Fragenkatalog bekannt
       ist.“ Juristisch aber ist nicht sicher, ob das reicht, um auch ohne
       konkretes Verwaltungsverfahren eine solches Dokument pauschal vor der
       Öffentlichkeit zu schützen.
       
       ## Amtlicher Liebestest in 100 geheimen Fragen
       
       Vor einem Urteil, das innerhalb von zwei Wochen zu erwarten sei, wolle er
       alle Argumente noch einmal abwägen, sagte Richter Sieweke – und, dass er
       sich schon jetzt „über eine Berufungsverhandlung freuen“ würde, um mehr
       juristische Klarheit zu schaffen. In dem Scheinehe-Katalog selbst sind über
       100 Einzelfragen aufgelistet um zu [2][überprüfen], ob bei einem
       binationalen Paar auch tatsächlich Liebe im Spiel ist, es zumindest eine
       Ehe ist, so, wie der Verwaltungsapparat sich das eben vorstellt – oder ob
       die aus behördlicher Sicht gesetzesbrecherische Absicht einer
       Aufenthaltserschleichung besteht.
       
       Was es auf der Hochzeit zu essen gab, wollen die Sachbearbeiter dann etwa
       getrennt von den Ehepartnern wissen, wie das gemeinsame Bad gestaltet ist,
       welche Art von Wecker im Schlafzimmer steht oder wer auf welcher Seite des
       Ehebettes schläft.
       
       Darunter sind Fragen, die nach einer [3][Gerichtsverhandlung] 2009 von der
       Landesbeauftragten für Datenschutz überprüft und als unzulässig eingestuft
       wurden und seit 2011 daher gestrichen sind. Die Datenschutz-Überprüfung
       hatte die Humanistische Union überhaupt erst darauf gebracht, Mitte 2012
       die Veröffentlichung des gesamten Fragenkatalogs anzufordern. Beim
       Innensenator allerdings ließ man sich ganze sechs Monate Zeit für eine
       ablehnende Antwort, die HU reichte schließlich 2013 Klage ein.
       
       ## Die Angst der Betroffenen
       
       Was nun vor dem Verwaltungsgericht abstrakt verhandelt wurde, ist für
       binationale Paare eine konkrete Belastung: „Es ist ein Eingriff in die
       Privatsphäre der Betroffenen“, sagt Barbara Krüger vom Bremer Verband
       Binationaler Familien und Partnerschaften. „Schon im Vorfeld der
       Eheschließung haben die meisten große Angst“, sagt sie, „auch, weil das
       Verfahren sehr intransparent ist.“ Die Befragungen kommen regelmäßig vor,
       besonders beim Ehegatten-Nachzug aus visumspflichtigen Staaten sei dies
       „Gang und Gäbe“.
       
       Neben monatelanger Überprüfungen, etwa der Identitätspapiere, gehöre auch
       eine Anhörung in der deutschen Botschaft zum Programm. „Das vermittelt den
       Eindruck, man habe gar kein Recht auf ein Zusammenleben – als wenn das ein
       Gnadenakt sei“, sagt Krüger. Die ist mit Ängsten besetzt, weil man nicht
       weiß, nach welchen Kriterien das beurteilt wird. Die Fragen seien in
       manchen Fällen überhaupt nicht zu beantworten, weil die Partner oft noch
       gar nicht die Chance hatten, einen Alltag zu teilen.
       
       Vor Gericht aber musste indes erst einmal geklärt werden, wer für eine
       mögliche Herausgabe überhaupt zuständig wäre. Der Innensenator oder das
       Stadtamt, zu der die Ausländerbehörde gehört? Wer den Fragenpool einst
       erstellt hat, konnte zumindest auch Ute Schenkel, Referatsleiterin für
       Aufenthalts- und Asylangelegenheiten beim Innensenator, nicht beantworten.
       
       ## Wer Auskunft will muss betteln
       
       Für die Humanistische Union ist das Verhalten der Behörde wie die Tendenz
       des Richters ein Zeichen dafür, wie wenig das Informationsfreiheitsgesetz
       in der Behörde verankert sei. „Es bleibt traditionelles Verwaltungshandeln,
       das man erstmal alles intransparent gestaltet“, sagte Björn Schreinermacher
       von der HU nach der Verhandlung.
       
       [4][//ssl.bremen.de/datenschutz/sixcms/detail.php?gsid=bremen236.c.7262.de:
       Datenschutzbeauftragte] Imke Sommer beobachtet das Verfahren genau und ist
       wie der Richter gespannt auf eine weitere gerichtliche Klärung. „Es ist ein
       sehr junges Gesetz und daher gut, dass sich die Gerichte damit
       beschäftigen“, so Sommer zur taz.
       
       Einen besonderen Nachholbedarf in Sachen Transparenz kann sie in Bremen
       dabei nicht ausmachen: „Ich nehme in der Tat wahr, dass, anders als im
       Datenschutz, bei der Informationsfreiheit viele noch nicht das Gefühl dafür
       haben.“ Im Vergleich zu anderen Ländern seien die Probleme in Bremen
       allerdings geringer, „vielleicht, weil die Kultur in Bremen schon früher
       etwas offener war“, so Sommer.
       
       28 Jul 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.humanistische-union.de/themen/informationsfreiheit/informationsrecht_in_deutschland/bremen/
   DIR [2] http://www.inneres.bremen.de/de/detail.php?gsid=bremen52.c.2422.de
   DIR [3] /!94338/
   DIR [4] http://https
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jean-Philipp Baeck
       
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